1. FC Köln Bosbach: SPD ist schwieriger zu retten als der FC

Köln · Der CDU-Politiker und Sicherheitsexperte rät dem 1. FC Köln im GA-Interview zum Dialog mit den Ultras und glaubt weiterhin an den Klassenerhalt des Bundesliga-Tabellenletzten.

Als Provokation sieht Wolfgang Bosbach den Diebstahl einer Gladbacher Fahne.

Foto: Benjamin Horn

Glühender FC-Fan und Experte in Sicherheitsfragen ist Wolfgang Bosbach. Mit dem CDU-Politiker unterhielt sich Joachim Schmidt über Gewalt rund um den Fußball, selbstherrliche Ultras und die sportliche Situation des 1. FC Köln.

Herr Bosbach, wie bewerten Sie den Fahnenklau vom letzten Sonntag?

Wolfgang Bosbach: Das war aus meiner Sicht eine völlig unnötige Provokation. Der eine oder andere wird es als witzig empfinden. Ich fand es überhaupt nicht lustig. Man sieht sich bekanntlich immer zwei Mal im Leben, in der Bundesliga sogar zwei Mal in einer Saison. Das heizt die Stimmung unnötig an.

Bosbach: Zunächst einmal ist es Diebstahl, Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in Zueignungsabsicht. Die Fahne ist ja nicht geklaut worden, um sie bei der Jahreshauptversammlung in Mönchengladbach wieder zurückzugeben. Ich kann nur hoffen, dass nicht ganz Dünnmöblierte jetzt noch auf die Idee kommen, sie öffentlich zu verbrennen und das über die sozialen Netzwerke zu verbreiten.

Bosbach: Da ist genau die Grenze, die nicht überschritten werden darf. Es ist schon ein Widerspruch in sich, dass diejenigen, die gegen Kommerzialisierung sind, die die heiligen Werte des Sports hoch halten, die die Tradition verehren und pflegen, sich genau so verhalten, wie es der Sport nicht hinnehmen kann. Zu den Werten des Sports gehört Fairplay. Und das verträgt sich nicht mit der Begehung von Straftaten und Gewalttaten, wie durch die Benutzung von richtigerweise verbotener Pyrotechnik. Es ist kurios, aber die glühendsten Anhänger bereiten nicht selten dem Verein größte Probleme.

Bosbach: Ich habe für die Frage Verständnis. Wer sich vermummt, kommt nicht in lauterer Absicht. Die Sicherheitskräfte stehen aber immer vor einem Dilemma. Wenn sie Einzelne aus der großen Menge herausfischen, bevor die Lage eskaliert, besteht die Gefahr, dass das dann tatsächlich passiert.

Bosbach: Sie dürfen den Krawallmachern nicht unfreiwillig Deckung bieten. Es geht nicht darum, dass sich die große Mehrheit der leidenschaftlichen, aber friedlichen Fans ins Gemetzel stürzt, sondern dass sie verbal und durch Körpersprache deutlich machen: Ihr repräsentiert nicht uns. Einige Dutzend glauben ja, sie seien die Repräsentanten von Tausenden Fans in der Südkurve. Nein, sie repräsentieren nur ihre Gruppierung.

Bosbach: Nein, aber sie haben ein objektives Problem, weil sie die leidenschaftliche Unterstützung der aktiven Fanszene wünschen. Und die tolle Stimmung überträgt sich von der Südkurve ins ganze Stadion. Auf der anderen Seite neigt ein Teil der Szene immer wieder dazu, Grenzen zu überschreiten.

Bosbach: Bremen hat den ersten Versuch unternommen. Ich glaube, dass viele Bundesländer warten, wie höchstrichterlich entschieden wird. Die Forderung ist populär, aber auch sehr problematisch. Denn die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum außerhalb der Stadien ist ohnehin Aufgabe der Polizei. Das gilt für Fußball ebenso wie für Rock-und-Pop-Konzerte oder Großdemonstrationen. Daneben wird oft übersehen, dass die Vereine der Ersten und Zweiten Bundesliga weit über eine Milliarde jährlich an Steuern zahlen.

Bosbach: Den Gesprächsfaden nie ganz abreißen zu lassen, für jeden ein offenes Ohr zu haben, der dialogbereit ist. Aber auch ganz klar die Grenzen zu definieren, die nicht überschritten werden dürfen und die der Verein einfach nicht preisgeben kann.

Bosbach: Spätestens, wenn wir das Stadion oder das Geißbockheim betreten, spielt Parteipolitik überhaupt keine Rolle mehr. Aber: Martin Schulz muss die SPD retten, das ist schwieriger, als für den Klassenerhalt des 1. FC Köln zu sorgen.

Bosbach: Es war nicht die Kritik an Entscheidungen im Allgemeinen, sondern am Zeitpunkt der Trennung von Peter Stöger. Den habe ich selber in Frage gestellt. Ein früherer wäre ebenso plausibel gewesen wie ein späterer. Andererseits muss ich Vertrauen haben in diejenigen, die solche Entscheidungen treffen. Der Vorstand ist näher dran, und dann sollte man auch einfach mal Vertrauen haben, dass sie wissen, was sie tun. Das ist bei unserem Vorstand der Fall. Ich habe großen Respekt vor der langjährigen Arbeit von Peter Stöger. Aber spätestens nach den beiden Heimsiegen zuletzt werden viele sich revidieren müssen. So bitter die Entscheidung war, sich zu trennen, es war die richtige.

Wie haben Sie die Hinrunde, in der Sie nicht nur Heim-, sondern auch einige Auswärtsspiele besucht haben, aus der Sicht des Fans empfunden?

Bosbach: Ich war hin- und her gerissen. Was für mich nach wie vor ein Mysterium ist, ist die hohe Zahl von Verletzten. Der halbe Kader war ja malade. Das kann nur ein Verein wie Bayern München kompensieren.

Bosbach: Der FC hat in dieser Saison noch gegen keine Mannschaft zwei Mal verloren. (lacht) Wir sollten da mit dem HSV nicht anfangen. Ich will nicht den Schlaumeier geben, aber was mich wundert, ist, dass sich alles auf die Punktzahl konzentriert. Demnach steigt man mit neun Punkten nach 18 Spielen ab. Entscheidend ist doch der Abstand zu den Plätzen 15 und 16. Für mich ist der Klassenerhalt nicht unmöglich, aber er wäre eine riesengroße Überraschung. Die Spieler können Geschichte schreiben, weil sie von vielen schon abgeschrieben wurden. Wenn wir in Hamburg verlieren, relativiert sich der Derbysieg. Gewinnen wir dort erstmals in dieser Saison ein Auswärtsspiel, werden wir Rosenmontag vorziehen. Dann sieht die Welt ganz anders aus.