0:2 gegen Nigeria Isländer ein "bisschen zahnlos"

Wolgograd · Island fehlte diesmal der Biss. Nach dem 0:2 gegen Nigeria haben die Nordeuropäer das Weiterkommen bei der WM nicht mehr in der eigenen Hand. Nun wartet ein alter Bekannter.

 Die Isländer waren nach der 0:2-Pleite gegen Nigeria enttäuscht.

Die Isländer waren nach der 0:2-Pleite gegen Nigeria enttäuscht.

Foto: Themba Hadebe/AP

Heimir Hallgrímsson trotzte dem Regen und lachte sogar.

Am Tag nach dem 0:2 gegen Nigeria, der ersten Niederlage bei einer Fußball-WM und dem ersten großen Turnierspiel ohne eigenen Treffer, stand Islands Trainer ungerührt ob des Wolkenbruchs am Rande des Trainingsplatzes und beantwortete geduldig alle Fragen. "Wir sind hier bei einer WM-Endrunde. Wir sind nicht so arrogant zu glauben, dass wir hier nicht verlieren", sagte Hallgrímsson in seiner blauen Trainingsjacke und mit tropfenden Haaren, während die Ersatzspieler Sprintübungen machten und den Frust wegrannten.

"Jeder hier hasst es zu verlieren. Die Spieler und Trainer wissen, dass wir schon bessere Spiele hatten als das gestern", sprach Hallgrímsson in die Mikrofone der Journalisten aus Island. Mit nur einem Punkt droht bei der WM-Premiere das Aus in der Gruppenphase. Infrage stellen wolle er die Herangehensweise an das wichtige Spiel gegen Kroatien am Dienstag (20.00 Uhr MESZ) aber nicht. "Kontinuität ist sehr wichtig für uns", sagte der Zahnarzt.

Schon unmittelbar nach Schlusspfiff sah er keinen Grund für fundamentale Kritik. "Unsere Strategie war nicht falsch. Wir waren aber vielleicht nicht ganz wir selbst, vielleicht waren wir ein bisschen zahnlos", meinte Hallgrímsson.

Mit dem torlosen Remis zur Halbzeit war der Nachfolger von Lars Lagerbäck zufrieden. Bis dahin stimmte für Hallgrímsson noch die Strategie. Das frühe Kontertor (49. Minute) von Ahmed Musa, der später noch nachlegte (75.), änderte dann alles. "Das hat das Spiel gedreht. Wir mussten weiter nach vorne rücken und mehr ins Risiko gehen", erläuterte Hallgrímsson.

Mit einem 1:1 gegen Vizeweltmeister Argentinien hatte Island noch ein starkes WM-Debüt gegeben. Diesmal konnte der frühere Hoffenheimer Gylfi Thór Sigurdsson aber selbst einen nach Videobeweis gegebenen Foulelfmeter (83.) nicht verwandeln.

"Es ist merkwürdig, dass wir noch immer im Rennen sind", erkannte Hallgrímsson den einzigen tröstlichen Aspekt nach der verdienten Niederlage. Island hat das Weiterkommen vor dem abschließenden Gruppenspiel am Dienstag (20.00 Uhr) in Rostow am Don gegen die bereits qualifizierten Kroaten nicht mehr in der eigenen Hand. Die Nordeuropäer müssen ihren WM-Premierensieg holen. Und dann müssen auch noch Nigeria und Argentinien mitspielen. Erst dann wäre der EM-Viertelfinalist von 2016 doch noch im Achtelfinale.

"Wir müssen und wir wollen auch gegen Kroatien gewinnen", versicherte Kapitän Aron Gunnarsson von Cardiff City. Sehr viel Druck, sehr viel Zwang - sonst ist die erste WM für Island schon nach der Gruppenphase vorbei. "Wir sind nicht davon ausgegangen, dass wir durch eine Weltmeisterschaft ohne Niederlage kommen, und Niederlagen sind immer schwer zu verdauen. Wir müssen aber nur Kroatien schlagen, was wahrscheinlich leichter gesagt als getan ist", drückte Hallgrímsson das Szenario arg vereinfacht aus.

Immerhin kennen die Isländer die Kroaten nach mehreren direkten Duellen in der jüngeren Vergangenheit bestens. Sie wissen, dass eine willens- und kampfstarke Truppe auf sie wartet. "Wir sind wie ein Ehepaar", sagte Hallgrímsson, "wir versuchen, uns scheiden zu lassen, treffen aber immer wieder aufeinander." Selbst wenn Island als Sieger aus dieser Scheidung herausgeht, könnte das zu wenig sein.

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