Präsidiale Unterstützung Fußball-WM in Russland - aber wo ist eigentlich Putin?

Moskau · Wladimir Putin will die Fußball-WM in Russland zur besten der Geschichte machen. Sich selbst inszeniert er gerne als großen Sportler. Doch bei den Spielen der Sbornaja glänzt er durch Abwesenheit. Warum nur?

 Während des Eröffnungspiels war Russlands Präsident Wladimir Putin noch im Stadion zugegen.

Während des Eröffnungspiels war Russlands Präsident Wladimir Putin noch im Stadion zugegen.

Foto: A. Druzhinin/Pool Sputnik Kremlin via AP

Im WM-Viertelfinale gegen Kroatien muss Gastgeber Russland wohl schon wieder ohne die Unterstützung seines obersten Fans auskommen.

Präsident Wladimir Putin werde voraussichtlich nicht zum Spiel nach Sotschi reisen, teilte der Kreml mit. Die Partie passe leider nicht in seinen Zeitplan, Putin werde die Sbornaja aber von Moskau aus anfeuern. Putin nicht im Stadion: Das ist keine Seltenheit bei dieser WM, um die sich der Staatschef so bemüht hatte. Nur beim furiosen 5:0-Auftakterfolg der Sbornaja gegen Saudi-Arabien saß der 65-Jährige auf der VIP-Tribüne. Seine Gesten in Richtung des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman wurden zum Internethit.

Seitdem aber glänzt der Kremlchef durch Abwesenheit, die Bühne überlässt er anderen. Zwar gratulierte Putin dem Nationaltrainer Stanislaw Tschertschessow telefonisch nach dem siegreichen Achtelfinale gegen Spanien. Zum Händeschütteln waren dann aber nur Regierungschef Dmitri Medwedew und der frühere Fußballverbandschef Witali Mutko in der Kabine.

Dabei hatten viele Beobachter damit gerechnet, dass sich Putin die große Bühne in der schillernden Fußball-Welt nicht entgehen lassen würde. Die beste WM der Geschichte solle es werden, hatte er als Losung ausgegeben. Die Welt soll Russland als gastfreundliches, fröhliches und liebenswertes Land kennenlernen. Da könnte sich doch gerade der auf Inszenierungen so bedachte, sportbegeisterte Judoka und Eishockey-Fan Putin bestens in Szene setzen.

Tut er auch, nur nicht als Fan der Sbornaja auf der Tribüne. Stattdessen besuchte er mit FIFA-Chef Gianni Infantino einen Fußball-Park auf dem Roten Platz und schoss selbst auch mal auf ein Tor. Im Kreml sonnte er sich am Freitag im Glanz von Fußballlegenden wie Rekordnationalspieler Lothar Matthäus.

Putins Abwesenheit in den Stadien erklären sich viele etwa so: Während die Russen gemeinsam mit Abertausenden ausländischen Fans eine wochenlange Riesenparty feiern, arbeitet "Galeerensklave" Putin zum Wohl des Landes.

Er trifft sich mit ausländischen Gästen wie US-Sicherheitsberater John Bolton, um das Gipfeltreffen mit US-Präsident Donald Trump am 16. Juli, dem Tag nach dem Finale, vorzubereiten. Er berät mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In, um die Lage auf der koreanischen Halbinsel zu diskutieren. Beim zweiten Gruppenspiel der Sbornaja gegen Ägypten weilte Putin in Minsk bei seinem weißrussischen Kollegen Alexander Lukaschenko.

Kommentatoren im Internet glauben, dass Putin das Achtelfinale gegen Spanien deswegen sausen ließ, weil niemand mit einem russischen Sieg gerechnet hatte. Deswegen habe er Medwedew vorgeschickt, schrieb der Blogger mit dem Nutzernamen SerpomPo auf der Webseite des regierungskritischen Radiosenders Echo Moskwy. Und weiter: "Putin sollte an seine Mannschaft glauben. Immer. Und sich nicht verstecken."

Der Moskauer Innenpolitikexperte Andrej Kolesnikow glaubt, dass Putin keine politische Verantwortung für einen sportlichen Misserfolg übernehmen wolle. "Aber er könnte zum Finale kommen, um als Gastgeber dieses kosmopolitischen Events aufzutreten", sagte er. FIFA-Chef Infantino hofft der Agentur Tass zufolge indes, dass Putin nicht nur zum Finale kommt, sondern auch zu anderen Spielen.

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