Ein Blick in die Zukunft des Bundesligisten Der 1. FC Köln am Scheideweg
Köln · Noch kämpft der 1. FC Köln um den Klassenerhalt in der Bundesliga. Doch die Gefahr eines nachhaltigen Misserfolgs wächst. Dabei war Köln einst eine Top-Adresse
Dieses Bild sagt alles über den Istzustand des 1. FC Köln. Ein Bild mit Symbolcharakter: Jonas Hector, der Kapitän der Mannschaft, kauert allein auf dem Boden, den Rücken an die Bande des Kölner Stadions gepresst. Der Blick leer. Mehr als vier Minuten dauert das Trauerspiel nach dem bitteren 2:3 gegen Mainz 05, sein Trainer versucht, ihn zu trösten. Doch auch das gelingt Markus Gisdol nicht. Das Bild von Sonntagabend wird es so nie mehr geben. Gisdol ist nicht mehr Trainer des FC. Nun soll Friedhelm Funkel mit den Kölnern die Bundesliga halten. Eine Bestandsaufnahme.
Finanzielle Situation
Das Alarmierende: Rund 63 Millionen Euro Umsatz wird die Corona-Pandemie den Club bis zum Ende der Saison gekostet haben. Das zeigen die kürzlich vorgelegten Zahlen des Geschäftsjahres 2019/20. An dessen Ende steht ein Minus von 23,8 Millionen Euro, das Eigenkapital schrumpft von mehr als 38 Millionen Euro auf 14,8 Millionen, die Schulden wachsen auf mehr als 26 Millionen an. Da die vergangene Saison „nur“ dreieinhalb Monate von der Pandemie betroffen war, ist für die Spielzeit 2020/21 mit noch höheren Verlusten zu rechnen. Die Heimspiele ohne Zuschauer in Zeiten der Pandemie hätten „die wirtschaftliche Substanz des Clubs deutlich angegriffen“, sagt FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle. Langfristige Kredite sichern die Kölner ab. Die Bewilligung über eine beantragte Landesbürgschaft in Höhe von 20 Millionen Euro, von der der Steuerzahler nicht betroffen ist, soll Formsache sein. Auch ein weiterer Gehaltsverzicht der Mannschaft und der Geschäftsführung hilft dem FC, die Kosten zu senken. In einer Notlage befindet sich der Verein dennoch. Laut Wehrle wäre der Club aber in der Lage, „den sofortigen Wiederaufstieg als Ziel auszurufen“. Die Austragung der kommenden Saison steht nicht auf dem Spiel.
Mannschaft
Die Mannschaft wird ihr Gesicht ändern, ändern müssen. Verkäufe von Leistungsträgern würden dringend benötigte Einnahmen generieren. Kandidaten wären Leistungsträger wie Ellyes Skhiri, Sebastiaan Bornauw, Ondrej Duda und Jorge Meré. Ihre Verträge besitzen zwar auch für die 2. Liga Gültigkeit, offenbar sollen darin aber Ausstiegsklauseln verankert sein. Ablösesummen wären dem FC daher sicher. Die Winterzugänge wie Emmanuel Dennis und Max Meyer, die bislang keine entscheidende Rolle einnehmen, werden den Verein wohl wieder verlassen. Dasselbe gilt für Leihspieler Marius Wolf. Der sportlichen Führung und dem neuen Trainer fällt die Aufgabe zu, einen Stamm von Spielern wie Timo Horn und Jonas Hector zu halten und um sie eine neue Mannschaft aufzubauen.
Der schon von Markus Gisdol eingeschlagene Weg, Talente mit Stallgeruch verstärkt zu fördern, ist der einzig gangbare. Noah Katterbachs, Jan Thielmanns, Sava Cestics und Ismail Jakobs’ Potenzial sollte und muss weiter gefördert werden. Gerade aber Offensivmann Jakobs könnte bei einem Verkauf eine nicht unbeträchtliche Summe in die Kasse spülen. Dass bereits aussortierte und verliehene Profis in der nächsten Saison wieder auf der Gehaltsliste stehen werden, wird weitere Schwierigkeiten nach sich ziehen. Bei einem Abstieg dürfte der sportliche Umbruch beim FC noch gravierender ausfallen. In der 2. Liga würde zumindest helfen, dass sich die Gehälter der Spieler automatisch reduzieren würden. Dem Vernehmen nach sollen diese nur noch die Hälfte der Erstligaeinkünfte betragen.
Trainer
Interimslösung Friedhelm Funkel, seines Zeichens staatlich geprüfter Feuerwehrmann, wird nach den ausstehenden sechs Spielen in dieser Saison den Schlauch wieder einrollen. Kandidaten für die kommende Spielzeit sind zahlreich vorhanden: Steffen Baumgart, der nach vier Jahren beim SC Paderborn seinen Vertrag im Sommer nicht verlängern wird, ist in der Bundesliga begehrt und bei den Fans aufgrund seiner anpackenden Art beliebt. Doch der frühere Profi hat bereits sachte abgewunken.
„Da gibt es keine Anfrage und keine Gespräche bezüglich einer Zusammenarbeit ab Sommer“, sagte der 49-Jährige am Dienstag bei Sport1. Er werde da „wie eine Kuh durchs Dorf getrieben. Und das will ich vermeiden. Es wird sicher Gespräche mit Clubs geben, aber ich bin mir sicher, dass es mit denen, die in den Medien am lautesten gehandelt werden, am Ende am wenigsten etwas wird. Schalke war kein Thema, und Köln ist gerade auch keins“.
Der Name Thorsten Fink, der im Herbst bei Vissel Kobe in Japan zurücktrat, geisterte immer mal wieder bei den Geisterspielen ums Kölner Stadion. Über seine Rückkehr dürften sich viele FC-Fans jedoch besonders freuen: Peter Stöger. Der hatte dem Verein vor vier Jahren zum Ausflug nach Europa verholfen – nach 25 Jahren Abstinenz. Aufhorchen lässt, dass der Österreicher seinen derzeitigen Arbeitgeber Austria Wien am Saisonende verlassen wird.
Vorstand/Sportliche Führung
Im vergangenen Sommer schien der FC auf einem stabilen Weg in die Zukunft. Horst Heldts Vertragsverlängerung bis zum 30. Juni 2023 spiegelte auch die Wertschätzung und den Rückhalt des Präsidiums für den Sportchef wider. Die Zeiten haben sich geändert. Die Kritik an dem Königswinterer, der lange an Trainer Gisdol trotz ausbleibenden Erfolgs festhielt, nimmt zu.
Neben der Personalie des Trainers wird ihm zur Last gelegt – bei allen finanziellen Schwierigkeiten –, einen sehr unausgewogenen Kader zusammengestellt zu haben. Zudem hat keiner seiner Wintertransfers eingeschlagen. Und sollte sein „Retter“ Funkel die Saison nicht zu einem glücklichen Ende bringen, dürfte es auch für ihn persönlich eng werden mit der Rettung. Held versucht, mit der Kritik an seiner Person sachlich umzugehen. Es gehöre dazu, dass „man in der Kritik steht. Dem stelle ich mich, damit muss man lernen umzugehen“.
Umgehen muss auch der Vorstand mit der Zerrissenheit im Verein. Es herrscht ein lähmendes Gegen- statt förderndes Miteinander. Auf allen Ebenen. Die diversen Interessen von operativer Führung, Mitgliederrat und früheren Meisterspielern gilt es unter einen Hut zu bringen. Der Verein steht am Scheideweg, ganz gleich, in welcher Liga. Viele Fragen sind zu beantworten, um die Basis für sportlich nachhaltigen Erfolg zu schaffen. Das muss bald geschehen. Im Juni steht eine Mitgliederversammlung an.