Darmstädter Kultstadion FC Köln gastiert ein letztes Mal am Böllenfalltor

KÖLN · Fußball-Zweitligist 1. FC Köln ist eine der letzten Gastmannschaften, die im Darmstädter Kultstadion antreten. Der Abriss beginnt nach dem 8. Dezember.

Am Freitagnachmittag machten sich die Profis des 1. FC Köln auf die gut 200 Kilometer lange Reise nach Darmstadt. Am Samstagvormittag werden ihnen rund 2500 Fans folgen. Es wären mehr, gäbe es eine größere Anzahl an Gästekarten für die Partie (13 Uhr/Sky). Doch das Merck-Stadion am Böllenfalltor, wie das „Bölle“ heute aufgrund des heimischen Namenssponsors heißt, bietet nur 17.468 Besuchern Platz.

Und das auch nur noch bis zum nächsten und letzten Heimspiel des Jahres am 8. Dezember. Danach rücken schwere Baumaschinen an und machen platt, was sich jetzt Gegentribüne nennt. Schutt aus dem Zweiten Weltkrieg wurde dort aufgetürmt, wo an diesem Samstag zum vorletzten Mal 4300 heimische Anhänger und 2100 Gäste-Fans stehen. Bis zur kommenden Saison soll dort eine überdachte Sitzplatztribüne für knapp 5000 Zuschauer errichtet sein. Es ist der Beginn des Umbaus des 97 Jahre alten Stadions. Für 30 Millionen Euro entsteht an historischer Stätte ein neuer Zweckbau, der 18.600 Besuchern Platz bieten wird.

Für Stadion-Nostalgiker ein Trauerspiel. Schließlich verschwindet damit im deutschen Erst- und Zweitligafußball eine der letzten Spielstätten im Stil des ersten Bundesliga-Jahrzehnts aus den 60ern bis 70ern des vorigen Jahrhunderts. Ähnlich geartet sind in den Top-Ligen nur noch die Stadien in Freiburg, Bochum und Kiel.

Als die Kölner vor knapp zwei Jahren am 28. Januar 2017 letztmals im „Bölle“ antraten, dröhnte die Karnevalsmusik aus der eigenen Anlage nach dem 6:1 aus der Kabine bis in den engen Presseraum. Wer sich vor die Tür der Gästekabine stellte, konnte den Gesprächen dahinter lauschen, wenn nicht gerade das Trömmelchen-Lied in voller Lautstärke dröhnte.

„Das habe ich nicht gewusst“, zeigte sich Markus Anfang vor seinem zweiten Besuch in Darmstadt überrascht, um belustigt hinzuzufügen: „Da stellen wir uns bei der Besprechung vor dem Spiel in der Kabine am besten im Kreis auf und flüstern nur.“ So humorvoll hatte Roger Schmidt die hellhörige und nostalgische Umgebung unter der Haupttribüne bei seinem letzten Besuch nicht empfunden. Als der damalige Trainer von Bayer Leverkusen erfuhr, dass während der Halbzeitpause ein Darmstädter „Spion“ an der Tür gelauscht hatte, explodierte er verbal. „Das macht man ja auch nicht“, schmunzelte Markus Anfang, als er jetzt davon erfuhr.

Der FC-Trainer wird wohl vorsichtshalber alle geheim zu haltende Instruktionen an seine Spieler bei der vormittäglichen Besprechung im Hotel mitteilen. Nicht geheim ist indes seine Einschätzung, dass „die Darmstädter kompakt spielen, geplant mit langen Bällen von hinten heraus. Sie sind schwierig zu bespielen, vor allem vor ihrem Publikum“.

Dem versprach Darmstadts Präsident Rüdiger Fritsch, dass das „Bölle“ dennoch kein Einheitszweckbau wie viele andere Arenen der Neuzeit werde. Man sei stolz, auch weiterhin „in einem organisch gewachsenen Stadion“ zu spielen, „das nicht am Reißbrett auf der grünen Wiese entworfen wurde“. Den Zuschlag für den ersten Bauabschnitt erhielt die Hellmich Unternehmensgruppe. Deren Gesellschafter Walter Hellmich war bis zu einem Streit 2013 Vorstandsvorsitzender des Liga-Konkurrenten MSV Duisburg. Seine Firma baute die Arenen in Duisburg, Schalke, St. Pauli und Ingolstadt.

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