Streitfall Länderspiel Darum müssen Vereine ihre Nationalspieler abstellen

Düsseldorf · Fußballclubs stellen Profis ab, wenn sie für Länderspiele nominiert werden. Doch was würde passieren, wenn sich ein Verein weigert? Einblick in ein Szenario, das angesichts eines immer volleren Spielkalenders Realität werden könnte.

 Sein Herz schlägt für Borussia und ganz sicher für seine Familie und sein Heimatland Algerien: Mönchengladbachs Verteidiger Ramy Bensebaini.

Sein Herz schlägt für Borussia und ganz sicher für seine Familie und sein Heimatland Algerien: Mönchengladbachs Verteidiger Ramy Bensebaini.

Foto: AP/Martin Meissner

Anfang Oktober bestieg Borussia Mönchengladbachs Verteidiger Ramy Bensebaini ein Flugzeug, um zu seiner Nationalmannschaft zu reisen. So weit, so Usus in einer Länderspielpause. Doch diese Reise ergab aus Gladbacher Sicht kaum bis gar keinen Sinn, denn der Algerier befand sich gerade erst im Aufbautraining nach einer Leistenverletzung. Die Befürchtung war also da, dass der 26-Jährige sich im Nationaltrikot erneut verletzen und Borussia erneut fehlen würde. Tat er am Ende nicht, aber Fälle wie dieser richten den Fokus auf die unterschiedlichen Interessen, wenn es um die Abstellung von Nationalspielern geht. Ein Thema, das angesichts aktueller Pläne für eine WM alle zwei Jahre an Brisanz gewinnt. Der Kölner Sportrechtler Jan F. Orth erklärt, was im Konfliktfall zwischen Verband und Verein passieren würde.

Welche Handhabe hätte ein Verein, die Abstellungspflicht zu verweigern?

Orth sagt, der Verein müsse den Spieler nicht abstellen, wenn es ihm unmöglich ist. „Dies liegt immer dann vor, wenn der Spieler nicht verfügbar, also insbesondere verletzt ist.“ Was der Verein aber nicht machen kann: sich auf einen engen Spielplan oder eine Überbeanspruchung eines Spielers berufen.

Warum nicht? „Weil er laut DFB-Satzung das Recht hat, aufgrund einer Anforderung des Verbandes die Absetzung seiner eigenen Pflichtspiele zu verlangen“, sagt Orth. Aber nur, wenn das eigene Spiel in die Anforderungsperiode fällt. Was in Deutschland eh nicht greift, weil die Bundesligen in der Länderspielpause aussetzen. Orth geht aber davon aus, dass diese Regelung den Vereinen nicht mehr ausreichen wird, wenn die WM alle zwei Jahre stattfinden sollte. Die bestehende Regelung kann aber nur durch den DFB-Bundestag geändert werden.

Welche Handhabe hätten die Verbände im konkreten Fall, dass ein Bundesligaverein seiner Abstellungspflicht nicht nachkommt?

„Die Abstellungspflicht der Clubs ist gleich mehrfach rechtlich abgesichert“, erklärt Orth. So ist sie festgehalten in der Satzung des DFB, im Grundlagenvertrag zwischen DFB und DFL, in der Satzung der DFL, in der DFB-Spielordnung und in der geltenden Lizenzordnung DFL für die Spieler.

Wenn sich ein Verein also weigere, einen Spieler trotz Nominierung durch den Verband abzustellen, beginge er einen Satzungsverstoß. Und den könnte das DFB-Sportgericht ahnden. Neben Geldstrafen sei da auch ein Punktabzug denkbar, sagt Orth. Aber auch hier muss die Verhältnismäßigkeit zwischen dem Vergehen und der Sanktion gewahrt bleiben. „Außerdem können sich die Clubs gegenüber der DFL und dem DFB schadenersatzpflichtig machen“, sagt Orth. „Auch die DFL wäre dem DFB gegenüber wohl schadenersatzpflichtig.“ In der Praxis wäre es aber wohl schwierig, einen konkreten Schaden beim DFB zu beziffern, der ihm dadurch entstanden ist, dass ein Verein einen Spieler nicht für ein Länderspiel freigegeben hat.

Ist im Zuge der aktuellen Diskussion um eine WM im Zwei-Jahres-Rhythmus und der wachsenden Belastungen von Nationalspielern damit zu rechnen, dass es demnächst zu einem Präzedenzfall kommen wird?

„Das denke ich nicht“, sagt Orth. Er geht trotz allen Konfliktpotenzials in diesem Punkt davon aus, dass Vereine wie Verbände letztlich zu sehr am Funktionieren des Geschäftsfeldes Fußball interessiert sind, als dass es hier zum offenen Disput kommt. „DFB, DFL und die Clubs sind hochprofessionelle Player, die – auch wenn man in der letzten Zeit nicht immer den Eindruck hatte – derartige Diskussionen zu Recht aus der Öffentlichkeit heraushalten und nicht mit dem letztmöglichen Mittel der Sanktion arbeiten sollten“, erklärt Orth. Im Zweifelsfall werde man sich weit vor einer möglichen Sanktion einigen. In der Regel würde der Bundestrainer auf die Nominierung eines Spielers verzichten oder der Spieler würde eben krankgeschrieben.

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