Junge Wilde beim 1. FC Köln So formt Trainer Steffen Baumgart die FC-Stars von morgen

Köln · Die finanzielle Situation lässt es beim 1. FC Köln nicht zu, auf die großen Stars zu setzen. Trainer Steffen Baumgart will und muss sich daher als Entwicklungshelfer der Talente hervortun.

Das Entwickeln von Talenten gehört für Steffen Baumgart beim FC zum Programm.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Wer Steffen Baumgart schon einmal während eines Spiels in der Coachingzone beobachtet hat – oder auch nur während einer gewöhnlichen Trainingseinheit -, der kann gut nachvollziehen, dass er auch seine freie Zeit nicht mit dem beharrlichen Hochlegen der Füße ausfüllt.

Immer auf Achse, immer unterwegs, immer unter Strom, derart hat ihn die Bundesliga in der vergangenen Spielrunde kennengelernt. Und so verbrachte der Trainer des 1. FC Köln nach einer erfolgreichen Saison seinen Urlaub nicht ausschließlich in der Hängematte, er reiste, Action war angesagt.

Baumgart weilte etwa als Gast bei Ina Müller in der ARD-Show „Inas Nacht“ in Hamburg, verbrachte Zeit im schottischen Edinburgh, gewann mit Union Berlins Traditionself eine Partie auf Usedom, genoss seine Silberhochzeitsfeier mit seiner Frau Katja in Rostock, entspannte an der portugiesischen Algarve.

Und selbst wenn Baumgart für einige Wochen nicht seinen Beruf ausübte, in Vergessenheit geriet er auch in der Sommerpause nicht. Ihm wurde die Ehre zuteil, von einer Mehrheit der 167-Bundesligaprofis im „Kicker“ zum Trainer der Saison gewählt zu werden. Der Kölner Coach landete mit 29,3 Prozent er Stimmen, vor Freiburgs Christian Streich und Leipzigs Domenico Tedesco.

Baumgart verlängert beim FC bis 2024

Jetzt ist Baumgart wieder in seinem Element. Seit Beginn der Woche bearbeitet er die Seitenlinie wie zuvor, zumindest die an den Trainingsplätzen rund ums Geißbockheim. Und die frohe Kunde für alle, die es mit dem FC halten, kam auch pünktlich zum Trainingsstart am Montag: Der Trainer bleibt länger beim Verein, hat sich mit dem FC auf eine Vertragsverlängerung von zunächst einem Jahr bis 2024 geeinigt. Sein Ziel sei es, den FC „möglichst gut bei seinen langfristigen Zielen zu unterstützen, die Mannschaft und unseren Fußball weiterzuentwickeln“.

Bei den Fans des 1. FC Köln dürfte die Freude groß sein. Bei ihnen grenzt die Zuneigung zu ihrem Trainer beinahe schon an Ikonenverehrung. Aus einem Fastabsteiger einen Europareisenden zu formen, der in den Playoffs zur Conference League startet, wird ihm in der Stadt hoch angerechnet.

Vorauszusehen war das vor einem Jahr nicht, als Baumgart beim FC anheuerte. Am Ende stand mit 52 Zählern die beste Saison der Kölner seit Einführung der Drei-Punkte-Regel. Der Trainer verließ sich weitgehend auf den vorhandenen Kader in dem festen Glauben, jeden einzelnen Spieler besser mache zu können – und damit das gesamte Team. Gerne wird ja davon gesprochen, dass das zweite Jahr nach dem Aufstieg das schwerste sei. Doch das Zutrauen in Baumgart in der Domstadt ist derart groß, dass selbst die Schwierigkeiten auf finanzieller Ebene in den Hintergrund zu rücken scheinen. Baumgart hat ja bewiesen, dass er mit seiner bodenständigen, anpackenden Art, die sich noch längst nicht abgenutzt hat, die Mannschaft erreicht und sie hinter sich zu bringen versteht. Sie folgt ihm. Dabei ließ sie wirtschaftlich weitaus besser aufgestellte Teams wie den VfL Wolfsburg und Hertha BSC hinter sich. Dazu sagte der FC-Trainer im GA-Interview: „Fakt ist, dass wir auch mit weniger viel erreichen können.“

Fünf Neuzugänge stehen beim FC fest

„Weniger“ bedeutet, dass der neue Geschäftsführer Christian Keller einen Sparkurs ausgerufen hat, bei dem der Profietat um 20 Prozent reduziert werden soll, sprich von 58 Millionen auf 46 Millionen Euro. Der Zwang zu den Einsparungen beruht ursächlich auf den Umsatz-Einbußen von 85 Millionen Euro, die durch Corona entstanden sind. Eine stürmische Zeit rund ums Geißbockheim, durch die Keller die Kölner an sichere Ufer führen soll. Seine wichtigste Personalie in diesem Sommer war zweifelsohne der Trainer und dessen Vertragsverlängerung – und er hat bereits Vollzug gemeldet. Der gebürtige Rostocker gilt als Schlüsselfigur im Konzept des FC, das gilt natürlich auf für die kommende Saison. Die Planungen sind weit fortgeschritten, selbst wenn Keller neulich davon sprach, dass der Club schon „ein gutes Stück Zukunft verfrühstückt“ habe.

Wobei das mit der Zukunft beim FC gerade erst neue Züge annimmt. Die Entwicklung und der Einbau von Talenten, die das Zeug haben, absehbar Geld in die ausgetrockneten Kassen zu spülen, ist unerlässlich. Spieler, die noch als Versprechen gelten, die dem FC aber sportlich mindestens in Ansätzen schon weiterhelfen können. Sie sollen die neue Marschroute bei den Geißböcken mit Leben ausfüllen, indem sie ihren Wert steigern. Der Entwicklung des FC zum Ausbildungsverein, wie sie einst der SC Freiburg hervorragend umsetzte, ist vorgezeichnet. Die Vorgabe ist ja klar postuliert von der Führungsebene um Keller („wir brauchen viele kreative Lösungen“), die Baumgart im besten Fall bei einem möglichen Verkauf der Talente gewinnbringend umsetzt. Auf Sicht werde man nicht in der Lage sein, fertige Spieler zu holen, sagte Keller. „Wir werden primär Spieler holen, die viel Potenzial haben, aber ihre Qualität auf Bundesliga-Niveau noch nicht nachgewiesen haben.“

Unter Baumgart steigern viele Spieler ihren Marktwert

Der Spieler soll über Potenzial verfügen, das berechtig, in der Bundesliga „konstant Leistungen abzurufen“, dies aber „noch nicht oder nicht regelmäßig unter Beweis stellen“. Aus dieser Veranlagung soll Qualität hergestellt werden. Die Umsetzung ist vordringlich Baumgarts Aufgabenfeld zuzuschreiben und dem seines Trainerteams. Der geschulte Blick für Talente ist dabei unerlässlich, und Baumgart hat bereits in der vergangenen Spielzeit deutlich gemacht, dass er über einen solchen verfügt. Angefangen von Salih Özcan, den er erst intensiv überzeugen musste, überhaupt beim FC zu bleiben, über die Innenverteidiger Luca Kilian (22) und vor allem Timo Hübers (25), der seinen Marktwert binnen seines ersten Jahres seit seinem Wechsel aus Hannover von 1,5 auf 7,5 Millionen Euro steigerte, bis zu Jan Thielmann, der seinen Preis um 3,5 Millionen Euro auf 7,5 anhob. Kilian kannte Baumgart schon vor seinem Engagement in Köln, da er den Abwehrhünen einst beim SC Paderborn zum Bundesliga-Durchbruch verhalf. Er verlor ihn, obwohl dessen Leistungskurve abflachte, nicht aus den Augen und schenkte ihm in Köln neues Vertrauen. So viel, dass Baumgart den gesetzten Abwehrchef Rafael Czichos im Winter bedenkenlos in die USA ziehen ließ.

Unbestritten ist, dass Baumgart all diese Spieler auf ein höheres Niveau geleitet hat. Özcan etwa, von vielen schon abgeschrieben, hat sich zur festen Größe in der deutschen U21-Auswahl entwickelt, ehe er sich für die türkische A-Nationalmannschaft entschied und dort bereits zu ersten Einsätzen kam. In diesem Sommer wechselt er für eine Ablöse von rund fünf Millionen Euro zu Borussia Dortmund.

Trainer mit klaren Ansagen an die Talente

Nun soll sich in Köln ebenso die Hoffnung erfüllen, dass eine solche Aus- und Weiterbildung unter Baumgart auch mit der nächsten Talentegeneration funktioniert. Bis auf Defensivallrounder Kristian Pedersen (27), der bereits in Deutschland (Union Berlin) und England (Birmingham City) Profiluft schnupperte, sind die bisherigen Kölner Neuzugänge für die kommende Saison, Linton Maina (23/von Hannover 96), Steffen Tigges (23/Borussia Dortmund), Florian Dietz (23/eigene Reserve), Denis Huseinbasic (20/Kickers Offenbach) sowie Eric Martel (20/RB Leipzig, zuletzt ausgeliehen an Austria Wien), eher dem Themenbereich „Potenzial“ zuzuschreiben, als dass sie über gehobene Bundesliga-Qualität verfügen. Baumgart muss sich als Entwicklungshelfer hervortun. Zuzutrauen ist ihm jedenfalls, die Talente auf dem Weg zu einer Bundesliga-Option fachgerecht anzuleiten. Was bleibt ihm auch anderes übrig? Der Trainer selbst genießt bei diesen Spielern das volle Vertrauen und war ein Grund für ihren Wechsel ans Geißbockheim. Baumgart habe eine „sehr große Rolle gespielt“ bei seinem Transfer, sagte etwa Maina, von dem sich nicht nur der Trainer den endgültigen Bundesliga-Durchbruch erhofft.

In diesem Feld der Forschung tummeln sich auch Mathias Olesen (21) und Bright Arrey-Mbi (19). Noch ist auch Tim Lemperle diesem Status nicht entwachsen, doch hat der Stürmer neben einigen Einsatzminuten bereits zwei Treffer in der Bundesliga gesammelt. All jene dienen als Beispiele, welchen Weg der Club künftig beschreiten will, ja, muss. Nicht, dass man sich Baumgart als Chefausbilder eines Bootcamps vorstellen muss, der Trainer kann viel Vertrauen schenken. Gleichzeitig aber hat er schon klare Vorstellungen, wie sich seine Jungstars präsentieren sollen. Ebenso klar sind seine Ansagen.

Manche Talente fallen durchs Sieb

Das haben auch schon einige Kölner Eigengewächse erfahren müssen. Denn Baumgart ist nicht bereit oder willens, talentierte Spieler in der Masse nur mitzuschleppen und ihnen an der Seite der Profis einige schöne Stunden zu gönnen. Er will die ambitionierten Top-Talente ausmachen und fördern. Selbstredend gehört im Baumgart’schen Sinn das Fordern dazu. „Wir haben eine sehr gute Nachwuchsarbeit und werden Spieler, in denen wir das Potenzial erkennen, weiter an uns binden", sagte der 50-Jährige im Laufe der zurückliegenden Spielzeit. „Die Jungs, die uns weiterbringen, wollen wir behalten.“ Und der Rest? Wird aufs Sieb gestellt und gut durchgerüttelt. Die Erfahrung mussten zuletzt etwa Sava Cestic, der sich mit HNK Rijeka zuletzt nach nur einem halben Jahr auf eine Vertragsauflösung geeinigt hatte, und Noah Katterbach (ausgeliehen an FC Basel) machen, die unter Baumgart keine Rolle mehr spielten. Von einigen Talenten, die nur glauben, sie brächten den FC weiter, „muss man sich im einen oder anderen Fall trennen", sagte der FC-Coach nüchtern.

Die Situation des 1. FC Köln ließe sich gerade in etwa so ausdrücken: Die Zukunft ist noch nicht verfrühstückt, sie sitzt mit am Kölner Küchentisch. Die Talente müssen aber noch ein wenig aufgepäppelt werden. Von Baumgart.