Gegnercheck Das erwartet den FC gegen Hertha BSC

Analyse | Köln · Hertha BSC ist bislang die Wundertüte der Bundesliga. Mal desaströse Pleiten, mal starke Siege. Neu-Trainer Tayfun Korkut setzt nun auf mehr Selbstverantwortung der Profis.

 Neu-Trainer Tayfun Korkut holte bislang sieben Punkte aus vier Spielen mit der Hertha.

Neu-Trainer Tayfun Korkut holte bislang sieben Punkte aus vier Spielen mit der Hertha.

Foto: dpa/Andreas Gora

Was sich von dieser Mannschaft halten lässt, wissen offenbar selbst jene nicht genau, die eng mit ihr zusammenarbeiten, sie im Trainings- und Spielbetrieb beinahe täglich wahrnehmen und bis ins kleinste Detail beschnüffeln können. Seine Nase, das ist in der Branche bekannt, trügt Fredi Bobic recht selten. Doch eine zuverlässige Einschätzung der Hertha vermag selbst der frühere Nationalspieler nicht abzugeben. Nicht einmal nach 17 Spieltagen der Hinrunde, die Hertha BSC Berlin zwar im Mittelfeld der Tabelle ausweist, manch Verantwortlichen aber vor dem Rückrundenauftakt beim 1. FC Köln am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) etwas ratlos zurücklässt.

Erst mit einem unerwarteten 3:2-Sieg gegen das Top-Team Borussia Dortmund zum Liga-Ausklang 2021 hat sich die Hertha etwas von der gefährlichen Zone des Tableaus abgesetzt. Es sei „schön, wenn du so ein Spiel noch hast zum Ende der Hinrunde“, sagte Hertha-Sportchef Bobic also. „Heute hat jeder für den anderen gefightet. Das sind Grundtugenden, die wir abrufen müssen.“ Dass die bei den Berlinern, die sich selbst gerne als „Big City Club“ darstellen, nicht verlässlich vorhanden waren, ist offensichtlich. Bobic bestätigte nach der Partie gegen den BVB: „Es ist noch brüchig.“

Zweitmeiste Gegentore der Liga

Fragilität herrscht beim Hauptstadtclub vor. Wieder einmal. Das lässt sich auch daran ablesen, dass er kurz vor dem Duell mit Dortmund von den Mainzern mit 4:0 regelrecht verprügelt wurde. Dazu kamen fürchterliche Pleiten wie das 0:6 gegen Leipzig oder das 0:5 gegen Bayern, was bei der Qualität der Mannschaft nicht vorkommen darf. Die Hertha zeigt sich auch und vor allem in der Arbeit nach hinten verbesserungswürdig. Das Umschaltspiel von der beachtlich besetzten Offensive leidet oft unter Systemstörungen. „Schwierigkeiten beim Umschalten in die Defensive“, die hatte Coach Tayfun Korkut nach der Niederlage gegen Mainz erkannt. Nicht zu Unrecht. Bislang 35 Gegentore bedeuten die zweitmeisten der Liga – nur Greuther Fürth kassierte mehr (49).

Korkut ist der zweite Trainer, der sich bei der Hertha in dieser Saison versucht. Er löste nach dem 13. Spieltag den „ewigen“ Berliner Pal Dardai ab, der trotz der beachtlichen finanziellen Zuwendungen von Investor Lars Windhorst das Team nicht zu mehr Zuverlässigkeit und Kompaktheit zu führen vermochte. Nicht weniger als 374 Millionen Euro hat Windhorst bereits in den Club gepumpt und als unbedingtes Ziel ausgegeben, „Hertha nach oben zu bringen“. Momentan aber sind die Schrippen in Berlin etwas kleiner.

Neu-Trainer Korkut hat die Mannschaft zumindest in höhere Gefilde geführt. Ihm gelangen mit dem Team immerhin sieben Punkte in vier Spielen. Nach der Niederlage gegen Mainz und dem Sieg wenige Tage später gegen Dortmund lobte auch Bobic den früheren Leverkusener und Stuttgarter Coach. Er sagte über dessen Aufbauarbeit: „Was er in den zwei, drei Tagen gemacht hat, war hervorragend. Wir hatten zwei, drei Ausfälle. Dass wir trotzdem versucht haben, mutig zu spielen, ist das, was mir gefallen hat.“

Boyata, Boateng und Jovetic in der Pflicht

Tatsächlich setzt Korkut auf mehr Selbstverantwortung bei den Profis, nimmt sie in die Pflicht. Es gebe Spieler im Kader, sagte der 47-Jährige, „die haben schon Titel gewonnen und haben viel Erfahrung. Diese Spieler müssen vorantreten“. Er meinte damit insbesondere das Ü30-Trio Dedryck Boyata (Abwehr), Kevin-Prince Boateng (Mittelfeld) und Stürmer Stevan Jovetic, die mit Celtic Glasgow, FC Barcelona oder AC Mailand sowie Manchester City in kleinen und großen europäischen Ligen erfolgreich waren.

Korkut will die Entwicklung der Hertha vorantreiben – ob sie es unter ihm allerdings zu einem „Big City Club“ schafft, bleibt fraglich. Erst mal aber konzentriert sich der Trainer auf die vordringlichsten Aufgaben. Neben der Verbesserung der Defensive ist das der Fortschritt des bislang doch recht harmlosen Angriffs. Dieser ist zwar früh ausgedünnt worden, weil Olympiasieger Matheus Cunha (zu Atlético Madrid) und der rasend schnelle Dodi Lukebakio (auf Leihbasis nach Wolfsburg) den Verein verließen, er ist aber immer noch überzeugend besetzt. Zuletzt setzte Korkut auf das Sturmduo Belfodil/Jovetic, aber auch in Davie Selke hat er eine starke Alternative. Auffällig aber ist, dass es Jovetic und Marco Richter als beste Torschützen auf nur jeweils fünf Treffer bringen. Zu wenig für eine Mannschaft mit den Ambitionen Herthas. „Wir müssen die Entwicklung der offensiven Stärke in unserem Spiel haben“, sagte Korkut, „dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir Spiele gewinnen.“

Jovetic trifft im Hinspiel gegen den FC, Modeste und Kainz drehen die Partie

Seinen ersten Saisontreffer hatte Jovetic im Hinspiel gegen den 1. FC Köln beim Saisonauftakt bereits nach sechs Minuten erzielt. Doch diesen frühen Rückschlag konterten die Kölner durch Anthony Modeste und einen Doppelpack von Florian Kainz. Auch hier zeigte sich die Hertha bei Flanken von außen anfällig.

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