Expertenanalyse Das macht der Saisonendspurt mit den FC-Fans

Analyse | Köln · Drei Spieltage vor Saisonende trifft der 1. FC Köln auf den Angstgegner FC Augsburg. Die Spannung der Kölner Fans könnte im Schlussspurt um die internationalen Plätze nicht höher sein. Wie die Anhänger damit umgehen, erklärt Sportwissenschaftler Professor Harald Lange.

1. FC Köln: So reagieren die FC-Fans auf den Saisonendspurt
Foto: dpa/Marius Becker

Mit drei Siegen in Serie ist der 1. FC Köln auf die Zielgerade der Spielzeit eingebogen. Und drei Spieltage vor Saisonende geht es für die Kölner um nicht weniger als die internationalen Plätze. Ausgerechnet gegen den FC Augsburg. Ausgerechnet, denn die vergangenen Duelle gegen den FCA haben den Kölner Anhängern eher Anlass zur Verunsicherung gegeben. Die Bilanz der beiden Teams spricht nur knapp für die Augsburger (acht Siege, fünf Niederlagen, 22:21 Tore), dennoch wird der kommende Gegner in Köln häufig als Angstgegner gehandelt. Ein Grund dafür könnte sein, dass der FC das Duell vor dem Rückrundenspiel der vergangenen Saison zwölfmal in Folge nicht gewinnen konnte. Vor einem Jahr gewann die Mannschaft zwar, gab aber nach einer 3:0-Führung den Sieg fast noch aus der Hand (3:2). Auch in der aktuellen Saison zeigte das Team von Trainer Steffen Baumgart bei der 0:2-Niederlage in der Hinrunde mit die schlechteste Saisonleistung.

Dass es beim FC dann auch noch auf jeden Punkt ankommt, um noch mindestens Platz sieben zu erreichen, macht es für die Kölner Fans im Saisonendspurt besonders spannend. „Vor allem die nächste Partie gegen die Augsburger, die gegen den Abstieg kämpfen, wird nicht einfach. Sie werden alles reinwerfen. Aber wenn wir weiter so spielen, können wir durchaus hoffen“, so Mittelfeldspieler Salih Özcan. Während die Mannschaft den Ausgang des Spiels weitestgehend selbst in der Hand hat, bleibt den Fans in der Tat nur das Hoffen. „Wir sind dem Ereignis ausgeliefert, haben keine Kontrolle und nur die Hoffnung oder das dringende Bedürfnis, es möge so ausgehen wie wir uns das wünschen“, sagt Professor Harald Lange, Fanforscher und Inhaber des Lehrstuhls für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg.

Fanrituale schaffen Sicherheit

In der gedanklichen Vorbereitung auf das Spiel spitzt sich die Lage für den Fan laut Experten über die Woche bis kurz vor dem Spiel zu. Um mit der Anspannung umgehen zu können, greifen die Anhänger häufig zu Hilfsmitteln. „Man braucht Möglichkeiten, um sich an dem Thema abzuarbeiten. Nicht nur gedanklich, sondern ganz konkret braucht es irgendwelche Marker oder Meilensteine auf dem Weg zum Spiel hin“, so Lange. Dabei kann es hilfreich sein, sich bestimmte Praktiken anzueignen. „Erstens kann ich mir Informationen über meine und die gegnerische Mannschaft beschaffen. Wenn wir keine Informationen haben, ist der Genuss deutlich geringer. Der zweite wichtige Punkt ist der Austausch mit meiner Familie oder meinem Freundes- und Fan-Kreis. Das Dritte, was man als Fan machen kann, sind Rituale und Praktiken des Aberglaubens“, so der Experte.

Bestimmte positive Erlebnisse sorgen dafür, dass sich Fans Rituale aneignen. „Das hängt von meinen Erfahrungen ab. Wenn ich gegen Augsburg beim letzten Mal eine konkrete Erfahrung gemacht habe und wir haben unerwartet hoch gewonnen, dann muss ich das beim nächsten Mal auch machen“, so Lange. Dabei kann es beispielsweise darum gehen, den gleichen Pullover am Spieltag wieder zu tragen oder vor Anpfiff eine Runde spazieren zu gehen. Der Fan weiß zwar um seine Unkontrollierbarkeit des Spiels, ihm dient der Aberglaube aber für sein psychisches Wohlbefinden. „Es gibt Fans, die das nutzen, um ihre Stimmung so zu modellieren, wie sie es haben wollen. Sodass sie aufgeregt, aber gleichzeitig auch beruhigt sind“, so der Sportwissenschaftler.

„Den Wettkampf mitzuerleben, ist das Reizvolle“

Bei der Zuwendung zu Informationen und bestimmten Ritualen kommt es sowohl auf den Charakter der Person als auch auf die jeweilige Fan-Erfahrung an. „Jeder trägt bestimmte Spuren des Aberglaubens in sich. Manchmal wissen wir auch ganz genau, dass es nichts hilft, aber wir machen es trotzdem, weil es uns psychologisch gesehen hilft. Erfahrene Fans sind in ihren Abläufen sicherer. Ganz abgeklärte Fans wenden sich auch davon ab“, so Lange. Abergläubische Praktiken lassen sich auch in anderen kulturellen Bereichen finden. Der Sport und insbesondere der Fußball sind jedoch prädestiniert für sich wiederholende Abläufe. „Die sind im Sport besonders ausgeprägt, weil der Sport und der Fußball uns jedes Wochenende bedeutungsvolle Ausgangslagen liefern, auf die wir keinen Einfluss haben“, so der Experte.

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Während Angst vor einem Gegner bei einer Mannschaft in jedem Fall ein Problem darstellt, kann sie für Fans aber auch etwas Positives bedeuten. „Wenn die Siegchancen gering sind, ist die Freude, wenn es doch klappt, umso größer. Die entschädigt uns dann in gewisser Weise, wenn wir die ganzen Strapazen des Durchhaltens auf uns genommen haben“, so Lange. Falls die Anspannung der Fans trotz möglicher Rituale vor dem Spiel gegen den FC Augsburg am Samstag also dennoch groß sein sollte, liegt es in der Hand der Mannschaft für die größtmögliche Erleichterung zu sorgen.

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