Mercedes-Reifenzoff geht weiter - Verhandlung wohl Juni

Montréal · Im undurchsichtigen und hochpolitischen Reifenzoff um Mercedes und Pirelli könnte bald Klarheit herrschen. Nach Informationen von "auto, motor und sport" wird der Fall der umstrittenen Testfahrten der Silberpfeile noch vor dem Großen Preis von Großbritannien verhandelt.

 Der Streit um den Reifentest hält weiter an. Foto: Jens Büttner

Der Streit um den Reifentest hält weiter an. Foto: Jens Büttner

Foto: DPA

Das Fachmagazin berichtete am Freitag in seiner Online-Ausgabe, das Internationale Tribunal des Automobil-Weltverbandes FIA befasse sich mit der brisanten Causa am 20. Juni und damit zehn Tage vor dem Formel-1-Rennen in Silverstone.

Mercedes hat sich indes in Montréal gegen neue Vorwürfe gewehrt. Berichte, wonach FIA-Rennleiter Charlie Whiting dem deutschen Team keine schriftliche Erlaubnis für die Probefahrten gegeben habe, seien irrelevant, betonte der Rennstall. Die FIA habe den Test zugesagt, wenn alle anderen Teams auch eine solche Gelegenheit bekommen würden. Zugleich sagte ein Mercedes-Sprecher der Nachrichtenagentur dpa, es habe sich bei den Übungsrunden vom 15. bis 17. Mai in Barcelona um "einen privaten und keinen geheimen Test" gehandelt.

Meldungen, wonach die Mercedes-Stammpiloten Nico Rosberg und Lewis Hamilton in Spanien mit schwarzen Helmen und nicht mit ihrem bekannten Kopfschutz gefahren seien, bestätigte Mercedes indes. Dies sei geschehen, um die Fahrer "vor der Öffentlichkeit zu schützen".

Der erst am Freitag auf dem Circuit Gilles Villeneuve eingetroffene Motorsportchef Toto Wolff ergänzte: "Wir hatten keine Security und keine Presseleute vor Ort und wollten nicht, dass die Fans die Strecke stürmen." Wolff versicherte: "Wenn wir etwas hätten verschleiern wollen, hätten unsere Leute keine Teamkleidung tragen dürfen und wir hätten mit neutralen Trucks anrücken müssen."

FIA-Präsident Jean Todt hatte am Mittwochabend den Fall Mercedes/Pirelli zur Klärung an das Internationale Tribunal des Verbands weitergereicht. "Mercedes wird alles vor dem FIA-Tribunal offen und transparent erklären", sagte der Teamsprecher der dpa.

Im Fahrerlager sorgt das Reizthema weiterhin für kontroverse Debatten. Dreifach-Weltmeister Sebastian Vettel wirft Mercedes und Pirelli "illegales" Verhalten vor, hält sich aber mit Forderungen nach einer Bestrafung zurück. "Ich bin nicht der, der darüber entscheiden muss. Aber der Regelbruch ist eindeutig", sagte der Red-Bull-Pilot. Sauber-Kollege Nico Hülkenberg pflichtete bei: "Das Tribunal schaut sich das zurecht an."

Die FIA gab inzwischen ein paar, allerdings sehr allgemeine, Informationen zum Verlauf der Verhandlung und zu möglichen Strafen. Der Präsident des zwölfköpfigen Internationalen Tribunals benennt eine Jury, die mindestens drei Mitglieder umfasst. Nach der Anhörung von Mercedes und Pirelli teilt der Vorsitzende dieser Kammer mit, wann die Entscheidung bekanntgegeben wird.

Als mögliche Strafen nannte die FIA in Montréal Geldbußen, Sperren oder weitere Maßnahmen laut Artikel 153 des Internationalen Sportgesetzes. Dazu zählen beispielsweise Punktabzüge oder Verwarnungen. Rosberg rechnet aber nicht damit, dass ihm sein Sieg von Monte Carlo aberkannt werden könnte: "So weit ich weiß, hat das Monaco-Rennen damit nichts zu tun."

Selbst Vettel ist trotz aller Empörung gegen eine Bestrafung Rosbergs. "Es wäre absolut falsch, Nico den Sieg abzuerkennen", sagte der WM-Spitzenreiter aus Heppenheim. Ganz andere Töne schlug er bezüglich Pirelli und Mercedes an: "In den Regeln steht eindeutig, dass man während der Saison nicht mit dem aktuellen Auto testen darf. Mercedes hat das getan, das ist illegal."

Vor allem Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko forderte vehement Sanktionen. Ob und wie die FIA den deutschen Rennstall und den italienischen Reifenlieferanten wegen des dreitägigen Tests über insgesamt 1000 Kilometer mit den beiden Silberpfeil-Stammpiloten Rosberg und Lewis Hamilton bestrafen wird, ist indes offen.

Pirelli ist als alleiniger Reifen-Ausstatter in einer starken Position und Mercedes hat ebenfalls Druckmittel in der Hand. So droht der Daimler-Konzern mit einem Ausstieg aus der Königsklasse, sollte Formel-1-Boss Bernie Ecclestone in seiner Bestechungsaffäre mit dem ehemaligen BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky verurteilt werden. Zudem ist Mercedes als Motorenlieferant von Williams und Force India in der kommenden Saison in einer guten Position.

Möglicherweise will die FIA Mercedes in dem Machtspiel auch nur einbremsen. Bei der anstehenden Verhandlung geht es sicher nicht nur um Regelverstöße, zumal sich Aussagen der Beteiligten teilweise widersprechen. Bei der Spionage-Affäre 2007 zeigte der Dachverband dem damaligen McLaren-Partner Mercedes mit der Rekordstrafe von 100 Millionen US-Dollar, wer am längeren Hebel sitzt.

Pirelli kann laut "ams" juristisch nicht belangt werden, weil es kein Wettbewerber ist. Die Reifenfirma könne nur von der FIA direkt bestraft werden, sofern der gesonderte Vertrag zwischen dem Verband und Pirelli gebrochen worden sei. Das treffe jedoch nicht zu.

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