Was die Fans des 1. FC Köln ausmacht Eine ganze Stadt ist mit dem Club verwachsen

Köln · Nach elf Spieltagen steht der 1. FC Köln mit 14 Punkten auf Platz elf der Liga. Grund genug für gute Stimmung bei den Fans, die schon nach Spieltag sieben Trainer Steffen Baumgart zum Kanzler erklärten. Im vergangenen Spiel gegen Union Berlin gab es jedoch Pfiffe vonseiten des Publikums.

 Ein ganz besonderes Verhältnis besteht zwischen dem 1. FC Köln und seinen Fans.

Ein ganz besonderes Verhältnis besteht zwischen dem 1. FC Köln und seinen Fans.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Et hätt noch immer jot jejange – so will es das Kölsche Grundgesetz und, so meint man, leben auch die Menschen der Stadt den Kölschen Optimismus. Allen voran die Fans des 1. FC Köln, die nach dem Aufblühen ihrer Mannschaft unter dem neuen Trainer Steffen Baumgart schon wieder vom Europapokal träumten.

Nach dem siebten Spieltag lag ein Vergleich zwischen der gerade erst begonnenen Ära Baumgart und der Ära Peter Stöger somit nahe. So legte der FC den erfolgreichsten Saisonstart nach der Saison 2016/17 hin, als Anthony Modeste die Geißböcke nahezu im Alleingang in die Europa League schoss. Kein Wunder also, dass die Fans wieder träumen. Von Europa, vielleicht sogar von einem Titel?

Von Außenstehenden werden die FC-Fans nur müde belächelt. Aber ist die Träumerei wirklich ernst gemeint? „In Köln und Umgebung hat sich in den letzten Jahren eine sehr gesunde Fan-Kultur entwickelt – das ist eine konstruktive, zukunftsgewandte Fan-Kultur, die sich an den Werten des Fußballs und nicht nur am 1:0 oder am wirtschaftlichen Erfolg orientiert“, sagt Professor Harald Lange, Fanforscher, Inhaber des Lehrstuhls für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg und Gründer des Instituts für Fankultur e.V.

Sich nicht am 1:0, am sportlichen Erfolg, orientieren und mit ihrer Mannschaft „durch et Füer“ gehen – dafür sind die FC-Fans bekannt. „Insbesondere der Fußball lebt von der Hoffnung, weil er durch und durch romantisch verklärt ist. Man hofft auf den ,Lucky Punch’, auf die Außenseiterchance, auf das Wunder“, so Lange. „Solche Wunder schweißen die Menschen zusammen.“ Dass dies nicht überall so ist, zeigt auch der Blick auf die anderen Vereine in Deutschland. Viele Stadien sind derzeit nicht ausverkauft. Die Arena in Köln dagegen schon.

Aktive Fanszene aktuell im Fokus

Am elften Spieltag gegen Union Berlin folgte dann doch ein partieller Stimmungsumschwung. Von Teilen des Kölner Publikums waren zur Halbzeit Pfiffe zu hören. Der Leiter der Lizenzspielerabteilung, Thomas Kessler, nennt die noch fehlende Unterstützung der Ultras als Grund: „Ich glaube, wenn irgendwann wieder der organisierte Support unserer Fans dazukommt und wir mehr Lautstärke in ruhigen Phasen des Spiels haben, dann wird das nicht mehr so ins Gewicht fallen. Die aktive Fanszene ist wichtig für den 1. FC Köln, und wir würden uns freuen, wenn sie auch schnellstmöglich wieder zurück bei uns im Stadion ist.“ Die Pandemie hat bei der Stimmung in den Stadien ihre Spuren hinterlassen. „Auch wenn die Atmosphäre eine leicht andere ist, sendet die Kölner Fan-Kultur insgesamt positive Signale“, meint Lange und deutet damit auf die Kritik der Ultras am Kommerzfußball hin.

Ein Blick auf die Kölner Historie verdeutlicht die Entwicklung der Fan-Kultur. Bis in die 1990er Jahre feierte der FC mit drei Meisterschaften und sieben Vizemeisterschaften etliche Erfolge und galt als einer der größten Fußballvereine in Deutschland. Ab 1998 folgten sechs Abstiege, 26 Trainerwechsel, und auch in der zurückliegenden Saison entkam man der 2. Liga nur um Haaresbreite. All das lässt vermuten, dass es sich beim Kölschen Optimismus um ein altes Selbstverständnis handelt, das die Fans gerne aufleben lassen.

Junge Spieler nehmen Euphorie mit

„Es ist klar, dass auch die Erwartungshaltung eine andere wird, wenn man gute Leistungen zeigt“, sagte Kessler nach dem Spiel gegen Union Berlin. Zu dem erhöhten Druck seitens der Anhänger meint Fanforscher Lange: „Das ist eine Mentalitätsfrage der Spieler. Wenn man bestimmte Spielertypen hat, die sich davon mitreißen lassen, die sich mit dem Club, der Region und den Fans identifizieren, kann das in Leistung umgesetzt werden. Da ist vor allem der Trainer gefragt zu wissen, welche Typen er in seinem Kader hat.“ Spieler aus der eigenen Jugend wie Salih Özcan, Jan Thielmann oder auch Tim Lemperle haben demnach beste Voraussetzungen, dass sie von der Fan-Euphorie rund um Steffen Baumgart und den Club gepusht werden.

Abschließend hält Lange fest: „Grundsätzlich findet man die Fan-Kultur in allen Fußballvereinen. Vielerorts sind das etwas kleinere Gruppen, die so etwas leben und aufleben lassen, wohingegen es in Köln die ganze Stadt ist. Da ist es die Region, die mit dem Club verwachsen ist und zu der der Club untrennbar dazugehört – das sind dann auch Vorbilder.“ Was die Werte der Fan-Kultur angeht, ist der FC also nach wie vor ganz groß.

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