Spieler geben sich kämpferisch Noch ist für den 1. FC Köln nichts verloren

Köln · Die Niederlage im Relegations-Hinspiel hat den 1. FC Köln hart getroffen, die Nerven lagen, etwa bei Kapitän Jonas Hector, blank. Dennoch herrscht Zuversicht. Trainer Friedhelm Funkel und seine Spieler geben sich vor dem Rückspiel kämpferisch.

 Jonas Hector verlässt bedient das Feld. Dementsprechend fiel auch sein Interview nach der Partie gegen Kiel aus.

Jonas Hector verlässt bedient das Feld. Dementsprechend fiel auch sein Interview nach der Partie gegen Kiel aus.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Derart rasch wie der zutiefst getroffene Kapitän zunächst den Rasen des Kölner Stadions verließ, um in die Kabine zu stapfen, derart geräuscharm und prompt zogen die Fans draußen vor dem Stadion ihrer Wege. Die brodelnde, explosive, krawallartige Stimmung an der Jahnwiese, die am Samstag am letzten Bundesliga-Spieltag noch geherrscht hatte, schlug um. In beängstigende Stille, nur unterbrochen von vereinzelten Böllern. Keine Flaschenwürfe auf Polizeibeamte, keine Jagdszenen, lediglich einige gezündete Bengalos der Anhänger. Es blieb friedlich am Mittwoch. Tausende Fans, die sich zur Unterstützung des 1. FC Köln vor dem WM-Stadion von 2006 versammelt hatten, sie verharrten in der Stille der Gefühle. Die Ernüchterung war greifbar, ja, die Fassungslosigkeit nach einem Spiel, das aus ihrer Sicht den falschen Sieger fand: Holstein Kiel.

Das empfand auch Jonas Hector so, der leidenschaftliche Kölner Anführer. Das 0:1 im Hinspiel der Relegation hatte auch oder gerade ihn, der dem Verein seit mehr als zehn Jahren treu dient und schon einmal mit ihm in die 2. Bundesliga marschiert war, doch arg mitgenommen. Zumindest ein Remis reklamierte er für sein Team. Dass jedoch selbst dieses Ergebnis gegen einen am Mittwoch zwar kämpferischen, aber nach vorn zurückhaltenden Gegner, der den Kölnern mit seiner Effektivität arg zusetzte, womöglich zu wenig gewesen hätte sein können, ahnte wohl auch Hector. Zurück auf dem Rasen jedenfalls hatte er einen Tag vor seinem 31. Geburtstag seine gewohnte Ausgeglichenheit offenbar im Kabinenspind zurückgelassen.

Nun lässt sich trefflich darüber streiten, ob seine Äußerungen gegenüber einem TV-Journalisten respektlos daherkamen, oder ob sie sich mit außergewöhnlichen Umständen im brutalen Abnutzungskampf um den Klassenerhalt entschuldigen lassen. Das Richterurteil sieht in diesem Fall jedenfalls keinen Anspruch auf Entschädigung vor. Selbst wenn die Antworten Hectors doch sehr ehrverletzend wirkten.

„Lassen Sie doch einmal Dampf ab…“, hatte der Fernsehmann den früheren Nationalspieler, immer noch in Rage, aufgefordert. „Was soll ich denn jetzt hier Dampf ablassen?“, fragte der Sportler angriffslustig zurück. Und kam wie ein Zyklon daher. „Wie leer fühlen Sie sich?“ – „Immer diese Sch…fragen.“ Hector rieb sich nicht nur 90 Minuten auf dem Platz auf, sondern ebenfalls danach. „Es ist ja ihr Job, dumme Fragen zu stellen. Das machen sie gut.“ Und, nein: Leer sei er nicht. „Ich habe gerade 90 Minuten gespielt und bin enttäuscht, dass wir verloren haben. Wir haben aber am Samstag die Möglichkeit, das besser zu machen und das Ding zu drehen.“

Vermeintlichen Vorteil aus der Hand gegeben

Das Ding drehen – klingt einfacher, als es wohl werden wird am Samstag (18 Uhr/Dazn) an der Ostsee. Denn die Kölner haben einen vermeintlichen Vorteil aus der Hand gegeben, von dem anzunehmen war, er könnte sie durch die Relegation tragen. Auf der einen Seite neue Energie und Schwung nach dem glücklichen Erreichen der Entscheidungsspiele, auf der anderen Ernüchterung und Hadern nach dem greifbaren direkten Aufstieg in die Erstklassigkeit. Dachte man. Tatsächlich verschoben sich die Voraussetzungen innerhalb der 90 Minuten, weil Köln zwar sehr dominant auftrat, es letztlich aber an Entschlossenheit, Inspiration und Durchsetzungsvermögen vermissen ließ. Einige Chancen gab es natürlich, eigene Standardsituationen so viele wie Züge beim Schnellschach.

Gefühlt habe man 15 Standardsituationen gehabt und „das Tor nicht getroffen“, sagte Ondrej Duda, der technisch eindrucksvoll und gewohnt emsig unterwegs war, es an Schärfe und Umsicht aber vermissen ließ. „Wir haben schon Druck gemacht, aber das Tor nicht getroffen. Jedes Tor ist wichtig. Kiel hat getroffen. Es ist aber noch nicht vorbei. Und es ist nicht unmöglich. Wir haben definitiv mehr Qualität als die Kieler.“ Jene Kieler, die sich zwar nur selten vor das Tor von FC-Keeper Timo Horn wagten, im entscheidenden Moment jedoch mit großer Entschlossenheit durch Simon Lorenz per Kopf zur Stelle waren (59.) – 20 Sekunden nach dessen Einwechslung.

Funkel nahm Niederlage mit Gelassenheit

Eine Entschlossenheit, die dem FC vor dem gegnerischen Tor schlicht fehlte – und die gesamte Saison über schon gefehlt hat. Hector, den Linksverteidiger, den zentralen Mittelfeldmann, beorderte Trainer Friedhelm Funkel in die Sturmspitze, in Ermangelung eines geeigneten und fitten Angreifers. Die Startformation mit einer völlig improvisierten Offensive prallte an den Kielern ab. Mit zunehmender Spielzeit ließ die die Gäste sogar kalt. Nicht nur, dass die von Funkel geforderte Null hinten nicht hielt, weil eine absehbare Standardsituation zum Gegentor führte. Auch einige unglückliche Entscheidungen von Schiedsrichter Felix Zwayer verhinderten zudem, dass die Kölner vorn erfolgreich waren. Dabei sind sie gerade in der Disziplin Standardsituationen offensiv nicht einmal schlecht aufgestellt. Nicht weniger als 41 Prozent ihrer Treffer in der Liga erzielte die Mannschaft nach Ecken oder Freistößen.

Funkel, der am Samstag zu seinem letzten Karrierespiel im gehobenen Fußball antritt, nahm die Niederlage – anders als sein Kapitän – dennoch mit der Gelassenheit eines alten Seemanns, der schon mit dem Floß die Ozeane überquerte. Das Ergebnis von Mittwoch könne ihn „weder schocken noch zufriedenstellen“, betonte der 67-Jährige.

Er wirkte ruhig, als befinde er sich im Auge des Zyklons. „Wir haben jetzt erst Halbzeit, es ist noch nichts entschieden.“ Und eines hatte er ja immer schon prophezeit. „Die Entscheidung wird in Kiel fallen.“ Gesicherte Ergebnisse seiner inneren Einkehr im Hinblick auf die Herangehensweise in Kiel liegen noch nicht vor, doch an einem lässt der erfahrene Trainer keine Zweifel: „Die Qualität und die Möglichkeiten haben wir.“

Trotz einer unscheinbaren Offensive. Aber vielleicht rutscht ja doch mal wieder ein Ball nach einer Standardsituation rein. Diesmal vorn.