Duell mit Werder Bremen Der 1. FC Köln ist auf der Suche nach dem Glücksgefühl

Köln · Nach nur einem Punkt aus vier Spielen will der 1. FC Köln in Bremen die Wende einleiten. Vor dem Duell gibt es Sticheleien aus Leverkusen.

Auf ihn setzt FC-Trainer Steffen Baumgart in Bremen: Luca Waldschmidt (rechts, hier bei seinem Treffer gegen Wolfsburg).

Auf ihn setzt FC-Trainer Steffen Baumgart in Bremen: Luca Waldschmidt (rechts, hier bei seinem Treffer gegen Wolfsburg).

Foto: dpa/Marius Becker

Kleine Gemeinheiten, Reibereien oder gar mehr zwischen dem ­
1. FC Köln und Bayer Leverkusen sind beinahe so alt wie die Menschheitsgeschichte. Gerade erst haben die Leverkusener ein wenig gestichelt Richtung Nachbarstadt und vor dem Europa-League-Duell gegen BK Häcken in ihrem Werben um Stadionbesucher auch den Klassenfeind miteinbezogen. Via Social Media verbreitete der Club übersetzt die These (die es durch mehrere Klicks herauszufinden galt): Wer guten Fußball sehen möchte, der soll zum Europacup nach Leverkusen kommen, wer jedoch den Abstiegskampf bevorzugt, müsse wohl FC-Fan sein.

Nun ist Steffen Baumgart ja schon seit mehr als zwei Jahren verantwortlich für die sportlichen Geschicke der Kölner, und er hat in dieser Zeit schon einige Derbys erlebt. Daher hat ihm diese Anspielung auf die Tabellenplatzierung seines Teams (derzeit auf dem Relegationsrang) und der des Tabellenführers aus der Farbenstadt lediglich ein müdes Lächeln entlockt, als er am Ende der Frage-und-Antwort-Runde vor dem Gastspiel des FC bei Werder Bremen (Samstag, 18.30 Uhr/Sky) mit dieser nachbarschaftlichen Stichelei konfrontiert wurde. Zunächst lobte er den Kontrahenten für seinen „wirklich guten Fußball derzeit“, um dann seine Sicht der Dinge in gewohnter Klarheit darzulegen. „Wenn man schönen Fußball sehen möchte“, sagte der Kölner Trainer, „dann sollte man nach Leverkusen gehen. Wenn man noch schöneren Fußball sehen möchte, mit mehr Emotionen und in einem vollen Stadion, wo sie vorher nicht aufrufen müssen, dass die Leute erscheinen sollen, dann kommen Sie zu uns.“ Damit aber hatte er noch nicht den Punkt gesetzt. Es gab ganz Grundsätzliches zu erläutern. Es gebe einen großen Verein, sagte er. Und es gebe einen nicht so großen Verein. „Wir sind der größere Verein, selbst wenn das sportlich anders erscheint. Nochmal: Der FC steht in dieser Region über allem. Da kannst du 20 Mal Europacup-Sieger werden, oder Vizemeister, ist scheißegal.“

Baumgart kontert: „Wir sind der größere Club“

Bei der tief in der Region verwurzelten Grundsatzfrage nach Größe und Gewicht der Clubs ging beinahe unter, dass der FC am Samstag auch noch ein wichtiges Spiel zu bestreiten hat, in dem es darum geht, auch das tabellarische Erscheinungsbild ansehnlicher zu gestalten. Denn mit dem sportlichen Auftreten der Mannschaft ist Baumgart ja generell einverstanden. Nun gilt es an der Weser dem auch in entsprechenden Resultaten Ausdruck zu verleihen. „Wir bleiben ganz bei uns“, pflegt der 51-Jährige gerne zu sagen, daher schließt sich eine zu gegnerorientierte Herangehensweise aus. Er sagte am Donnerstag vor dem Duell mit den um zwei Punkten besser gestellte Bremern, in dem Offensivspieler Luca Waldschmidt in die Startformation rücken wird und Rasmus Carstensen gesperrt ist, lediglich: „Wir können über die einzelnen Spiele reden. Gegen Viktoria Köln (2:3 in der ersten Runde des DFB-Pokals, d. Red.) hatten sie einen Platzverweis. Gegen Mainz gewinnen sie 4:0, gegen Heidenheim (2:4, d. Red.), einen Aufsteiger, aber auch Bundesligisten, verlieren sie.“ Im Subtext gelesen bedeutet dies: Der Blick soll sich nicht auf den Gegner, sondern auf das eigene Handeln richten. Denn: „Fakt ist, dass wir zu wenige Punkte haben, und das gilt es zu ändern. Aber das gilt für Werder genauso.“

Sich nach vier Spieltagen im Tiefparterre des Tableaus zu befinden, stellt für Baumgart eine ungewohnte Situation dar. Zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison waren die Kölner ungeschlagen, hatten bereits sechs Punkte auf der Habenseite, in Baumgarts erstem FC-Jahr waren es sogar sieben Punkte und es war ein, wie es Abwehrchef Timo Hübers zuletzt bezeichnete, „super Start“, der „unser Faustpfand in den vergangenen beiden Jahren war“. Der Super-Start ist nun einer Konstellation gewichen, die Baumgart veranlasste, den Abstiegskampf auszurufen. Aber was heißt hier ausrufen? Nein, nein, das habe er nicht, sondern „wir befinden uns mitten drin. Und den werden wir so lange haben, bis wir genügend Punkte haben.“ Wichtig sei, die Bundesliga am Ende zu halten, schön wäre es aber in Form von Punkten, „wenn wir früher damit anfangen, das gibt Glücksgefühle“.

Baumgart in der Krise fröhlich und zuversichtlich

Das Befinden am Geißbockheim leidet unter der angespannten Situation offenbar nicht. Auch nicht das ausstehende Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs (Cas), der darüber entscheidet, ob die Transfersperre des Clubs für zwei Registrierungsperioden erhalten bleibt. Natürlich macht sich Baumgart Gedanken über dieses Urteil, doch „es beeinflusst mich nicht in der Vorbereitung auf Bremen“. Die Stimmung im inneren Kreis empfindet er nicht als negativ. „Der Großteil jener, die auch immer im Stadion sind, sehen, dass die Jungs Vollgas geben.“ Ein mögliches Krisenszenario hatte er schon nach dem 1:3 gegen Hoffenheim ausgeschlossen zu einem so frühen Zeitpunkt der Saison. Im Gegenteil. Er fühle sich pudelwohl in Köln – „weit weg von Krise“, wie er am Donnerstag erneut betonte. Er selbst bezeichnete den Verein als „eine Einheit“ und sich selbst sogar als „fröhlicher Mensch, gerade in dieser Situation. Das hätte ich nicht gedacht.“ Kaum zu glauben, dass alles so schön ist, wie es scheint.

Die besten Sprüche von FC-Trainer Steffen Baumgart
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Zweiklassengesellschaft Bundesliga

Die momentane Stellung seiner Mannschaft ist auch der Entwicklung einer gewissen Zweiklassengesellschaft der Liga geschuldet, glaubt der Trainer. Die ersten acht oder neun Mannschaften hätten „50 bis 100 Millionen Euro pro Team investiert. Und alle anderen darunter versuchen, die Klasse zu halten. Diese Zweiteilung haben wir schon lange Zeit.“ Der kommende Gegner Bremen, so die Erfahrungen aus dem Saisonstart, befindet sich unter dem Strich, darüber Bayer Leverkusen. Am 8. Oktober steigt das rheinische Derby dann in der Bayarena, und Baumgart hatte ja schon vor rund zwei Jahren vor einem Spiel an der Dhünn erklärt, „in Leverkusen ein Heimspiel“ zu haben. Und wer mag, darf sich freuen, dass auch in den kommenden zwei Wochen die Giftpfeile nicht im Köcher stecken bleiben. Auf beiden Seiten.

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