Gegnercheck Das erwartet den 1. FC Köln gegen den FC Bayern
Analyse | Bonn · 1. FC Köln gegen den FC Bayern – die Vorzeichen sprechen klar für den Serienmeister der vergangenen Jahre. Wäre da nicht Steffen Baumgart. Der FC-Trainer hat den Kölnern eine Frischzellenkur verpasst – und will auch gegen den Meister offensiv, mutig und forsch auftreten. Ob das reicht?
Vor dem Spiel gab es von beiden Seiten Streicheleinheiten für den Gegner. Während Bayern-Trainer Julian Nagelsmann sein Kölner Pendant Steffen Baumgart als „extrem coolen Typen und sehr guten Trainer" bezeichnet, adelt der FC-Coach die Münchner als „die beste Mannschaft“, als Mannschaft, die den „meisten Respekt verdient“, und sie sei sogar „die größte Mannschaft, die wir haben“. Bei Baumgart, dem Geradeaus-Coach, ist der Gedanke nicht zulässig, dass seine leicht zuckrige Wortwahl darauf abzielt, den deutschen Rekordmeister in eine Favoritenrolle zu drängen. In der befindet er sich ohnehin. In jedem Spiel. Auch in der Partie an diesem Samstag im Kölner Stadion (15.30 Uhr/Sky).
Dass Baumgart trotz aller Lobeshymnen die Chancen seines FC gegen die vermeintlich übermächtigen Münchner als „groß“ bezeichnet, quittierte Nagelsmann mit einem Schmunzeln, und er sagte, das erinnere ihn „an mich selbst. Ich habe auch immer so forsche Aussagen rausgehauen. Aber natürlich sind wir nach wie vor der Favorit“. Kein Wiederspruch, selbst wenn den Kölnern zuletzt drei Siege in Serie gelangen – und die Bayern den Jahresauftakt gegen Borussia Mönchengladbach in den Sand setzten (1:2). Also sagte auch Baumgart mit Blick auf die Gladbach-Partie, in der den Bayern zahlreiche Spitzenkräfte coronabedingt fehlten: „Wir können gerne über das reden, was den Bayern fehlt: Ich sehe da wenig, wenn wir die ganzen Statistiken sehen und wie sie seit Jahren auftreten.“
Lobeshymnen von beiden Seiten auf den Gegner
Tatsächlich, die bajuvarischen Zahlen sind beeindruckend. Und es fehlt, vor allem national, nichts. Selbst aktuelle Siebtklässler kennen keinen anderen Meister als die Bayern, die die „Schale“ zuletzt neun Mal in Folge in Händen hielten. Der FC selbst blickt dabei auf eine erschreckende Bilanz gegen den Großmeister. In den vergangenen 15 Partien gab es gerade mal einen Punkt. Bedeutet umgekehrt: Die Münchner haben zuletzt bemerkenswerte 43 von 45 möglichen Zähler gegen die Geißböcke eingefahren. Der letzte FC-Sieg liegt bereits elf Jahre zurück. Damals drehten Christian Clemens und Milivoje Novakovic, der einen Doppelpack schnürte, mit ihren Treffern nach einem 0:2-Rückstand die Partie.
Danach waren Siege gegen den FCB in etwa so weit weg wie die Möglichkeit, auf dem Mars Wasser zu finden. Doch das ist Vergangenheit. Am Geißbockheim ist eine neue Zeitrechnung in Kraft getreten. Es gibt eine Zeit vor Steffen Baumgart, nun ist die Zeit mit ihm angebrochen. Eine Zeit also, in der der FC anders als in früheren Partien gegen die Bayern nicht mit dem festen Vorsatz hineinzugehen gedenkt, bloß nicht unterzugehen. Das Team sucht seine Chance. Immer. Auch gegen einen Gegner, der trotz der vielen Ausfälle zuletzt immer noch auf fast allen Positionen mit exzellentem Personal ausgestattet ist. Auffällig bei der Nagelsmann-Elf ist, dass sie sich nicht scheut, trotz ihrer spielerischen Qualität harte Arbeit auf dem Platz zu verrrichten. In der Gesamtlaufleistung liegt sie mit 116,68 Kilometern pro Spiel in dieser Saison sogar knapp vor den als lauf- und ausdauerstark bekannten Kölnern (116,3). Auch die übrigen relevanten Statistiken fallen wenig überraschend zugunsten des Meisters aus wie die Zweikampfquote (53/51 Prozent), was natürlich Grundvoraussetzung ist, um das von ihm gewohnt dominante Spiel aufzuziehen.
Lewandowski kaum zu stoppen
Mit einer Passquote von im Schnitt 85 Prozent sind sie meist die Feldherren, was sich im Ausmaß der Torschüsse widerspiegelt. Mit fast 20 pro Spiel kommen sie auf fünf mehr als der FC. Und die bayerische Effektivität, insbesondere in Person von Weltklasse-Torjäger Robert Lewandowski, ist gefürchtet in der Liga. Der polnische Nationalstürmer liegt in dieser Saison mit 20 Treffern erneut an der Spitze der Torjägerliste, und es wäre nicht einmal überraschend, würde er seinen eigenen Rekord von fabelhaften 41 Treffern aus der vergangenen Spielzeit knacken. Zudem verdient sich Thomas Müller Bestnoten als Servicekraft, bereitete 14 Tore vor – die meisten der Liga.
Mindestens europäische Klasse bringen auch die übrigen Angreifer mit: Serge Gnabry, Leroy Sané, Kingsley Coman. So ist es nicht verwunderlich, dass die Bayern mit 57 erzielten Treffern haushoch über allen anderen thronen. Gegen Gladbach stellten die Münchner einen Rekord ein: In jedem ihrer jüngsten 65 Bundesligaspiele erzielten sie mindestens einen Treffer. Das gelang bislang nur einer Mannschaft: ihnen selbst zwischen 2012 und 2014. Ein Tor gegen die Kölner würde also eine neue Bestmarke bedeuten. Auswärts traf der FCB zudem in den letzten 42 Bundesliga-Partien immer – ebenfalls: Rekord. Des Weiteren hat noch nie ein anderes Team 57 Tore nach 18 Spieltagen erzielt, 53 war die bislang höchste Ausbeute.
Auf drei Treffer bringt es dabei der etatmäßige Angreifer Jamal Musiala. Zuletzt spielte der deutsche Nationalspieler allerdings defensiver orientiert als „Sechser“, an der Seite des Spaniers Marc Roca. Das war der personellen Situation der Bayern geschuldet, bei denen Joshua Kimmich aufgrund von Nachwirkungen einer Corona-Infektion länger fehlte. Ohnehin scheint die defensive Ausrichtung der Gäste für den FC, ganz nach Baumgarts Geschmack, der Schlüssel zu einem möglichen Erfolg zu sein. Denn die Hintermannschaft wirkt nicht immer eingespielt, die Abstände zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen zu groß. So kassierte die Mannschaft im DFB-Pokal gegen Gladbach ein heftiges 0:5. Der 41,5-Millionen-Einkauf Dayot Upamecano, der den Weggang von David Alaba kompensieren soll, fremdelt hin und wieder in seiner Rolle als neuer Abwehrchef. Vielleicht ist der Grund ja auch darin zu finden, dass Coach Nagelsmann häufiger wechselt zwischen einer Dreier- und Viererkette.
Kölner wollen Heimstärke nutzen, Bayern ihre Auswärtsstärke
So oder so dürfte die Brust breit sein bei den Kölnern nach den jüngsten Erfolgen. Sie verloren zudem nur eines von bislang neun Heimspielen (0:2 gegen Augsburg) – trotz zeitweise nicht mal halbvoller Ränge wegen der Corona-Verordnung und folglich weniger Fan-Unterstützung. Eine beachtliche Heimstärke ist den Kölnern also gegeben. Andererseits hat der FC Bayern als einziges Team auswärts bei sechs Siegen und einem Remis bis dato nur ein Mal verloren (1:2 in Augsburg).
Ein weiteres Mal soll dies selbstredend nicht passieren. Zumal Nagelsmann wieder mehr Alternativen als zuletzt gegen Gladbach zur Verfügung stehen. In Köln kehren die zuletzt mit Corona infizierten Manuel Neuer, Sané, Upamecano, Omar Richards, Corentin Tolisso und Tanguy Nianzou in den Kader zurück. Verzichten muss er dagegen weiterhin auf Nationalspieler Leon Goretzka, Lucas Hernandez, Kingsley Coman und Josip Stanisic. Allerdings stellte der 34-jährige Trainer nur bei Torwart Neuer sowie bei Tolisso einen Einsatz von Beginn an in Aussicht. Der Rest sei zwar „auf dem Weg der Besserung, aber noch nicht so weit, von Beginn an zu spielen".
So oder so: Nach dem verpatzten Rückrunden-Auftakt gegen Gladbach (1:2) ist ein Sieg beim Tabellenführer gegen den FC eingeplant. Man habe „immer noch einen Kader", betonte Nagelsmann, „der ein Bundesligaspiel gewinnen sollte. Alles andere ist Humbug."