DFB-Nationalmannschaft Joachim Löws Fokus liegt auf der EM

Düsseldorf · Joachim Löw möchte mit der deutschen Nationalmannschaft gegen Nordmazedonien den dritten Sieg im dritten Spiel der WM-Qualifikation einfahren. Das Hauptaugenmerk des scheidenden Bundestrainers gilt aber der EM im Sommer.

 Voll fokussiert auf seine Arbeit als Bundestrainer: Joachim Löw.

Voll fokussiert auf seine Arbeit als Bundestrainer: Joachim Löw.

Foto: dpa/Stefan Constantin

Antonio Rüdiger kann schon mal einschüchternd auf seine Mitmenschen wirken. Neulich aber hat es das 1,90 Meter große Kraftpaket auf die flauschige Art versucht. Er attestierte Ilkay Gündogan, seinem Nationalmannschaftskollegen, der derzeit beste deutsche Spieler zu sein. Der Gepriesene selbst nahm die lobenden Worte mit trockenem Humor. Grundsätzlich, sagte Gündogan, sollte man Rüdiger nie widersprechen. „Das ist immer gefährlich.“

Tatsächlich entbehrt Rüdigers Lob nicht einer Glaubwürdigkeit. Im Starensemble von Manchester City hat sich Gündogan zuletzt als Stratege und Torschütze (16 Treffer in 34 Pflichtspielen) hervorgetan. Bei seinem Club agiert er weiter vorgeschoben im Vergleich zur Nationalmannschaft, die ebenfalls von der Ballbegabung und Umsicht Gündogans profitiert. Wirklich zur Entfaltung kam der 30-Jährige in DFB-Kreisen zuletzt gleichwohl nicht – zumindest neben dem Platz. Er ist einer von fünf in England spielenden Profis, die wegen der Pandemie seit mehr als einer Woche außerhalb des Trainingsplatzes und bei den Spielen eine eigene Blase innerhalb der Corona-Blase des gesamten deutschen Trosses bilden.

Gündogan in der Corona-Blase in der Blase

„Eine Ausnahmesituation“, so beschreibt Gündogan das Leben auf Distanz im Düsseldorfer Teamhotel, das neben ihm derzeit das Chelsea-Trio Timo Werner, Antonio Rüdiger und Kai Havertz sowie Torhüter Bernd Leno vom FC Arsenal erdulden müssen. Für Fahrten zum Training, ins Stadion oder zum Flughafen gibt es für das Quintett einen eigenen Mini-Van. „Wir sind eigentlich nur auf unseren Zimmern. Bei Teammeetings sitzen wir in der letzten Reihe“, sagte der frühere Dortmunder.

Seine Zeit auf dem Zimmer verbringt er mit Telefongesprächen mit Eltern und Freunden und dem Spielen eines Fußball-Managers. Der Mittelfeldspieler geht mit der Situation professionell um, auch vor dem Hintergrund, dass er im vergangenen Oktober selbst an Covid-19 erkrankt war. Auch wenn er beklagt, dass „wir im riesigen Speisesaal abgeschlagen irgendwo in der Ecke sitzen“.

Nicht irgendwo am Rande, sondern als spielstarker Mittelpunkt präsentiert sich Gündogan seit Wochen, der in Abwesenheit von Torhüter Manuel Neuer (für ihn spielt Marc-André ter Stegen) im WM-Qualifikationsspiel gegen Nordmazedonien an diesem Mittwoch in Duisburg (20.45 Uhr/RTL) als Kapitän auflaufen wird. Auch das bestätigt seinen gestiegenen Stellenwert unter Joachim Löw.

Der Bundestrainer hat indes das Leben im Hier und Jetzt zu seiner Maxime erklärt. Weder die 0:6-Schmach in Spanien vor einigen Monaten noch seine Pläne nach der EM (11. Juni bis 11. Juli) schleppt der scheidende Bundestrainer mit in das letzte Pflichtspiel vor dem Turnier. Er wirkt sehr fokussiert.

Nein, betont der 61-Jährige, Wehmut schwinge auf keinen Fall mit. „Ich beschäftige mich nicht mit der Situation, dass ich nach der EM aufhöre. Alle Kraft gilt diesem Spiel, dem Turnier und der Vorbereitung“. Sein letztes großes Turnier soll nicht von störenden Erinnerungen oder Zukunftsplanungen belastet sein.

Dabei betätigt er sich als Warner und Mahner. Ein Nachlassen, einen Konzentrationsabfall will Löw in der Partie gegen die Nordmazedonier ausschließen. Er sprach von einem „Kraftakt“, das Spiel zu gewinnen. „Sie sind mit allen Wassern gewaschen“, lobte Löw den kommenden Gegner um Routinier und Schlitzohr Goran Pandev. „Sie sind keinen Deut schlechter als die Rumänen.“

Verbesserte Devensivleistung des DFB-Teams

Und die hatten zuletzt soar Chancen auf ein Unentschieden gegen lange Zeit dominante deutsche Fußballer. Insgesamt präsentierte sich die Mannschaft in den beiden bisherigen Spielen des Jahres aber sehr stabil. Das verbesserte Defensivverhalten, erstmals seit vier Jahren könnte die Löw-Elf in drei Partien hintereinander ohne Gegentor bleiben, schreibt der DFB-Trainer dem Zusammenwirken aller Mannschaftsteile zu. Eine gewisse Kompaktheit und mannschaftliche Geschlossenheit führen dazu. „Das Team war zuletzt eng und gestaffelt“, lobte Löw, räumte aber gleichzeitig ein, „noch nicht auf das Äußerste gefordert worden“ zu sein.

Mit neuem Pragmatismus und weniger Experimenten will Löw seine Mannschaft auf die EM einstellen. Dass er dabei gerade im Mittelfeld auf mehrere Optionen an hochwertigem Personal (siehe Gündogan, Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Toni Kroos) zurückgreifen kann, ist natürlich von Vorteil. Es birgt aber auch die Gefahr von Unzufriedenheit, sollte einer tatsächlich „abgeschlagen irgendwo in der Ecke sitzen“ bleiben. „Es liegt am Bundestrainer, so viele Topspieler wie möglich auf den Platz zu bringen und die Aufgaben zu verteilen“, sagte Ilkay Gündogan dazu. Und wirkte dann doch ein wenig ernster.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Guido Hain 

zum EM-Aus 

des DFB-Teams
Trotzdem Danke
Kommentar zum EM-Aus des DFB-TeamsTrotzdem Danke
WM beendet, Gold im Blick
Kommentar zur Handball-Nationalmannschaft WM beendet, Gold im Blick
Kein Glanz, aber Gloria
Kommentar zu Englands Nationalteam Kein Glanz, aber Gloria
Aus dem Ressort
Guido Hain 
zur T-Shirt-Aktion 
des DFB-Teams
Ein Zeichen, ein Anfang
Kommentar zur T-Shirt-Aktion des DFB-TeamsEin Zeichen, ein Anfang
Die verlorene Macht der Zuschauer
Uni-Studie über den Heimvorteil im Fußball Die verlorene Macht der Zuschauer
Weise Entscheidung
Kommentar zur Entlassung von Trainer Peter Bosz Weise Entscheidung