Interview mit FC-Finanzboss Alexander Wehrle „Das Eigenkapital ist nahezu aufgebraucht“

Donaueschingen · Der 1. FC Köln blickt nicht nur sportlich auf eine durchwachsene Saison zurück. Auch wirtschaftlich standen die Kölner vor einer großen Herausforderung. Finanzboss Alexander Wehrle äußerte sich im Interview zur Kölner Zukunft, der Corona-Krise und den Ausbau-Plänen.

 FC-Finanzgeschäftsführer Alexander Wehrle im Interview.

FC-Finanzgeschäftsführer Alexander Wehrle im Interview.

Foto: Herbert Bucco

Der 1. FC Köln musste in der vergangenen Saison lange um den Klassenerhalt zittern. Die Corona-Pandemie hat aber auch wirtschaftliche Risse hinterlassen. Das schlägt sich auch in der aktuellen Kaderplanung nieder. Über Zukunftspläne, die wirtschaftliche Lage des FC und kommende Transfers sprach FC-Finanzboss Alexander Wehrle mit Simon Bartsch.

Herr Wehrle, eine traumhafte Landschaft, ein schickes Hotel, tolle Freizeit-Angebote – eigentlich perfekt für einen schönen Urlaub. Eigentlich...

Alexander Wehrle: Die Bedingungen hier sind in der Tat hoch professionell. Das Trainingsgelände ist top, die Hotelunterkunft ist ausgezeichnet – es kommt nicht von ungefähr, dass kommende Woche auch der FC Barcelona hierherkommt. Ich schaue alle Trainings. Aber von Urlaub kann bei all den Gesprächen, Terminen und Absprachen keine Rede sein. In so einer schönen Umgebung arbeitet es sich natürlich einfacher.

Wenn wir bei dem Bild des Spa-Resort bleiben: Hat auch der 1. FC Köln nach anderthalb Jahren Pandemie eine Entspannungskur nötig?

Wehrle: Es sind für den gesamten professionellen Sport weltweit weiterhin herausfordernde Zeiten. Wir haben Corona noch nicht hinter uns gebracht. Die Pandemie wird auch die kommende Spielzeit beeinflussen. Wir sind mit dem Gesundheitsamt wegen des ersten Heimspiels im Austausch. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir gegen Hertha BSC auf jeden Fall vor Zuschauern spielen werden.

Mehr als 60.000 Zuschauer bei der EM in Wembley. Die Hospitalisierung in England steigt gerade wieder extrem an, vermutlich auch wegen des Fußball-Turniers. Haben Sie Bauchweh bei dem Gedanken an Zuschauer?

Wehrle: Wir haben bereits letzten Sommer ein gutes Hygienekonzept beim Gesundheitsamt hinterlegt, das als tragfähig eingestuft wurde. Jetzt kommt noch die Möglichkeit der Impfung dazu. Ich bin schon der Auffassung, dass man mit dem erweiterten Konzept unter freiem Himmel über eine signifikante Teilöffnung sprechen kann. Vorausgesetzt die Nachvollziehbarkeit der Infektionskette ist gewährleistet. Wir planen nicht mit einer Vollauslastung, wir müssen aber Schritt für Schritt in eine neue Normalität gelangen. Ich denke, das muss mit den drei „G’s“ (genesen, geimpft, getestet – Anm. d. Red.) absolut möglich sein.

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Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Die Corona-Krise hat die Menschen vollkommen unvorbereitet getroffen. Die Bundesligisten natürlich auch. Wie schlimm stand es wirklich um den FC? Wie steht es aktuell um Köln?

Wehrle: Wir hatten von März 2020 bis Juni 2021 coronabedingt einen Umsatzverlust von 66 Millionen Euro. Natürlich haben wir versucht, durch gezielte Maßnahmen dagegen zu steuern. Das Eigenkapital, das wir in den vergangenen Jahren mühsam auf 38,6 Millionen Euro aufgebaut haben, ist nahezu aufgebraucht. Wir haben Maßnahmen getroffen, das zu stabilisieren. Zum Beispiel durch Genussrechte.

Wenn man sich diese Dimension vor Augen führt, stellt sich automatisch die Frage, wie dramatisch ein Abstieg gewesen wäre?

Wehrle: Der Abstieg hätte es sicher nicht einfacher gemacht. Natürlich kommt bei einem Abstieg durch den Verlust der TV-Einnahmen eine zusätzliche Herausforderung hinzu. Dabei verlierst du im Grunde drei Jahre Substanz. Das gepaart mit Corona wäre eine sehr große Herausforderung geworden. Das sieht man ja auch bei den Kollegen in Bremen oder Schalke. 

Die Pandemie hat gezeigt, wie fragil auch das Fußballgeschäft ist. Was können die Bundesligisten, die DFL aus der Krise lernen? Muss man sich vorsichtiger aufstellen?

Wehrle: Es brechen ja nicht nur die Zuschauereinnahmen weg. Es gehen damit auch Verluste im Bereich Sponsoring, Merchandising, Catering, Events einher. Das fällt auf einmal alles weg. Wenn von heute auf morgen ein Großteil deines Tagesgeschäfts fehlt, dann kannst du das nicht einfach kompensieren. Man darf nicht vergessen, dass vor der Pandemie, am 31.12.2019, alle Bundesligisten ein positives Eigenkapital hatten. Das zeichnet Deutschland aus. Man muss nur mal nach Italien oder Spanien schauen. Unsere Vereine haben solide gewirtschaftet. Wenn du von deinen originären Einnahmen abhängig bist, dann trifft dich eine Krise besonders hart.

Die finanzielle Situation hat auch Auswirkung auf den Kader. Durch den Verkauf von Ismail Jakobs und Sebastiaan Bornauw hat der FC viel Geld eingenommen. Möglicherweise kommen bei einem Verkauf von Ellyes Skhiri weitere Millionen dazu. In der Wahrnehmung einiger Fans müsste doch frisches Geld für neue Spieler da sein. Wie sieht die Realität aus?

Wehrle: Wir haben schon vier Spieler verpflichtet. Vier Spieler, die ablösefrei waren und für uns Verstärkungen sind. Wir haben auch in den letzten Jahren immer Transfereinnahmen erzielt und werden das auch in Zukunft tun. Diese Einnahmen benötigen wir aktuell an anderen Stellen. Das heißt aber nicht, dass wir handlungsunfähig sind. Wir müssen situativ entscheiden, welche Positionen wir besetzen müssen, ob wir ablösefreie Spieler bekommen oder eine kleine Ablöse bezahlen können.

Welche Positionen sind das?

Wehrle: Wir sind sicherlich im Angriff noch in der Findungsphase und in der Verteidigung werden wir etwas tun.

Die Marschroute „Leihe und ablösefreie Spieler“ wird den FC vermutlich noch ein wenig begleiten. Kann ein Kader in diesem Konstrukt überhaupt bundesligatauglich sein?

Wehrle: Ich glaube schon, dass wir einen bundesligatauglichen Kader haben. Davon unabhängig werden wir schauen, ob wir noch die ein oder andere Verpflichtungen tätigen.

Das Präsidium sprach kürzlich als mittelfristiges Ziel von einem Top-Ten-Platz. Man wolle weg vom Fahrstuhl-Image. Was hat der Verein mit dem Sieben-Jahres-Plan konkret vor?

Wehrle: Die coronabedingten Ausfälle hängen uns nach. Wir stehen in den kommenden beiden Jahren vor wirtschaftlichen Herausforderungen. Und natürlich wollen wir uns in der Bundesliga etablieren. Wir wollen über eine Erweiterung unserer Geschäftsmodelle und durch Veränderungen unserer strategischen Positionierung sukzessive den Umsatz steigern, dadurch den Kaderwert steigern und wettbewerbsfähig bleiben. Das heißt, wir wollen mittelfristig nicht mehr mit der Zielsetzung „Klassenerhalt“ in die Saison starten. In den kommenden beiden Jahren geht es aber genau darum.

In diesem Zusammenhang wird oft von einer Internationalisierung gesprochen. Der japanische Markt soll erobert werden.

Wehrle: Wir haben Japan als Zielmarkt, aber auch die USA und Südkorea. Wir bereiten in diesen Fällen eine Markteintrittsstrategie mit verschiedenen Maßnahmen vor. Da ist eine Clubkooperation eine Möglichkeit. Wir wollen unsere Bekanntheit durch Social-Media-Aktivitäten steigern. Unsere Doku 24/7 FC zum Beispiel haben wir in Japan distribuiert. Wir wollen uns dort positionieren.

Die finanzielle Lage ist die eine Baustelle. Es gibt weitere. Die Ausbaupläne des Geißbockheims. Warum ist der Ausbau für den FC aktuell so essenziell?

Wehrle: Wir sind in der Infrastruktur einfach nicht wettbewerbsfähig. Deshalb arbeiten wir seit mittlerweile sechs Jahren daran, ein Leistungszentrum an einem Standort für Profis und Nachwuchs aufzubauen. Ein Teil unseres Konzepts ist die Integration von Nachwuchsspielern. In diesem Bereich haben wir uns in den letzten Jahren stark entwickelt. Wir sehen die aktuellen Talente, von denen sicher der ein oder andere den Sprung in den Profifußball schaffen kann. Wir müssen nur die Clubs um uns herum anschauen. Dortmund, Schalke, Leverkusen oder auch Gladbach verfügen alle über bessere Bedingungen. Daher unser dringender Appell an die Politik. Aber: Wir haben eine Baugenehmigung, sind jetzt in einem Normen-Kontroll-Verfahren, weil Umweltverbände Klage eingereicht haben. Wir hoffen auf eine Entscheidung des OLGs spätestens im Frühjahr nächsten Jahres.

In Bezug auf die fehlende Pacht für die Gleueler Wiesen wirft Ihnen ein Teil der Politik eine gewisse Naivität vor. Was entgegnen Sie?

Wehrle: Der Pachtvertrag ist im städtebaulichen Vertrag verankert. Wir haben diesen Vertrag gemeinsam mit der Verwaltung vor der Ratsentscheidung unterschrieben. Mit Ratsentscheidung soll der Pachtvertrag umgesetzt werden. Wir als Verein hätten den Vertrag gar nicht in den Rat geben dürfen. Das darf nur die Verwaltung. Die hat uns gesagt, dass das mit dem städtebaulichen Vertrag abgedeckt ist. Dieser Empfehlung sind wir gefolgt. Ich bin zuversichtlich, dass die Parteien im Rat zustimmen, wenn die Klage aus unserer Sicht positiv entschieden wird.

Es soll ja noch mehr gebaut werden. Das Stadion soll ausgebaut werden. Wie sehen da die Pläne aus? Wie konkret sind sie?

Wehrle: Grundsätzlich dürfen wir laut zweiter Machbarkeitsstudie das Stadion auf 75.000 Plätze ausbauen. Es gibt aber Fragen, wie ein gesellschaftsrechtliches Konstrukt aussehen könnte. Es gibt aber auch einige planungstechnische Fragestellungen. Das Thema ist aufgrund der Pandemie aktuell kein Thema. Im Rahmen unserer Strategie spielt der mögliche Stadionausbau eine Rolle. Es ist aus meiner Sicht auch unsere Pflicht, das zu prüfen. Wir haben 25.500 Dauerkarteninhaber und von unseren 113.000 Mitgliedern sind 16.000 auf einer Warteliste. Es ist unsere Pflicht, dieses Vorhaben voranzutreiben. Bis zur EM 2024 mit Köln als Austragungsort passiert da aber ohnehin nichts.

Zum Sportlichen: Steffen Baumgart „is on fire“ heißt es in sozialen Medien. Bei den Fans ist der Trainer bereits der Held. Die Stimmung in der Mannschaft hat sich auch verändert. Hat Sie der Trainer auch schon euphorisiert?

Wehrle: Vom ersten Gespräch bis heute macht er einen positiven, einen sehr authentischen Eindruck. Er ist immer bei 100 Prozent Energie. Er ist nicht nur ein lebensbejahender Mensch, sondern auch ein Typ, der voller Energie die Mannschaft erreicht. Die Stimmung ist extrem positiv. Man nimmt ihm einfach ab, was er vermittelt. Der erste Eindruck hat sich bestätigt. Er ist anfassbar, bodenständig und voller Energie. Er kommt bei den Fans so gut an, weil er ist, wie er ist. Eben authentisch.

Sie sind lange genug in Köln, Sie wissen, dass die Stadt sehr launisch ist. Die Stimmung kann schnell kippen.

Wehrle: Am Ende sind wir im Profigeschäft unterwegs. Natürlich zählen da auch Ergebnisse. Unabhängig davon ist in Köln ein Trainer angekommen, der die totale Rückendeckung hat. Nicht nur im Verein sondern auch bei den Fans. Es wird auch schwere Phasen geben, die gibt es bei jedem Verein. Da hilft die positive Grundstimmung.

Sie sprechen vom Profigeschäft. Dazu gehörte auch die Beurlaubung von Horst Heldt. Wie sehr hat Sie die Entscheidung persönlich getroffen?

Wehrle: Ich habe gut mit Horst Heldt zusammengearbeitet. Aber letztendlich gilt es, die Entscheidung zu respektieren und auch in einer neuen Konstellation das Beste für den Verein rauszuholen.

In der Außenwirkung hatte man den Eindruck, dass das Verhältnis zwischen Ihnen und dem Präsidium unter der Trennung sehr gelitten hätte.

Wehrle: Nein, sie hat nicht gelitten. Es war aber die Entscheidung des Präsidiums, die ich respektiere und mitgehe. Ich bin angestellt beim 1. FC Köln. Wir arbeiten sehr intensiv und gut zusammen. Für mich geht es immer darum, das Beste für den Verein herauszuholen.

Wo wir eben schon beim Sieben-Jahres-Plan waren. Wie sieht Ihrer aus? Man munkelt bei der DFL wird ein Posten frei.

Wehrle: Ich wüsste auch gern, wo ich in sieben Jahren sein werde. Ich habe ja schon gesagt, dass ich nicht Nachfolger von Christian Seifert werde. Ich habe Vertrag bis 2023. Dann bin ich 20 Jahre im Fußball. Der Fußball ist so schnelllebig. Alles andere werden wir nach 2023 sehen.

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