Interview mit Michael Sandmann "Wir dürfen nicht kapitulieren"

köln · Michael Sandmann, Vorsitzender des FC-Fanprojekts, hofft auf die Kölner Anhänger. Der Fall Kevin Pezzoni hat die Anhänger des Fußball-Zweitligisten 1. FC Köln ein weiteres Mal in Misskredit gebracht. Sandmann spricht über den Verein, die Fans und die Möglichkeiten, die Gewalt einzudämmen.

 Begeisterung ja, Krawalle nein: Die FC-Fans stehen nach vielen negativen Vorkommnissen in einer besonderen Verantwortung.

Begeisterung ja, Krawalle nein: Die FC-Fans stehen nach vielen negativen Vorkommnissen in einer besonderen Verantwortung.

Foto: dpa

Herr Sandmann, macht es in diesen Tagen überhaupt noch Freude, Anhänger des 1. FC Köln zu sein?
Michael Sandmann: Es macht trotz der ganzen Turbulenzen natürlich noch Spaß, für den FC zu arbeiten. Ich liebe es, Fan zu sein.

Werden sich die Fans am kommenden Montag in der Partie gegen St. Pauli gegen Gewalt positionieren?
Sandmann: Es gibt den Wunsch, Flagge zu zeigen, und mehrere Fanclubs haben bereits angekündigt, durch Banner oder Plakate ihr Unverständnis gegenüber den Aktionen gegen Kevin Pezzoni zum Ausdruck zu bringen. Die überwiegend friedlichen Anhänger werden ihre Meinung kundtun.

Können oder müssen die friedlichen Fans nicht mehr auf die Krawallmacher einwirken? Oder ist vielleicht die Angst zu groß, die Stimme zu erheben?
Sandmann: Wir dürfen nicht kapitulieren. Wir versuchen in Gesprächen, Fans und Fangruppen zu erreichen und darauf einzuwirken, dass diese Kontakt zu denjenigen suchen, die sich daneben benehmen. Wir versuchen immer wieder, unsere Mitglieder dafür zu sensibilisieren. Über jeden Täter, der ermittelt wird, sind wir froh. Wir als Fanprojekt und die uns angeschlossenen Mitglieder lehnen jegliche Gewalt natürlich in schärfster Form ab.

Die derzeitige Situation ist für die Verantwortlichen im Fanprojekt nicht einfach...
Sandmann: Jeder hat seine persönliche Liebes- und Leidensgeschichte zum FC. Es ist für uns als Dachverband schwierig, die richtige Position zu finden, weil Sachverhalte von den Fans von allen Seiten beleuchtet werden. Wir müssen das Ganze differenziert betrachten, uns viele unterschiedliche Meinungen anhören, aber gleichzeitig, wie im Fall Pezzoni, eine klare Position beziehen.

Sind die Fans in Köln besonders gewalttätig, wie dies auch überregional in vielen Medien behauptet wird?
Sandmann: Ich bin der Überzeugung, dass dies kein spezielles Kölner Problem ist. Wir haben natürlich einen speziellen Rahmen. Wir sind ein großer Verein, der intensiv verfolgt wird, aber seit 25 Jahren keine großen sportlichen Schlagzeilen mehr schreibt. Natürlich passieren viele negative Dinge, die ich nicht gutheißen kann. Wenn man aber beispielsweise an Dortmund denkt, dann sieht man einen charismatischen Trainer Jürgen Klopp, eine toll aufspielende Truppe und ein schwarz-gelbes Fahnenmeer. Aber niemand denkt an die vielen Stadionverbote und anderen Vorfälle, die es beim BVB gibt.

Hat sich in der Zusammenarbeit mit dem neuen Vorstand etwas verändert?
Sandmann: Alter und neuer Vorstand - dass sind zwei Welten. Präsident Werner Spinner und seine Kollegen haben sich sofort in das Thema Fans reingefuchst. Sie suchen den Kontakt, und der Austausch mit den Fans klappt prima.

Bei all den schlechten Schlagzeilen läuft es sportlich auch nicht gerade erfolgreich...
Sandmann: Der Wunsch nach Veränderungen ist nach all den Enttäuschungen in den letzten Jahren groß gewesen. Das Motto vieler Anhänger war: Fangt neu an, seid ehrlich und offen. Dafür zahlt man natürlich einen gewissen Preis. Die Transferpolitik hatte einen charmanten Ansatz, weil sie glaubwürdig war. Wir haben uns eine Mannschaft gewünscht, die zusammensteht und kämpft, und wir haben eine neue Gesprächskultur innerhalb des Vereins. Das gefällt mir sehr, sehr gut. Aber natürlich zählt unter dem Strich der sportliche Erfolg. Deshalb hoffe ich, dass der extreme Richtungswechsel im Verein belohnt wird.

FC-Fanprojekt

Das am 31. Oktober 1991 gegründete Fan-Projekt des 1. FC Köln ist mit knapp 8000 Mitgliedern eine der größten Fanorganisationen Deutschlands, ist rechtlich selbstständig und hat zum Ziel, Fans des FC zu organisieren und zu betreuen. Zahlreiche Fanclubs des 1. FC Köln sind dem Fanprojekt, das die Mitglieder in allen Fragen berät und beispielsweise auch Auswärtsfahrten organisiert, angeschlossen.

Das Fan-Projekt ist für alle Fans offen. Ziel ist laut Paragraf 2 der Satzung auch, die Gewaltbereitschaft der Jugendlichen im Stadion durch Arbeit und Aufgaben im Fan-Projekt abzubauen.

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