Lobeshymnen auf die DFB-Auswahl Ein bisschen mehr Schweinsteiger

WASHINGTON · Selbst Ann Coulter ist ganz still geworden. Die durch verwegen extremistische Meinungen reich gewordene Polit-Sirene hatte Fußball an sich kurz nach dem WM-Start noch als verweichlichten und damit unamerikanischen Mädchensport abgekanzelt, bei dem die Spieler am Ende "eine Schleife und Saft" bekommen. Papperlapapp.

 Das Empire State Building in den Deutschland-Farben.

Das Empire State Building in den Deutschland-Farben.

Foto: dpa

Nach dem mit so manchem Blutstropfen erkämpften Sieg der Löwianer gegen Argentinien überbieten sich die amerikanischen Kommentatoren von ESPN bis "Sports Illustrated" mit Lobeshymnen über den "grenzenlosen Siegeswillen" und die "strategische Feinplanung", mit der Deutschland den vierten Weltmeistertitel errang. Im Ergebnis spiegele sich hier "Platz und Rang eines Landes, das auf der Weltkarte immer wichtiger wird".

Aber zurück zum Sportlichen: Als "Kunstwerk, in dem sich die Klasse, Artistik und Präzision des deutschen Fußballs wie unter dem Brennglas verdichtet", beschrieb ein Blogger des "New Yorker" Mario Götzes "Golden Goal" - ein "Ausrufezeichen für die Geschichtsbücher des Sports". Auffallend: US-Medien, die dem Fußball angesichts neuer Rekordeinschaltquoten mehr abgewinnen können als vor dem Anstoß in Brasilien, saugen in diesen Tagen Honig aus dem Umstand, dass mit Jürgen Klinsmann schließlich ein Deutscher der amerikanischen Nationalmannschaft vorsteht.

"Bei der WM 2018 wird das Team USA die Fußball-Welt noch mehr beeindrucken", sagte der Moderator der Sportsendung auf dem Sender ABC, "mit deutscher Wertarbeit". "Good old Germany" stand schon vor dem Sieg von Rio hoch im Kurs der Amerikaner. Der WM-Titel in Brasilien wird die "Beliebtheit steigern", vermuten etliche Bätter.

Erst im Januar gaben 60 Prozent der Amerikaner bei einer Umfrage an, einen "ausgezeichneten oder guten Eindruck" von Deutschland zu haben. Wirtschaftliche Potenz, die Qualität deutscher Produkte, die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens, die ordnende Kraft der Bundeskanzlerin im europäischen Währungs-Tohuwabohu wurden häufig als Gründe genannt. Amerikaner sehen in Deutschland eine "fortschrittliche Führungsmacht".

Aber eine, die sich noch "zu oft versteckt und kleinmacht, anstatt offensiv globale Mitverantwortung zu übernehmen", schränkt die politische Klasse in Washington hier oft leise ein. Die Obama-Regierung, es ist kein Geheimnis, hätte gern ein Deutschland, das (auch politisch-militärisch) öfter dorthin geht, wo es wehtut. Merkel als Schweinsteigerin sozusagen. Der vierte WM-Titel wird diese Erwartung noch verstärken.

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