Der Offensivspieler kam als erster Neuzugang Linton Maina will sich beim 1. FC Köln verändern
Köln · Nicht immer hat die Einstellung von Linton Maina bei Hannover 96 in den vergangenen Jahren gestimmt – beim 1. FC Köln will er das nun ändern
Der Spaß hatte nicht gelitten beim Kölner Morgentraining auf den Plätzen 6/7 an der Franz-Kremer-Allee. Auch bei Anthony Modeste, der nach intensiver Arbeit mal wieder den typischen Modeste gab. „Du mit deinen 18“, sagte der Franzose mit gespieltem Ernst in Richtung Luca Kilian und forderte den zwölf Jahre jüngeren Kollegen indirekt auf, die kleine Golfkarre zu verlassen, die nicht viel Platz bietet, um die Kölner Spieler oder Trainer nach getaner Arbeit zurück zu den Kabinen zu fahren. Kilian gehorchte, natürlich. Er stieg aus. Und machte Modeste Platz, der mit seinen 34 Lenzen ja schon zum Ältestenrat unter den spielenden Angestellten beim 1. FC Köln zählt. Während also Modeste und seine müden „Golfkollegen“ davonzuckelten, musste ein weiterer Mitstreiter noch ein wenig warten mit der Dusche: Linton Maina.
Als er am Dienstag davon sprach, mit welchen Ideen, Überzeugungen und Zielen er nach Köln gekommen war, strahlte der Sprint-Stürmer ein einnehmendes Modeste-Strahlen. Ein Sonnyboy wie er, der erfolgreiche Torjäger. Wenn man da etwas hineininterpretieren möchte, ließe sich behaupten, sein Wechsel von Hannover nach Köln hat eine befreiende Wirkung. Denn Maina, den der FC im Mai als seinen ersten Neuzugängen präsentiert hatte, kommt aus einer sportlichen Phase, die eher das Zeug hat, einen sauertöpfischen Eindruck zu hinterlassen. Seine Leistung bei den 96ern hatte stagniert in den vergangenen beiden Jahren („die waren nicht so erfolgreich“), dabei war seine Karriere zuvor doch geradlinig bergauf gegangen. Der pfeilschnelle Stürmer, der auf den Flügeln seinen natürlichen Lebensraum hat, aber auch Ausflügen in das Strafraum-Biotop nicht abgeneigt ist, durchlief sämtliche Jugendnationalmannschaften. Nur in der U21 musste er auf Einsätze verzichten, weil „ich fünf Mal verletzungsbedingt absagen musste“. Eine steile Profikarriere schien vorgezeichnet.
Doch Hannover schien sich zu einer Sackgasse zu entwickeln, in der er nun versucht, zunächst im Rückwärtsgang einen Weg auf die Autobahn zu finden, um dann, seinen Pferdestärken entsprechend, das Gaspedal bis zum Anschlag durchzudrücken. So hat sich das der 23-Jährige vorgestellt, und es scheint, als sehe auch Baumgart in ihm derart viel Potenzial, dass er ihm eine Laufbahn im gehobenen Bundes-
liga-Dienst zutraut. Maina kommt ja auch seinem gesuchten Spielertypen sehr nach, der über viel Tempo und eine sehr ansprechende Technik verfügt. Der gebürtige Berliner, aufgewachsen am Prenzlauer Berg, Vater Kenianer, Mutter Deutsche, führt selbst „Tiefenläufe, Schnelligkeit und Dribbling“, als seine Vorzüge an. Alles Zutaten auf dem an Spielern dieser Prägung armen Markt, die für einen rascheren Einstieg in die höchste deutsche Spielklasse sprechen. Eine Qualität, die Maina mitbringt, die er zwar auch in Hannover abzurufen vermochte, zuletzt aber eben nur sporadisch. Die Fehler jedoch ausschließlich bei anderen zu suchen, entspricht nicht der Art des Neuen. Er selbst, das gibt er zu, „hatte auch nicht die richtige Einstellung“.
Er hatte sich festgerannt in einem Umfeld, in dem er sich offenbar auf weichen Kissen etwas zu gemütlich eingerichtet hatte. Nun will er diese Talente nach der „Umstellung“ nach Köln wieder freilegen, indem er seine „Komfortzone“ verlässt. „Ich wollte diesen Schritt machen und sehen, was ich noch kann.“ Dabei ist er ja erst 23. Lernfähig und -willig. Selbst die mitunter recht derbe Ansprache Baumgarts in Training und Spiel schreckte ihn nicht von der Herausforderung Köln ab. „Ohren zu und durch“ lautet also das Motto? Mitnichten. Maina hört genau hin, wenn Baumgart, der „eine sehr große Rolle“ bei seinem Wechsel spielte, seine Einsichten vom Spiel und Einstellung an seine sportlichen Schutzbefohlenen weitergibt. „Er ist jemand, der dir die Wahrheit ins Gesicht sagt, dir das sagt, was er denkt“, sagt Maina. „Aber komplett positiv.“
Diese klaren Ansagen hatte er bei den 96ern, bedingt auch durch viele wechselnde Trainer, nicht immer vorgefunden. In Köln muss er darauf nicht verzichten. Eine Gratis-Dröhnung Baumgarts ist in seinem Vertrag beim FC, der bis 2025 läuft, quasi inbegriffen. Schon nach der Trainingseinheit am Dienstag, bei der Baumgart ein knackiges „Bist du besoffen?“ über den Platz schmetterte (Adressat nicht bekannt), wusste der Neuzugang um diesen Umstand. Das eine oder andere Mal sei es „ein bisschen lauter“ geworden, da ist „auch mein Name gefallen“, erzählte er. Und lächelte. „Aber ich glaube, das ist das, was ich brauche. Man merkt, dass er helfen will, auch wenn er lauter wird. Das kommt sofort an. Ich freue mich auf das, was noch kommt. Auch wenn es ein bisschen lauter wird.“
Maina ist also festen Willens, die berühmte Kurve kriegen zu wollen. Bei seinem bislang letzten Einsatz in der 2. Liga verabschiedete er sich mit zwei Treffern gegen Ingolstadt aus Hannover. Dass es nicht bei dieser Ausbeute (insgesamt sechs Saisontreffer) bleibt und eine Klasse höher weiter aufwärtsgeht, daran wird wohl auch Baumgart einen großen Anteil aufweisen müssen. Der Ruf des Bessermachers eilt ihm ja spätestens seit seinem Engagement in Köln voraus. Auch die fördernde und fordernde Art des Trainers hat Maina nach Köln geleitet. Bei seinen Beobachtungen des FC hat ihn „das Engagement draußen von ihm“ beeindruckt und generell, wie die Mannschaft aufgetreten sei. „Da hat man Bock, mitzumachen.“
Die Lust auf das Neue, die war bei Maina am Dienstag jedenfalls spürbar. Und auch am Gespür für die richtigen Worte an das Kölner Umfeld scheint es bei ihm nicht zu mangeln. „Für das Wappen, das ich auf der Brust trage, für das zerreiße ich mich auch“, sagte er mit einem Anflug von Pathos. Einem Neuanfang in Köln steht so nichts mehr im Weg.