Derby-Held Selke Köln beendet Leverkusens Serie

Leverkusen · Was war das für ein Theater im Vorfeld: Dem 1. FC Köln hatte es nicht gefallen, dass Bayer Leverkusen das Derby ohne große Rücksprache verlegen ließ. Doch der FC jubelte am Ende trotzdem.

Kölner Jubel nach dem Derby-Sieg in Leverkusen.

Kölner Jubel nach dem Derby-Sieg in Leverkusen.

Foto: dpa/Marius Becker

Es gab viele Nebenschauplätze, die sich zuletzt um das Spiel des 1. FC Köln bei Bayer Leverkusen rankten. Viel zu viele, folgt man der Einschätzung Steffen Baumgarts. Die Diskussion um die berechtigte oder unberechtigte Beschreibung des Nachbarschaftsduells als Derby nervte ihn gewaltig („Ich nenne es gar nicht“). Auch auf die kurzfristige Spielvorverlegung auf Freitagabend reagierte er unter der Woche dünnhäutig. Dazu kam die Sorge des FC-Trainers um ein friedliches Aufeinandertreffen der beiden Fanlager. Er wollte „wieder zur Tagesordnung übergehen“, alles andere sei „ja nur Geplänkel“. Das Sportliche sollte wieder im Zentrum der Betrachtung stehen. Denn da ging es ja für beide Vereine noch um etwas. Während sich die Leverkusener nach 14 Pflichtspielen ohne Niederlage die Chance auf die Qualifikation für die Europa League offenhalten wollten, verfolgen die Kölner nach wie vor das Ziel, die 40-Punkte-Marke zu erreichen.

Dass der FC dem Vorhaben ein großes Stück mit nun 38 Punkten nähergekommen ist, verdankt er einem 2:1 (2:1)-Sieg und einem leidenschaftlichen Vortrag, in dem Davie Selke mit einem Doppelpack (14., 36.) zum Helden wurde. Damit können die Kölner getrost für ein weiteres Jahr in der Erstklassigkeit planen, selbst wenn der Klassenerhalt noch nicht perfekt ist. Kompaktheit und Konsequenz, Leidenschaft und Effektivität – das zeichnete die Kölner gegen Leverkusen aus.

„Die Jungs haben mich überragend bedient“, sagte Matchwinner Selke, „ich glaube, wir haben mit einer extrem hohen Qualität gespielt. Es war eine sehr schwierige Aufgabe, die wir sehr gut gelöst haben.“

Die Startformation war gegenüber der Freiburg-Partie (0:1) leicht verändert. Weil Eric Martel gesperrt war, rückte Dejan Ljubicic an die Seite Ellyes Skhiris, um die Mittelfeldzentrale zu stärken. Dafür wurde seine Position auf der rechten Seite frei, die Jan Thielmann besetzte. Das Kölner Eigengewächs stand erstmals seit vergangenem September wieder in der ersten Elf, nachdem er sich zuletzt nach einer Viruserkrankung und Muskelverletzungen eindrucksvoll zurückgekämpft hatte.

Doch Thielmann und seine Kollegen hatten zunächst einige Mühe. Bayer zog gleich sein imposantes Tempospiel auf, setzte die Gäste unter Druck. Die sofort einige brenzlige Situationen zu überstehen hatten. Das taten sie und schlugen eiskalt zurück. Florian Kainz’ Flanke von rechts mit links landete wie an der Schnur gezogen auf dem Kopf von Davie Selke, der sich im Rücken von Jonathan Tah weggestohlen hatte, und der Ball unhaltbar für Bayer-Torhüter Lukas Hradecky platziert im linken unteren Eck (14.). Die Leverkusener zeigten sich kurz irritiert. Kainz hatte die nächste Chance, doch sein Schuss aus guter Position im Strafraum zischte deutlich drüber (18.).

Doch gerade als die Baumgart-Elf den Eindruck erweckte, mit Sicherheit und Kompaktheit den Gegner weniger Spielraum zu geben, schlug dieser eiskalt zu. Einen Konter über den pfeilschnellen Moussa Diaby, dessen Lieferservice an die Adresse Amine Adlis ging, nutzte dieser zum Ausgleich (28.). Es war das typische Bayer-Spiel: Keine 14 Sekunden vom Ballgewinn an der eigenen Grundlinie vergingen bis zum Treffer.

 Match-Gewinner Davie Selke.

Match-Gewinner Davie Selke.

Foto: dpa/Marius Becker

Nun sahen sich die Kölner vehementen Angriffen der Werkself ausgesetzt, verloren zu viele Zweikämpfe im Mittelfeld, doch noch hielt die letzte Abwehrkette dicht. Nur selten gab es Entlastung. Doch wenn der Kölner Zug abging, geriet auch die Mannschaft von Trainer Xabi Alonso in Schwierigkeiten. Als Thielmann den Turbo auf der rechten Bahn einschaltete und den Ball fachgerecht in die Mitte servierte, war es erneut Selke, der sich auch seine zweite Chance nicht entgehen ließ (36.). Der frühere Weltklassespieler Alonso, Vater des jüngsten Leverkusener Erfolgs, setzte sich erstmal geschafft auf die Bank. Der erneute Gegentreffer hinterließ auch bei seiner Mannschaft Wirkung, die sich schütteln musste. Um dann durch Tah nach einem langgezogenen Freistoß unverhofft doch noch zu einer Chance zu kommen. Doch der unplatzierte Kopfball des Abwehrchefs aus kurzer Distanz wurde zu einer sicheren Beute für Marvin Schwäbe im Kölner Kasten (45.+1).

Neben dem Sport hatte für Baumgart noch ein weiterer Aspekt Gewicht: „Wir brauchen ein friedliches, schönes Nachbarschaftsduell oder Derby, wie wir es auch nennen“, sagte er. „Die Sachen, die auszumachen sind, sind auf dem Platz auszumachen.“ Und die Fans hielten sich an den Wunsch. Trotz der Verlegung hatten 7000 Kölner Anhänger ihre Mannschaft an die Dhünn begleitet. Die Begrüßung der zweiten Hälfte aus dem Gäste-Fanblock jedoch hatte dem Kölner Trainer wahrscheinlich nicht ganz gepasst. Eine Vielzahl von Tennisbällen flogen auf den nassen Rasen. Die gelben Bälle hinderten die Gäste aber nicht, sich weiterhin wohl zu fühlen beim Nachbarn. Sie hielten die Bayer-Elf von ihrem Tor fern und verlagerten das Spiel in deren Hälfte. Einen Volleyschuss von Kapitän Jonas Hector in seinem viertletzten Karrierespiel lenkte Hradecky gerade noch über die Latte (52.).

Die Leverkusener Waffe der Schnelligkeit blieb stumpf. Über längere Ballbesitzphasen behielt Köln die Kontrolle, Bayer mühte sich, stieß aber selten in die gefährlichen Räume vor. Der FC, wie so häufig, bot einen großen Kampf, wurde mal wieder zum Fightclub. Er hielt den Widerstand hoch, da das Alonso-Team nun seinerseits wieder den Druck deutlich erhöhte. Die Baumgart-Elf trat die Flucht nach hinten an, zog sich zurück, verdichtete die Räume. Wandelte auf einem schmalen Grat. Hielt aber stand.

Die Spannung stieg, es wurde hitziger. Eine Rudelbildung zog Gelbe Karten nach sich für Linton Maina, Jeff Chabot und Leverkusens Adli. Es war zum Schluss eine Kölner Abwehrschlacht. Doch große Bayer-Chancen blieben aus, lediglich Adam Hlozek kam frei zum Kopfball (89.). Auf der anderen Seite vergab Kingsley Schindler die Vorentscheidung (90.). Am Ende tanzten die Kölner vor ihren Fans, die alle Tennisbälle losgeworden waren. „Wir haben gegen eine gute Mannschaft nicht unverdient gewonnen“, fasste Baumgart zusammen.

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