Abwehrschlacht, Abstiegskampf und Achterbahn So verlief das Jahr 2021 beim 1. FC Köln - Teil I
Köln · Mit 25 Punkten und dem achten Tabellenplatz blickt der FC auf eine erfolgreiche Hinrunde zurück. Das Jahr 2021 war aber insgesamt alles andere als erfolgreich. In unserem ersten Teil des Jahresrückblicks schauen wir auf Retter, Gerettete und eben jene, die den Verein verlassen mussten.
So richtig will wohl niemand mehr daran glauben. Spätestens, nachdem Schiedsrichter Daniel Siebert den Treffer von Sebastian Andersson aufgrund einer vermeintlichen Abseitsposition von Salih Özcan in der 71. Spielminute zurückgepfiffen hat, stellt sich bei den FC-Fans (vor dem heimischen TV-Gerät) Resignation ein. Die Situation ist mehr als kritisch. In Stuttgart hat Abstiegskonkurrent Bielefeld gerade das 2:0 erzielt, Mitkonkurrent Bremen liegt gegen Gladbach 0:4 zurück. Dennoch: Um sich auf den Relegationsplatz zu retten, muss der FC unbedingt gegen Schalke gewinnen. Köln ist die bessere Mannschaft, investiert viel in die Offensive, doch das Tor will nicht fallen. Und nachdem Siebert auf Abseits entschieden hat, deutet nicht mehr viel auf die Rettung am letzten Spieltag hin. Dann flankt Jan Thielmann in den Strafraum, Sebastiaan Bornauw steigt am höchsten und köpft den Balls aus kurzer Distanz ins Netz. 1:0, 86. Minute. Bornauws Haut nimmt nahezu die Farbe seines roten Trikots an. Ein Schrei, die Muskeln angespannt. Erlösung pur. Der FC schafft es quasi in letzter Minute in die Relegation.
Die Euphorie ist Anfang des Jahres spürbar
20 Wochen zuvor ist die Stimmungslage eine andere. Die Wochen der Wahrheit sind ausgerufen – plakativ, reißerisch, vielleicht martialisch, auf jeden Fall alarmierend. Elf Punkte hat der FC in den 14 Spielen im Corona-Jahr 2020 eingesammelt, acht davon in den vergangenen fünf Spielen mit Siegen gegen Dortmund und Mainz. Die Euphorie in Köln ist zum Jahresbeginn spürbar. Denn für den FC geht es in den kommenden vier Wochen gegen sechs Mannschaften auf Augenhöhe. Köln könnte sich Luft im Abstiegskampf verschaffen. Doch die geplante Aufholjagd erfährt schon im ersten Duell einen harten Dämpfer. 0:1 unterliegen die Geißböcke dem FC Augsburg. Es folgt ein Offenbarungseid gegen Freiburg. 0:5 verliert Köln beim SC und rutscht auf den Relegationsplatz ab. Nach den ersten beiden Spielen bekommt der FC die Wahrheit bitter vor Augen geführt. Es heißt weiterhin Abstiegskampf pur. Vor allem im Sturm hapert es beim FC. Immerhin sieben weitere Zähler holt Köln bis Ende Januar und mit Max Meyer und Emmanuel Dennis gleich zwei Offensivkräfte, die den FC retten sollen.

Das Jahr 2021 des 1. FC Köln in Bildern - Teil I
Ein anderer geht. Unmittelbar vor Transferschluss wird Anthony Modeste zu St. Etienne verliehen. Als „großes Missverständnis“ wird die Zusammenarbeit zwischen Modeste und Trainer Markus Gisdol beschrieben, noch nicht ahnend, dass das Missverständnis „Meyer/Dennis und FC“ noch ein größeres sein wird. Es ist nicht der einzige Abgang. Auch Fritz Esser geht – nach nur wenigen Stunden. Eigentlich sollte Esser neuer Mediendirektor in Köln werden. Eigentlich. Der gebürtige Kölner hatte sich in Tweets kritisch über die aktive Fan-Szene des FC geäußert. Als stellvertretender Leiter Politik und Wirtschaft der "Bild"-Zeitung hatte er sich zudem in Kommentaren für erzkonservative Werte stark gemacht. Die Welle der Entrüstung ist erwartungsgemäß groß. Für den FC zu groß. Die Club-Führung räumt Fehler beim Auswahlprozess ein. Auch Dominick Drexler vergreift sich im Ton, bezeichnet die Fans als Spacken, wird dafür hart angegangen, entschuldigt sich aber. Doch das Verhältnis des Bonners zu den eigenen Fans ist gestört.
Ein Achterbahn der Gefühle
Sportlich werden die Anhänger auf eine Achterbahn der Gefühle geschickt. Dem bitteren Pokal-Aus gegen Jahn Regensburg folgt der 2:1-Derbysieg über Gladbach. King Elvis Rexhbecaj erzielt beide Treffer, es wird mit der Fahne getanzt. Nur wenige Tage später umtanzen die Bayern die Kölner wie Fähnchen: 1:5. Mitte März folgt die 1:2-Niederlage gegen Union Berlin. Immer mehr Stimmen kritisieren die destruktive Spielweise des Trainers. Selbst gegen Teams auf Augenhöhe lautet die Taktik „Spiel zerstören, statt Spiel zu machen“. Markus Gisdol gerät unter Druck, erhält aber Rückendeckung vom eigenen Sportchef, von seinem Freund Horst Heldt. Aber auch die der Mannschaft. Denn gegen den BVB zeigt der FC wieder eine starke Vorstellung, hat Dortmund sogar am Rande der Niederlage, bis Erling Haaland in der Schlussminute zuschlägt: 2:2. Obwohl der Druck groß ist, eine Länderspielpause ansteht, bleibt Gisdol im Amt. Auch nach dem 0:1 gegen den VfL Wolfsburg.
Gewinner und Verlierer der Hinrunde des 1. FC Köln
Dabei zwitschern es die Spatzen bereits von den Dächern. Da ist einer im Gespräch, heißt es. Er heißt Steffen Baumgart. Schon im April wird über den heutigen Trainer gemutmaßt. Beim FC will man davon nichts wissen. Man weiß aber, dass Gisdol unbedingt liefern muss. Sieben Spieltage vor Saisonende belegt der FC den Relegationsplatz, mit zwei Punkten Rückstand zum rettenden Ufer. Es stehen die nächsten Wochen der Wahrheit an. Für Gisdol enden sie mit dem 2:3 gegen den FSV Mainz. Noch in der Nacht nach der Pleite wird er entlassen. „Ich wünsche meinen Jungs für den Saisonendspurt alles Gute und drücke ihnen und dem FC die Daumen, damit sie in der Bundesliga bleiben“, sagt der Trainer nach der Entlassung. Mit Friedhelm Funkel wird der Nachfolger, der Interims-Cheftrainer, der Retter vorgestellt. Funkel tritt die Aufgabe besonnen an, gibt aber die Marschroute klar vor: Nur der Klassenerhalt zählt. „In der Zusammenarbeit mit den Jungs gilt es ab sofort, mit dem gleichen Einsatz die notwendigen Punkte zu holen, um in der Liga zu bleiben. Ich bin überzeugt davon, dass wir das schaffen können“, sagt Funkel zum Amtsantritt.
Doch schon im ersten Spiel gerät das Unterfangen ins Wanken. Köln kassiert eine 0:3-Pleite gegen Leverkusen, Funkel einen Shitstorm. Nach dem Spiel gibt der Routinier ein TV-Interview und stolpert über eine „Nicht-Äußerung“. „Bayer Leverkusen hat natürlich eine enorme Schnelligkeit durch ihre...“, sagt Funkel in einem Interview und sucht offensichtlich nach Worten. „Den einen oder anderen Ausdruck darf man ja jetzt nicht mehr sagen – Spieler, die so schnell sind“, fährt der Trainer schließlich fort. Es folgt eine Welle der Empörung, Funkel wird Rassismus unterstellt, der Verein sieht sich zu einer Stellungnahme genötigt.

Das sind mögliche Wechselkandidaten des 1. FC Köln
Die Weichen für die kommende Saison werden gestellt
Immerhin bekommt Funkel sportlich wieder die Kurve. Der FC gewinnt überraschend gegen Leipzig. Dafür greift der damals 67-Jährige tief in die Trickkiste, beordert Jonas Hector in die Offensive. Der Kölner Kapitän bedankt sich mit einem Doppelpack und drei wichtigen Punkten. Auch gegen Augsburg gibt es Punkte. Und das Tor des Monats April. Mit einem wunderbaren Volley trifft Ondrej Duda in den Winkel und wird später dafür ausgezeichnet. Drei Spieltage vor Saisonende hat es der FC wieder in den eigenen Händen. Doch es folgt ein 1:4 gegen Freiburg. Der FC rutscht auf den direkten Abstiegsplatz ab. Immerhin stehen mit Hertha BSC und dem FC Schalke 04 zwei vermeintlich lösbare Aufgaben auf dem Spielplan. Eine gute Lösung findet der FC gegen Berlin aber nicht. 0:0 nach 90 Minuten. Köln ist gegen Schalke 04 zum Siegen verdammt, will das Team wenigstens die Relegation erreichen. Dann kommt Sebastiaan Bornauw ins Spiel und stellt mit seinem Treffer wichtige Weichen für die kommende Saison.
Eine ist bereits gestellt. Der Trainer für die kommende Saison ist bekannt. Nachdem in Köln einige Wochen über die Rückkehr von Peter Stöger diskutiert wurde, hat der FC das Rennen um Steffen Baumgart gewonnen – unabhängig der Ligazugehörigkeit. Darüber entscheidet die Relegation gegen Holstein Kiel, eine weitere Woche der Wahrheit. Die Euphorie ist groß, erleidet aber einen herben Dämpfer. Das Hinspiel verliert der FC 0:1, trotz klarer Überlegenheit. Im Rückspiel dreht Köln auf, setzt sich mit 5:1 durch und feiert den Klassenerhalt und dann eine wilde Nacht. Die Katerstimmung folgt am nächsten Tag. Zumindest bei Horst Heldt. Der ehemalige FC-Profi muss den Verein verlassen. Und das, obwohl er mit Steffen Baumgart eine spürbare Wende in Köln eingeleitet hat.