Streit mit der Fifa Europäische Verbände denken über Austritt nach
Bonn · Im Streit mit dem Weltverband Fifa erwägen europäische Verbände weitere Schritte. Selbst ein Austritt ist nicht ausgeschlossen.
Gerade erst hat es eine Unterhaltung gegeben, bei der auszuschließen ist, dass die Gesprächspartner wie im Hahnenkampf übereinander herfielen. Es war gleichwohl ein Austausch zweier Männer, die in ihren Ansichten an Gegensätzlichkeit kaum zu überbieten sind. Bernd Neuendorf, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, und Gianni Infantino, in gleicher Funktion beim Fußball-Weltverband Fifa eingesetzt, unterhielten sich also vor dem Auftaktspiel der deutschen Nationalmannschaft bei der umstrittenen WM in Katar gegen Japan. Nun ist nicht anzunehmen, dass die schweren, intensiv diskutierten Themen wie das Tragen, nein lieber, das Nichttragen der „One Love“-Binde, die Menschenrechtsverletzungen in Katar oder die dortige politische Lage angepackt wurden so kurz vor einem Fußballspiel.
Das bestätigte auch der Bonner Neuendorf im ARD-Morgenmagazin. „Das läuft alles sehr professionell ab. Vor so einem Spiel redet man nicht über die Konflikte, die man austrägt“, sagte der DFB-Boss, der seinen Standpunkt aber erneut verdeutlichte: „In der Sache sind wir aber weiter klar. Das weiß Gianni Infantino auch. Wir sind nicht glücklich mit dem Verhalten der Fifa.“ Es bleibt dabei, der deutsche Verband verweigert Infantino auf dem Weg zu seiner Wiederwahl als Fifa-Präsident im März kommenden Jahres die Unterstützung. Es sei denn, es würden sich massiv Dinge ändern bei der Fifa, doch „das kann ich im Moment nicht erkennen. Ich werde ihn nicht persönlich attackieren“, sagte der 61-Jährige. „Aber wir dürfen von so einem großen Verband erwarten, dass er mit dem allergrößten Verband (Einzelsportverband, d. Red.) – dem DFB – ordentlich umgeht.“
Dänemark hat über einen Austritt bereits diskutiert
Mit seiner Haltung steht dieser nicht allein. In Dänemark zeigt sich ein weiterer europäischer Verband solidarisch, der das Verbot der „One Love“-Binde stark kritisiert. Sieben europäische Nationen wollten mit dem Zeigen eines bunten Herzens auf der Kapitänsbinde ein Signal senden an die Fifa, Katar und die Welt für Toleranz und Vielfalt. Sie beugten sich schließlich dem Verbot des Weltverbandes. Lassen die Kritik aber nicht verstummen, sondern überlegen sich ein weitergehendes Vorgehen im Konflikt. Sogar ein Austritt aus der Fifa ist nicht ausgeschlossen. Man habe das in der nordischen Region seit August diskutiert, sagte der dänische Verbandsboss Jesper Möller zu den Gedankenspielen der Skandinavier, die sich öffentlich mit dem DFB verbündet haben. „Wir müssen bewerten, was passiert ist, und dann müssen wir eine Strategie entwickeln – auch mit unseren nordischen Kollegen.“
Der norwegische Verband hat sich jedenfalls angeschlossen, Infantino die Gefolgschaft zu verweigern. An dessen Spitze steht Lise Klaveness, eine konsequente Kritikerin der Fifa. Sie erklärte, dass der NFF nicht darauf vertraue, das „Infantino der richtige Anführer ist, der uns weiterbringt“. Das eine andere Führungskraft für das Amt des Fifa-Präsidenten infrage kommt, ist aber eher unwahrscheinlich. Denn einen Gegenkandidaten zu Infantino gibt es nicht, da dessen Wiederwahl als sicher gilt. Wie der deutsche und norwegische Verband hat offenbar nun auch der schwedische dem amtierenden Präsidenten die Unterstützung untersagt. Doch auch Klaveness lehnt eine eigene Kandidatur ab. Dennoch gilt sie dem früheren DFL-Geschäftsführer und Bundesliga-Manager Andreas Rettig als Hoffnungsträgerin. Er sei „begeistert“ von ihr, verriet er kürzlich im GA-Interview. „Sie ist ein echter Lichtblick gewesen beim Fifa-Kongress, als sie den Mut hatte, schonungslos offen die Fifa zu kritisieren. Es sind ihr dann im Nachgang einige zur Seite gesprungen, auch Bernd Neuendorf. Es ist zumindest ein kleiner Silberstreif am Horizont zu sehen.“
Rewe hat schon Konsequenzen gezogen
Ein langer Weg ist es selbstredend auch, der vor den rebellierenden Verbänden liegt. Wenn sie diesen denn überhaupt gehe sollten. Doch beschäftigen sollte man sich schon einmal zumindest mit dem Prozedere eines möglichen Austritts. Gerade erst hat mit dem Handelsunternehmen Rewe ja der erste DFB-Sponsor bereits Konsequenzen gezogen und verzichtet auf Werbemaßnahmen im Zuge der WM, beendet sein Engagement für den Verband damit vorzeitig. Der Konzern beziffert den verlorenen Werbewert auf einen niedrigen siebenstelligen Betrag.
Das Verlassen der Fifa seitens der Mitgliedsverbände würde sich jedoch schwieriger gestalten. Laut Artikel 18 der Fifa-Statuten kann ein solcher zum Ende eines Kalenderjahres erfolgen. eine entsprechende Erklärung muss spätestens sechs Monate vor Jahresende abgegeben werden. Bedeutet: Selbst wenn sie es anstreben sollten, können die mit dem Weltverband zerstrittenen Verbände dieses Jahr nicht mehr austreten. Mögliche Folgen danach: Mannschaften aus den jeweiligen Ländern könnten dann nicht mehr an Fifa-Wettbewerben teilnehmen, als Uefa-Mitglied jedoch weiterhin noch an Wettbewerben des europäischen Kontinentalverbands, also der Europameisterschaft und der Nations League.
Ein Rückzug in diesem Jahr ist nicht möglich
Könnte sich der DFB denn einfach von dem Turnier in Katar zurückziehen? Kann er – muss dann aber auch die Konsequenzen tragen. In Abschnitt 5, Absatz 2 der Wettbewerbsregularien ist dazu alles genau geregelt, dort heißt es: „Ein teilnehmender Mitgliedsverband, der sich nach Beginn der Vorrunde zurückzieht, wird mit einer Geldstrafe von mindestens CHF 40 000 (Schweizer Franken, knapp 41 000 Euro, d. Red.) belegt.“ Und weiter: „Je nach Umständen des Rückzugs kann die Fifa-Disziplinarkommission neben den Strafen von Absatz 2 weitere Sanktionen verhängen, einschließlich des Ausschlusses des betreffenden teilnehmenden Mitgliedsverbands von künftigen Fifa-Wettbewerben.“ Dem DFB würden damit weitere Einnahmen fehlen, die fest eingeplant sind. Der Verband gibt eine nicht unbeträchtliche Summe davon an die Amateurverbände weiter. Auch Strafzahlungen sind nicht ausgeschlossen. Kaum vorstellbar, dass der DFB bei diesem Szenario tatsächlich den Weg durch den Ausgang wählt.