Vom Europapokal in den Abstiegskampf So fällt unser FC-Fazit vor der WM-Pause aus

Köln · Bei vier Punkten aus den vergangenen sieben Pflichtspielen lässt sich beim 1. FC Köln von einer Krise sprechen. Doch der Schein trügt, der FC hat in zahlreichen Spielen überzeugt. Reicht das am Ende der Saison? So fällt unser Fazit aus.

1. FC Köln: So fällt unser Fazit vor der WM-Pause aus
Foto: dpa/Soeren Stache

Deutlich vor Spielbeginn betrat Steffen Baumgart am Samstag das Olympiastadion in Berlin. Der Trainer des 1. FC Köln ging tief in die Hocke und streichelte fast schon liebevoll über das satte Grün – ein Moment der Stille, seltsam meditativ. Seltsam, aber nicht ungewöhnlich. Es ist ein Ritual, sein Ritual. Aber auch ein Ritual, das der Trainer selbst sich kaum erklären kann. „Es gibt Sachen, auf die es keine Antwort gibt. Das gibt mir einfach ein gutes Gefühl. Es gehört dazu, den Rasen zu spüren. Ich liebe den Job“, sagte der 50-Jährige vor einigen Monaten im ZDF-Sportstudio, er betone mit der Geste: „In so ein Stadion gehen zu dürfen, ist für mich das Größte. Schön, dass ich hier sein darf.“ Gerade das Olympiastadion hat für den Wahl-Berliner eine besondere Bedeutung, die Job-Euphorie erlebte aber nur wenige Stunden später einen Dämpfer. Vermutlich wünschte sich der 50-Jährige nach dem 0:2 dann doch ganz weit weg.

Für Baumgart war es mehr als nur eine Niederlage. Es war auch mehr als die Niederlage gegen ein Kellerkind. Das 0:2 gegen die Hauptstädter bedeutete das fünfte sieglose Spiel in Serie, vier davon gingen verloren. Und so hockte Baumgart eine gute Stunde nach der Begegnung sichtbar angefressen in den Katakomben des Olympiastadions und sprach auf der obligatorischen Pressekonferenz das aus, was die Tabelle eindeutig widerspiegelt: „Wir sind nur noch drei Punkte vom Relegationsplatz weg, und das bedeutet Abstiegskampf. Alles andere ist Augenwischerei“, sagte der Coach. „Ich glaube nicht, dass das irgendwer anders sieht.“ Und damit erlebt die Kölner Ära Baumgart nach anderthalb Spielzeiten ihre erste Krise

1. FC Köln: Erste feine Risse schon im Sommer erkennbar

Eine Krise, die vor einige Monaten von Mahnern befürchtet worden, vor wenigen Wochen aber nicht annähernd abzusehen war. Denn allen Kritikern, die dem FC ein ähnliches Szenario wie 2017/2018 prophezeiten, als die Kölner aufgrund der Doppelbelastung und des Modeste-Abgangs sang- und klanglos Richtung 2. Liga marschierten, zum Trotz startete Köln stark in die Liga. Fünf Spiele, zwei Siege, drei Remis, dazu die Gruppenphase in der Conference League – der FC war Anfang September mehr als im Soll.

1. FC Köln: Die Einzelkritik zur Hinrunde
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Die Euphorie täuschte allerdings über die ersten feinen Risse hinweg. In drei der fünf Spiele agierten die Geißböcke in Überzahl, gerieten ebenfalls in drei Partien bereits in der Anfangsphase in Rückstand, zweimal wurden die Gegentreffer wieder zurückgenommen. Dennoch: Schwächen in der Defensive, gepaart mit Unkonzentriertheiten, waren dort schon zu erkennen. Viel schlimmer aber: Der FC bezahlte das 0:0 gegen den VfB Stuttgart mit einem hohen Preis. Mathias Olesen und Jeff Chabot zogen sich langwierige Verletzungen zu, auch Benno Schmitz gesellte sich zu den Langzeitverletzten, und so mussten die Kölner mitten in der Modeste-Ersatz-Diskussion den Nebenschauplatz Defensive glätten. Der von Baumgart so oft als breit ausgelegte Kader ist gerade durch die zahlreichen Verletzten sowie den Beginn der Umwandlung in einen Entwicklungsclub weder breit noch ausgeglichen besetzt.

Und so starteten angeschlagene Geißböcke geschwächt in die Doppelbelastung Bundesliga und Conference League. Baumgarts Truppe schlug sich auch in der zweiten Phase der Hinrunde ordentlich, kassierte zwar die ersten Niederlagen in beiden Wettbewerben, feierte jedoch auch den überraschenden, aber verdienten 3:2-Erfolg über Dortmund und blieb im europäischen Wettbewerb im Rennen. Und das, obwohl der FC genau dort den wohl schwärzesten Tag der jüngeren Vereinsgeschichte erlebt hatte: die Ausschreitungen von Nizza. Für die Kölner sicherlich eine weitere, mental nicht unerhebliche Belastung.

1. FC Köln: Vier Punkte aus sieben Spielen

Sämtliche Störfaktoren zeigten schließlich Wirkung. Und hätte Köln den FC Augsburg im Heimspiel nicht niedergerungen, die ersten Experten hätten schon im Oktober von einer Krise gesprochen: ein 2:5 gegen Gladbach, das 0:5 gegen Mainz (beide in Unterzahl), dazu die Pleiten gegen Belgrad, die später wohl das Aus im europäischen Wettbewerb bedeuteten. So stehen nun vier Punkte aus den jüngsten sieben Liga-Spielen zu Buche, dazu das Aus im europäischen Wettbewerb. Die ungefährliche Offensive, die extrem anfällige Defensive sowie der ausgedünnte Kader mit teilweise zehn verletzten Akteuren sind auch von einer willensstarken Baumgart-Truppe nicht zu kompensieren.

In der Domstadt ist es dennoch verdächtig ruhig. Die Kölner Verantwortlichen haben weiter Vertrauen in den Trainer, seine Mannschaft, den Kader. Natürlich, sie wussten, dass es eine schwere Saison werden würde. Und es gibt viel Grund zur Hoffnung: Die Liste der liegen gelassenen Punkte ist lang. Der FC ist durchaus in der Lage mitzuhalten. Es gibt zahlreiche Teams, die bislang nicht annähernd so überzeugen konnten. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Köln im Winter noch einmal auf dem Transfermarkt nachlegen, ein Angreifer wird es wohl werden. Spätestens dann wird sich Baumgart auch wieder freuen, die Stadien der Liga betreten zu dürfen.

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