Entwicklung eigener Talente Kein Geld für teure Stars

Analyse | Köln · Der 1. FC Köln muss einen Sparkurs einhalten. Die Entwicklung von Talenten und deren Verkauf könnte künftig im Mittelpunkt stehen 

 Eigengewächs Jan Thielmann gehört zu den hoffnungsvollsten Talenten des FC.

Eigengewächs Jan Thielmann gehört zu den hoffnungsvollsten Talenten des FC.

Foto: dpa/Marius Becker

Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Als durchsickerte, dass Salih Özcan gerade einmal für 5,5 Millionen Euro zu Borussia Dortmund wechseln würde, fanden viele FC-Fans in den sozialen Medien deutliche Worte. Der 1. FC Köln würde Özcan, dessen Marktwert von dem Online-Portal transfermarkt.de auf sieben Millionen Euro eingeschätzt wird, zu billig abgeben, verramschen. Typisch FC, hieß es bei Twitter und Co. Dabei hätte es heißen müssen: Typisch Bundesliga – zumindest seitdem die Corona-Pandemie auch den Profisport komplett durcheinander gewürfelt hat.

Ein Blick auf die bisher getätigten Transfers dieses Sommers zeigt, dass Özcans Wechsel alles andere als eine Ausnahme ist. Nur drei Spieler der bisherigen Top-100-Transfers mit Beteiligung deutscher Ligen brachten dem abgebenden Club eine höhere Ablösesumme als der Spieler wirklich wert ist. 2019 waren es noch 27.

Ausgerechnet Borussia Dortmund kann davon ein Lied singen. Der BVB musste Stürmerstar Erling Haaland aufgrund einer Ausstiegsklausel für eine Ablösesumme von 75 Millionen Euro an Manchester City abgeben, der Norweger erzielt aber den doppelten Marktwert. Der FC kommt im Fall Özcan also eigentlich gut weg. In Dortmund wird man sich aus wirtschaftlicher Sicht dennoch nicht grämen müssen. Der BVB verpflichtete den Angreifer im Januar 2020 für 20 Millionen Euro, damals hatte Haaland einen Marktwert von 45 Millionen. Wenn man so will, hat Dortmund also rein an den Ablösen gemessen einen Gewinn von 55 Millionen Euro erwirtschaftet.

Für diese Eigengewächse kassierte der FC Transferlöse
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Diese Eigengewächse brachten dem FC viel Geld ein

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Das ist natürlich kein Zufall. Der BVB ist seit Jahren das Paradebeispiel geldbringender Transfers. Ousmane Dembélé verpflichtete Dortmund 2016 von Stade Rennes für 35 Millionen Euro, nur ein Jahr später wechselte der Franzose für 140 Millionen Euro zum FC Barcelona. Jadon Sancho kam 2017 für 20,6 Millionen Euro von Manchester City und wechselte 2021 für 85 Millionen Euro zu Manchester United. Zahlreiche weitere Beispiele junger Talente befinden sich noch beim BVB in den Reihen, die ihren Marktwert um ein Vielfaches erhöht haben. Spieler wie Jude Bellingham. Der Engländer kam für 25 Millionen Euro aus Birmingham und ist mittlerweile 75 Millionen Euro wert.

Dahinter steckt System. Das Prinzip lautet: Junge Spieler günstig verpflichten, weiterentwickeln und teuer verkaufen. Auch Eintracht Frankfurt, der SC Freiburg und Borussia Mönchengladbach gehen diesen Weg – wenn auch nicht in diesen Sphären. Die Fohlen haben sich so innerhalb weniger Jahre als Ausbildungsverein zu einem Europa-Cup-Anwärter gemausert. In der vergangenen Woche brachte FC-Sportchef Christian Keller eine ähnliche Richtung auch für den FC ins Spiel. „Wir werden uns als Entwicklungsclub positionieren müssen. Das heißt: Wir holen Spieler, die das Potenzial für die Bundesliga haben, diese Qualität aber noch nicht konstant nachweisen konnten“, sagte Keller dem „Express“. So wie Denis Huseinbasic, der wohl von Viertligist Kickers Offenbach an den Rhein wechselt. Aktuell hat Huseinbasic einen Marktwert von 175 000 Euro, als gestandener Fußballprofi würde er ein Vielfaches wert sein.

Allerdings wird unter dem Begriff Ausbildungsclub eigentlich ein Verein verstanden, der eigene Spieler, junge Talente, die zwischen dem 15. und 21. Lebensjahr mindestens drei Jahre für ihren Verein gespielt haben, zu Profis ausbildet. Das Internationale Zentrum für Sportstudien (CIES), eine Schweizer Forschungsorganisation, hat eine Studie mit den besten Ausbildungsclubs Europas hervorgebracht. Den ersten Platz belegt dabei Ajax Amsterdam, der Club der Eredivise hat aktuell 81 bei Ajax ausgebildete Profis in den 31 Top-Ligen Europas spielen. Auf Rang zwei folgt Schachtar Donezk (75) vor Sporting Lissabon, Dynamo Kiew und Dinamo Zagreb mit jeweils 70 Spielern. Millionen-Scheffler Borussia Dortmund sucht man in der Liste vergebens, Bayern München liegt abgeschlagen auf Rang 57. Der beste deutsche Club ist der VfB Stuttgart auf Rang 39 mit 33 Spielern.

1. FC Köln: Alle Profidebüts Kölner Eigengewächse seit 2004
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Alle FC-Profidebüts Kölner Eigengewächse seit 2004

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Für den FC ist dieser Weg durchaus plausibel. Zumindest stimmt aktuell ein Teil der Basis. Mit Steffen Baumgart verfügen die Geißböcke über einen Trainer, der Spieler offenkundig entwickeln kann. Mit vielen Talenten wie Jonas Urbig, Justin Diehl oder Winzent Suchanek spielen beim FC Akteure, die diese Entwicklung durchaus machen und den Sprung in die Bundesliga schaffen können. So wie Jan Thielmann, dessen Marktwert mittlerweile auf 5,5 Millionen Euro geschätzt wird, der als Jugendspieler kostenfrei zum FC stieß.

Ein Manko ist dagegen das Nachwuchsleistungszentrum der Kölner. Die Infrastruktur sei nicht mal mehr zweitligatauglich sagte einst Baumgart. Und Besserung ist nicht in Sicht. Die Ausbaupläne des 1. FC Köln sind schon lange ins Stocken geraten. Auf der Gleueler Wiese möchte der Verein Fußballplätze für seine Jugendarbeit errichten. Neben dem Franz-Kremer-Stadion soll das neue Leistungszentrum entstehen. Diese Pläne existieren seit 2014. Für die Ausbaupläne liegt ein gültiger Baubeschluss vor, gegen diesen hatte die Bürgerinitiative „Grüngürtel für Alle“ Klage eingereicht. Ein Moratorium der Bündnispartner im Rat der Stadt Köln aus Grünen, CDU und Volt verhindert seitdem den Abschluss von Pachtverträgen für die Gleueler Wiese. Gegenüber dem General-Anzeiger hat der Verein Anfang des Jahres bestätigt, bereit für eine Kompromisslösung zu sein.

Trotz des Verkaufs von Salih Özcan ist der bisherige wirtschaftliche Erfolg als Ausbildungsverein bei den Geißböcken aber recht überschaubar. Abgesehen von Lukas Podolski (15 Millionen Euro + 10 Millionen Euro), Yannick Gerhardt (13) und Ismail Jakobs (7) sind große Millionenbeträge, die der FC aus dem eigenen Nachwuchs generierte, die Ausnahme.

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