Debatte um den 1. FC Köln FC-Trainer Steffen Baumgart wehrt sich gegen Kritik aus der Politik

Köln · Steffen Baumgart ist für seine klaren Worte bekannt. Nun wehrt sich der Trainer des 1. FC Köln gegen Kritik am vollbesetzten Stadion und dass „wir im Fußball immer als Sündenböcke“ hingestellt werden. Die Verantwortung in der dramatischen Corona-Lage sieht er in der Politik.

 Sieht den Fußball in der aktuellen Corona-Situation zu Unrecht kritisiert: FC-Trainer Steffen Baumgart.

Sieht den Fußball in der aktuellen Corona-Situation zu Unrecht kritisiert: FC-Trainer Steffen Baumgart.

Foto: dpa/Marius Becker

Verkehrte Welt in Köln. Der heimische FC hat ein Derby gewonnen, das für Trainer Steffen Baumgart „das wichtigste Spiel“ des Jahres ist. Doch statt immer noch die berechtigte Freude und, ja, auch Genugtuung zu genießen, prasselt es gerade unaufhörlich auf den 1. FC Köln ein – vor allem aus einer Richtung. Die Politik signalisierte Unverständnis darüber, dass der Verein und die Stadt Köln beim 4:1 gegen Borussia Mönchengladbach die volle Stadionauslassung zuließ. 50.000 Fans ließen sich das „Spiel der Spiele“ nicht nehmen. Kritik wurde darüber laut, dass es insbesondere bei der An- und Abfahrt sowie bei den Feierlichkeiten nach der Partie zu einem mindestens erhöhten Infektionsrisiko hätte kommen können. Angesichts der dramatischen Corona-Lage in Deutschland zeigt etwa Karl Lauterbach kein Verständnis für Spiele in vollen Stadien. Er fände es hochproblematisch, sagte der SPD-Gesundheitsexperte nach dem Duell der beiden rheinischen Rivalen in der „Bild am Sonntag“, was „wir beim Fußball sehen. Die Menschen infizieren sich nicht im Stadion, aber die Anreise und die Feiern nach dem Spiel sind die Infektionsherde. Daher sind Spiele im vollen Stadion aktuell nicht akzeptabel“.

Die Faktenlage spricht jedoch in diesem Fall für den 1. FC Köln, der einen Antrag auf Vollauslastung gestellt hatte. Das Gesundheitsamt Köln genehmigte diesen. Als Grundlage für die Entscheidung diente ein vom Club entwickeltes Hygienekonzept. Das Derby im Rheinenergie-Stadion durfte vor vollen Rängen stattfinden. „Möglich ist dies aufgrund des als tragfähig eingestuften und erfolgreich praktizierten Hygiene- und Infektionsschutzkonzepts mit 2G“, hatte FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle gesagt. Zudem wurde wenige Stunden vor dem Spiel noch eine Maskenpflicht angeordnet, die auch am Platz selbst zur Anwendung kommen sollte.

Corona-Debatte um 1. FC Köln: Nicht zum ersten Mal übt Baumgart Kritik an der Politik

Doch die Kritik am Vorgehen der Kölner und am Fußball im Allgemeinen – nicht nur aus der Politik - ebbt nicht ab, was Steffen Baumgart nicht unkommentiert lassen will. Der FC-Trainer ist für seinen Hang zum Klartext bekannt. Er habe das Gefühl, sagte der 49-Jährige am Montag in der „ran Bundesliga Webshow“, dass „wir im Fußball immer gerne als Sündenböcke hingestellt werden. Da sind ganz andere in der Verantwortung, die seit zwei Jahren die Möglichkeit haben, klar zu agieren, und das tun sie nicht“.

Es ist nicht das erste Mal, dass er auf eine Kritik seitens der Politik mit einem gepfefferten Konter reagiert. Nach dem Vorstoß von Markus Söder, Ministerpräsident Bayerns, eine Impfpflicht für Bundesliga-Profis durchzusetzen, hatte sich Baumgart ebenso klar geäußert. „Es ist doch aktuell nicht der Fußball, der sich im Hinblick auf Corona schwach präsentiert“, sagte er dem „Express“. „Schwach sieht die Politik aus.“ Damit könnte er sich auch auf den geschäftsführenden Bundesarbeitsminister Hubertus Heil bezogen haben, der auf die Verantwortung unter anderem von prominenten Profis in der Causa Impfen hinwies. „Das Wichtigste ist, dass sich mehr Menschen impfen lassen“, sagte der SPD-Politiker. Das gelte auch für diejenigen, die viel verdienen und im Rampenlicht stünden, zum Beispiel Profi-Fußballer. „Es gibt eine moralische Impfpflicht.“

1. FC Köln: Trainer Baumgart setzt sich fürs Impfen ein

Dass nun wieder der Fußball derart im Fokus und der Kritik steht, kann er nicht nachvollziehen. Baumgart selbst lässt keinen Zweifel daran, dass er sich für das Impfen einsetzt; nach eigener Aussage hat er schon die Booster-Impfung erhalten. Er sorgt sich um die Reputation der Branche und verteidigt die Einstellung Einzelner, die einer Impfung kritisch gegenüberstehen. Auch den ungeimpften und mittlerweile mit Corona infizierten Münchner Joshua Kimmich nahm er neulich in Schutz. Die öffentliche Aufgebrachtheit in der Debatte um den Nationalspieler hatte ihm sehr missfallen. Nur weil jemand mehr in der Öffentlichkeit stehe, mache er noch lange nicht alles richtig oder alles falsch, betonte Baumgart. „Auch da sollten wir vielleicht alle mal ein bisschen ruhiger treten. Grundsätzlich.“

Grundsätzlich findet Baumgart zudem, dass „die Themen einfach zu wichtig sind, um sie auf dem Rücken der Fußballer auszutragen“, sagte er am Montag und fügte hinzu: „Wenn 35.000 Pflegekräfte in zwei Jahren verschwinden, dann liegt das nicht an den Fußballern, sondern ganz klar an den fehlenden Konzepten. Wenn es in einem Land wie Deutschland nicht geschafft wird, genügend Intensivbetten zur Verfügung zu stellen, dann stelle ich mir die Frage, wer hier welche Verantwortung trägt.“ Er erwarte, dass die, die „die Verantwortung tragen, sie auch wahrnehmen und nicht mit dem Finger auf andere zeigen.“

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