Gelungener Nations-League-Auftakt Deutschland spielt sich gegen Ungarn in einen Rausch
Düsseldorf · Mit einem klaren 5:0 Erfolg gegen Ungarn hat die deutsche Nationalmannschaft gleich zum Start in die Nations League ein Ausrufezeichen gesetzt. Vor der Zukunft muss ihr nicht bange sein.
Einige Gewissheiten hatte der Bundestrainer ja schon bei seiner ersten Rede an die Nation nach der Europameisterschaft verkündet. Joshua Kimmich wird Kapitän, Antonio Rüdiger und Kai Havertz dessen Stellvertreter und Marc-André ter Stegen, wie Julian Nagelsmann zu Wochenbeginn also unmissverständlich sagte, „die klare Nummer 1“. Nach den Rücktritten der Altvorderen Toni Kroos, Thomas Müller, Ilkay Gündogan und zuletzt noch Manuel Neuer stehen die Nationalmannschaft und deren Anleiter quasi vor einem neuen Lebensabschnitt. Altes los- und Neues erblühen lassen, das ist nun die vordringliche Aufgabe nach der insgesamt erfolgreichen EM – und das mit einem kaum veränderten Kader, der zum Auftakt der Nations League am Samstagabend gegen Ungarn zu bestehen hatte. Aber, wer wüsste es nicht: In jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.
Und tatsächlich lag ein Schleier der Magie über diesem warmen Spätsommerabend in Düsseldorf. Dank eines leidenschaftlichen und vor allem spielerisch überzeugenden Vortrags gewann das DFB-Team sehr souverän mit 5:0 (1:0) gegen Ungarn, gegen das es bei der EM deutlich mehr Probleme beim 2:0 offenbarte. Die neuausgerichtete deutsche Mannschaft hat gleich einmal deutlich gemacht, dass ihr auch ohne die Routiniers nicht bange werden muss auf dem Weg zur WM 2026. Es war ein berauschendes Fußball-Fest, das sie da nach den ebenso berauschenden EM-Tagen im Sommer bot.
Sechs Neue in der Startformation
Das Turnier hatte ja einen Umbruch nach sich gezogen, der im Vergleich zum 1:2 im EM-Viertelfinale gegen Spanien gleich sechs Neuen ins deutsche Team spülte. Torhüter Marc-André ter Stegen, Nico Schlotterbeck, Robert Andrich, Pascal Groß, Florian Wirtz und Niclas Füllkrug rückten in die Startelf, während neben den Zurückgetretenen Antonio Rüdiger und Leroy Sané (beide nicht im Kader) sowie Emre Can (Bank) fehlten.
Die deutsche Elf benötigte etwas Zeit, um sich zu sammeln. Angetrieben vom erwartungsfrohen Publikum musste aber erst ein Eckball dienen, um für Gefahr zu sorgen. Der Leverkusener Jonathan Tah schraubte sich in die Höhe und kam trotz heftiger Gegenwehr zum Kopfball. Leipzig-Torwart Peter Gulacsi war schon geschlagen, doch Dominik Szoboszlai wehrte auf der Linie ab (8.). Beide Teams waren weiterhin auf der Suche nach ihrem Rhythmus und den gefährlichen Räumen. Die bevorzugte Spielwiese befand sich zunächst zwischen den beiden Strafräumen.
Füllkrug trifft zur Führung
Rund zehn Minuten sollte es dauern, bis sich erneut eine Bedrohung für das ungarische Tor ergab. Nach einer überfallartigen Kombination über Wirtz und Jamal Musiala tauchte Füllkrug frei von Gulacsi auf, doch der Ungar wehrte den zu unplatziert geschossenen Ball lässig mit dem Fuß ab (20.). Die Nagelsmann-Elf hatte nun den Zugang zum Spiel gefunden. Und das Publikum bekam, was es seit der EM wieder gewohnt ist. Eine bezaubernde deutsche Offensive, die die Stadionregie schließlich veranlasste, das erste Mal Schillings Tore-Song „Völlig losgelöst“ einzuspielen. Zuvor war eine erste längere Ballbesitzphase des deutschen Teams belohnt worden, und es war ein wenig zu schnell gegangen für Ungarn. Wirtz flankte nach einer perfekten Ballannahme den Ball in die Mitte zum umtriebigen Raum, der direkt auf Musiala ablegte, der wiederum Füllkrug maßgerecht servierte. Der neue West-Ham-Stürmer musste aus kurzer Distanz nur noch einschieben (27.).
Es waren die Deutschen, die die Deutungshoheit über das Spiel erlangten und die Kontrolle übernahmen. Eine feine Flanke von David Raum landete butterweich auf dem Kopf von Havertz und von dort klatschte der Ball an die Latte, gerade herunter - und landete vor der Linie (33.). Die Lust und Leidenschaft, mit der die Deutschen nun zu Werke gingen, übertrug sich auf die Ränge. Und vorwärts war die Richtung der Wahl. So war es erneut Havertz nach einem chirurgischen Pass Musialas, der frei vor Gluacsi das Tor hauchdünn verfehlte. Es war eine überlegen geführte erste Hälfte, was auch Ausdruck im Ballbesitz (61:39 Prozent) und in den Torschüssen (9:3) fand. Allein: Die Effektivität köchelte auf Sparflamme. Den Vorwurf, vor des Gegners Tor mitunter etwas zu umständlich zu agieren, musste sich die DFB-Elf gefallen lassen.
Deutschland spielt sich nach dem Wechsel in einen Rausch
Der Spielfluss der Gastgeber blieb auch von der Pause unberührt. Mit schnellen Kombinationen zwangen sie die Ungarn zur vermehrten Abwehrarbeit. Die jedoch lauerten wie hungrige Löwen auf ihre Chance zum Angriff. Und darauf, Beute zu machen. Und beinahe wäre das geglückt. Erst eine Wahnsinnsgrätsche von Andrich verhinderte im letzten Moment den möglichen Ausgleich durch Bendeguz Bolla (56.). Irritiert zeigten sich das DFB-Team dadurch nicht. Und es machte deutlich, dass auch das Konterspiel zum Repertoire gehört. Nach einer ungarischen Ecke schickte Wirtz seinen kongenialen Partner Musiala auf Reisen, der sich, in der eigenen Hälfte gestartet, nicht aufhalten ließ auf dem Weg ins Glück. Ein 50-Meter-Sprint, ein kleiner Wackler, ein Schuss aus kurzer Distanz, ein ungarisches Abwehrbein, das den Ball unhaltbar für Gulacsi ins Tor lenkte (58.). Ein unwiderstehlicher Treffer. Deutschland sah sich nicht bemüßigt, das Ergebnis nun in aller Ruhe zu verwalten. Erneut standen dann die Zauber-Zwillinge im Rampenlicht: Wirtz auf Musiala, Musiala auf Wirtz, ein trockener Flachschuss von der Strafraumgrenze –3:0 (66.).
Damit hatte Deutschland die Lust aufs Toreschießen jedoch noch lange nicht verloren. Kimmich scheiterte an den Fäusten Gulacsis, den Nachschuss hämmerte erneut Havertz an die Latte (71.). Langsam wurde es ungemütlich für die Magyaren, die nicht nur Abwehrschwächen, sondern auch Zeichen von Resignation erkennen ließen. So war es der eingewechselte Münchner Alexander Pavlovic, der mit seinem Premierentor für die DFB-Elf das Ergebnis in die Höhe schraubte (77.), ehe – man muss sagen: endlich – Havertz einen an ihn selbst verschuldeten Foulelfmeter sicher verwandelte (81.).
Die „Oh-wie-ist-das-schön“-Gesänge der Fans werden die deutsche Mannschaft begleiten, wenn am Dienstag in Holland im zweiten Spiel der Nations League eine gewiss größere Herausforderung wartet.