Höchster Sieg in der Bundesliga seit 40 Jahren 1. FC Köln spielt sich beim 7:1 gegen Bremen in Torrausch

Köln · Mit dem höchsten Sieg in der Bundesliga seit fast 40 Jahren hat sich der 1. FC Köln seines Winter-Frusts entledigt. Beim 7:1 gegen Werder Bremen spielte sich die Mannschaft von Steffen Baumgart förmlich in einen Rausch - sehr zur Freude der FC-Fans im Rheinenergie-Stadion.

Höchster Sieg in der Bundesliga seit 40 Jahren: 1. FC Köln spielt sich beim 7:1 gegen Bremen in Torrausch
Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Der Nachfrage konnte der 1. FC Köln nicht nachkommen. Das Angebot reichte einfach nicht aus. Schließlich fasst das Rheinenergie-Stadion in Müngersdorf lediglich 50.000 Menschen, doch doppelt so viele hatten offenbar richtig Bock, den Jahresstart des FC nach der schrecklich langen Winterpause gegen Werder Bremen vor Ort und in Farbe zu verfolgen. Trotz der eisigen Temperaturen. Man hätte für den Samstagabend, hatte FC-Geschäftsführer Markus Rejek gesagt, „über 100.000 Tickets unter Mitgliedern verkaufen können“.

Diejenigen, die Einlass fanden exakt 70 Tage nach dem bislang letzten Auftritt der Kölner in der Bundesliga bei Hertha BSC, verließen das Stadion dann wie nach einem rauschhaften Karnevalsabend. Glücklich. Beseelt. Zuvor hatten sie ein Kölner Torfestival geboten bekommen.

Sieben Mal „jing dat Trömmelche“, jene Melodie, die die Stadionregie zuverlässig nach Kölner Treffern durchs Stadion schallen lässt. Bereits zur Pause hatte die Mannschaft von Trainer Steffen Baumgart einen solch deutlichen Vorsprung erspielt, dass sie eigentlich schon eine Polonäse hatte initiieren können. 5:1 führte sie, am Ende stand dann ein erwärmender 7:1 (5:1)-Sieg gegen allerdings merkwürdig fahrige Gäste. Dennoch, der Kaltstart ins Jahr entwickelte sich zum Traumstart. Vor der Partie gegen Bayern München am Dienstag war das nicht nur schön anzusehen, sondern es gab vor allem auch drei wichtige Punkte, die ein Polster auf die Abstiegsränge schufen.

Nun kann man Baumgart nicht den Vorwurf des Geheimnisverrats machen. Doch das Preisgeben der Startaufstellung einer Mannschaft zwei Tage vor dem Spiel ist in dieser Branche so üblich wie Schnee in der Sahara. So wusste das Fußballvolk schon weit vor dem Anpfiff, welche Kölner Profis der Trainer denn nun ins Rennen schicken würde gegen die Bremer, selbst deren Trainer Ole Werner wusste Bescheid, empfand die Namen allerdings jetzt auch nicht als „Riesensensation“.

Steffen Tigges stürmte als Frontmann

Klar war: Neuzugang Davie Selke blieb erst mal auf der Bank, stattdessen stürmte Steffen Tigges als Frontmann. Auch die übrigen FC-Spieler, die gegen die Norddeutschen auflaufen sollten, verheimlichte Baumgart nicht. Da Luca Kilian und Kristian Pedersen ausfielen, bildeten Timo Hübers und Jeff Chabot die Innenverteidigung, auf den Außen verteidigten Benno Schmitz (rechts) und Jonas Hector. Als Doppel-Sechs starteten Eric Martel und Ellyes Skhiri, und als Offensivreihe ließ Baumgart Florian Kainz, der gerade seinen Vertrag bis 2025 verlängert hat, Denis Huseinbasic und Linton Maina von der Leine. Im Tor stand wie gewohnt Marvin Schwäbe.

Es war, wie sich zeigen sollte, die richtige Wahl. Mit Wille, Mut und Entschlossenheit trat die Mannschaft auf. Basierend auf eine zuverlässige Abwehr um die überzeugenden Chabot und Hübers, trugen die Kölner ihre Angriffe mit dem Selbstverständnis eines Europacup-Anwärters auf - und nicht mit dem Hadern eines Abstiegskandidaten. Den Abstiegskampf hatten Baumgart ja nach drei Niederlagen zum Abschluss des vergangenen Jahres gewissenhaft ausgerufen.

1. FC Köln gegen Werder Bremen
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FC-Profis präsentierten sich hellwach und hungrig

Doch auf dem Platz bot sich ein anderes Bild. Die FC-Profis waren hellwach. Schienen nach der langen Pause hungrig. Und wurden rasch belohnt: Bei einem Konter nach einem Bremer Freistoß in der Kölner Hälfte, schien Ellyes Skhiri der Ball schon verlassen zu haben, doch über Umwege kehrte er wieder zurück und landete nach Pass von Florian Kainz bei Linton Maina. Der Rechtsaußen schob überlegt an Werder-Torwart Jiri Pavlenka vorbei ein (8.).

Die Kölner waren gut drin in den Zweikämpfen und erweckten keineswegs den Eindruck, auch nur einen Millimeter des heimischen Bodens herschenken zu wollen. Immer wieder beschleunigten sie das Spiel über die Außen, suchten und fanden häufig Kainz und Dauersprinter Maina. So auch einige Minuten nach der Führung: Kainz bediente Tigges, dessen Linksschuss, noch leicht von Milos Veljkovic abgefälscht, ins Werder-Netz zischte (15.). Erneut nutzte der FC einen Bremer Fehler eiskalt.

Und die wilde Fahrt fand noch lange kein Ende. Einige rasanten Angriffswellen schwappten auf das Bremer Tor zu. Und immer wieder setzten die Kölner nach. Pavleka rettete zwar gegen Maina in höchster Not, doch der Ball landete bei Tigges, der noch einige Schritte lief, dann aber von der Mittellinie aus Maß nahm – der Ball segelte elegant ins verwaiste Tor der Bremer, 3:0.

Beste Stimmung im Rheinenergie-Stadion in Köln

Schon jetzt herrschte eine Stimmung auf den Rängen, die durchaus seismische Ausschläge in der Erdbebenstation in Bensberg verursacht haben könnte. Skhiri zeigte sich weiterhin dominant und sehr präsent im Zentrum, das er mit Martel beherrschte. (30.) Der Tunesier hatte aber nicht nur in der Defensive alles im Griff, sondern verspürte zudem große Lust, auch in der Offensive Akzente zu setzen. So stand er goldrichtig, als die Bremer Wackel-Abwehr den Ball durch den Gefahrenbereich passieren ließ, Skhiri stoppte den Ball noch, ließ Pavlenka auf den Hosenboden landen und schob seelenruhig ein – 4:0 (30.).

Dann war es der überragende und nimmermüde Tigges, der – nicht nur wegen seiner Größe - in Erscheinung trat. Der Ex-Dortmunder erkämpfte sich auf der linken Seite den Ball, sein Querpass erreichte Huseinbasic, der nur noch den Fuß hinhalten musste (36.). Da wirkte das Tor der Bremer zwei Minuten später nur wie ein milder Stimmungsdämpfer.

FC-Trainer Baumgart coacht im T-Shirt

Ob Baumgart dennoch eine flammende Rede in der Kabine hielt, ist nicht überliefert. Aber offenbar war ihm zu heiß. In der zweiten Hälfte dirigierte er sein Ensemble bei knusprigen Temperaturen im T-Shirt. Auch seine Spieler hielten die Partie auf Temperatur. Nach einem beeindruckenden Sprint des wie entfesselt aufspielenden Maina schoss Tigges aus zehn Metern in den Kölner Nachthimmel. Dann packten die Kölner in die Zauberkiste. Erneut Maina, Maßflanke auf Skhiri, und der Mittelfeldmotor legte sich formvollendet in die Luft und zimmerten den Ball ins Gästetor (54.). Ein nahezu perfekter Seitfallzieher, der in jedem Fußball-Lehrbuch zu finden sein sollte.

Die Kölner hielten die Gäste weiterhin von ihrem Tor fern. Dann brachte Baumgart unter anderem Neuzugang Selke gegen seinen früheren Verein. Ein Tor wollte dem Stürmer nicht mehr gelingen, das schossen die Bremer dann vorsichtshalber selbst (76.). Marco Friedl trug sich so noch in die Kölner Torschützenliste ein.

Der FC hatte nun immer weniger Mühe, durch weiterhin intensives Anlaufen die Bremer in Schach zu halten. Kalt wurde es Baumgart dennoch nicht, er tigerte unablässig rauf und runter an der Seitenlinie. Sah aber keine weiteren Treffer mehr. Es blieb beim 7:1, in der Saison 1977/78 gab es mit dem 7:2 ein sehr ähnliches Ergebnis für den FC, damals traf Dieter Müller sechs Mal. Daran dürften sich die Kölner Fans in den letzten Minuten jedoch nicht mehr erinnert haben. Der Rest war Genuss, und auf den Rängen schwappte die Welle der Freude.

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