Gisdols Taktik beim 1. FC Köln geht auf „Die Mannschaft war vom ersten Moment an total bereit“

Köln · Mit einer gestärkten Defensive und Effizienz im Angriff ist der 1. FC Köln aus dem Tabellenkeller der Bundesliga geklettert. Die Veränderung in der Taktik von Trainer Markus Gisdol trägt Früchte, analysiert unser Autor.

 Das Jubeln ist unter Trainer Markus Gisdol zur Gewohnheit beim 1. FC Köln geworden.

Das Jubeln ist unter Trainer Markus Gisdol zur Gewohnheit beim 1. FC Köln geworden.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Mit einer Wahrscheinlichkeit von 78 Prozent steigt der 1. FC Köln ab. Das hatte eine Zeitung nach der Kölner 0:2-Niederlage bei Union Berlin am 8. Dezember, der jämmerlichen Ausbeute von acht Punkten aus 14 Spielen und dem Abrutschen auf den letzten Tabellenplatz aufgrund früherer Ergebnisse errechnet. Knapp drei Monate später befindet sich die gleiche Mannschaft in Sichtweite einer Europa-League-Qualifikation (sechs Punkte Rückstand und noch ein Nachholspiel). Wie konnte es zu dieser Kehrtwende und dem Aufschwung kommen?

Erreicht haben die sieben Siege in den neun Begegnungen die Spieler. Dorthin gebracht aber haben sie Markus Gisdol mit seinen Trainerkollegen Frank Kaspari und André Pawlak sowie Sportchef Horst Heldt. Die übernahmen Ende November das Kommando und wechselten die Taktik: Weg vom frühen Attackieren und Verteidigen weit vor dem eigenen Tor, hin zu engmaschigem Abwehrspiel mit schnellen Kontern, aber auch druckvollem Angriffsspiel über die Außenbahnen.

„Wir haben damals etwas Anlaufzeit gebraucht“

Im Rückblick sagte Gisdol jetzt: „Wir haben damals etwas Anlaufzeit gebraucht. Aber die Mannschaft war vom ersten Moment an total bereit.“ Er habe es als sehr angenehm empfunden, lobte der 50-Jährige bei Sky, wie er von den Spielern empfangen worden sei. „Die Mannschaft signalisierte mir: ‚Trainer, zeig uns den Weg, wir gehen ihn mit‘.“ Alle seien „absolut lernwillig, weil sie mitmachen, ohne zu hinterfragen“.

Für den Trainer steht die Mannschaft über allem. Der Einzelne könne nur sein ganzes Können entwickeln, wenn das Team funktioniere. „Nicht der Name, der auf dem Trikot steht, ist entscheidend, sondern was derjenige leistet, der im Trikot steckt“, betonte Gisdol nach dem 3:0 gegen Schalke. In dieser Partie wurde demonstriert, wie sich das Spiel der Mannschaft verändert hat. Einsatzwille, Laufbereitschaft, Laufvermögen, Schnelligkeit, Hilfsbereitschaft – alles hat sich verbessert. „Die Mannschaft war bereit, unsere Spielidee zu ihrer zu machen“, freut sich der Trainer. Man habe daran gearbeitet, Mechanismen für mehr Sicherheit ins Spiel zu bekommen.

Das ist gelungen. Abgesehen von den klaren Niederlagen in Dortmund (1:5) und gegen die Bayern (1:4) wurden bei den sieben Siegen nur drei Gegentreffer zugelassen; fünfmal blieb Timo Horn ohne Gegentor. „Das ist vor allem ein Verdienst meiner Vorderleute“, spielte der Schlussmann das zurückgewonnene eigene Können herunter.

Neben der Stärkung der Defensive trägt inzwischen auch die Arbeit an der Verbesserung der Offensivqualitäten und des Torabschlusses Früchte. In den sechs Rückrundenspielen wurden aus 43 Chancen (laut Fachmagazin „Kicker“) 17 Treffer erzielt. Das entspricht einer Chancenverwertung von 39,5 Prozent. Ein Spitzenwert innerhalb der Liga. Auch das ist für Horst Heldt ein Zeichen der mannschaftlichen Geschlossenheit. „Wir sind eins. Deswegen kommen die Ergebnisse zustande. Das ist kein Zufall, das ist harte Arbeit von jedem Spieler, von allen Trainern. Jeder zieht mit und man merkt, dass es jedem Spaß macht“, erklärte Heldt.

Der war im Übrigen bereits einmal an einem kometenhaften Aufstieg einer Mannschaft von einem Abstiegsplatz auf einen Europapokalrang beteiligt. In der Spielzeit 2009/10, seiner letzten Saison als Sportchef des VfB Stuttgart vor seinem Wechsel zu Schalke 04, waren die Schwaben am 14. Spieltag mit elf Punkten – drei mehr als der FC diesmal – Vorletzter. Danach sackten sie noch 44 Punkte ein und wurden mit 55 Zählern Sechster. Wohl deshalb meinte Heldt am Wochenende: „Ich weiß, wie das ist.“

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Klassenerhalt gelingt, liegt nach einer Analyse des Daten-Anbieters Opta inzwischen bei 89 Prozent. Zugrundegelegt wurden die Ergebnisse der vergangenen vier Jahre mit doppelter Gewichtung der bisherigen Spielzeit und der Vorsaison. Übrigens: Laut dieser Analyse liegt die Chance, Platz sieben zu erreichen, der im Falle eines DFB-Pokalsiegs einer bereits für den Europapokal qualifizierten Mannschaft zur internationalen Teilnahme berechtigt, bei einem Prozent.

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