Männer, Manager und missglückte Entlassungen Was in der Causa Kahn schiefgelaufen ist

Analyse | Düsseldorf/München · Das Kommunikationsdesaster rund um Oliver Kahn und den FC Bayern ist kein Einzelfall. Auch in Wirtschaft und Politik gibt es prominente Beispiele von stillosen Rauswürfen. Dabei gibt es gute Strategien – selbst wenn Trennungen nicht einvernehmlich sind.

Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić.

Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić.

Foto: dpa/Angelika Warmuth

Es gibt Eil-Meldungen, die „völlig überraschend“ kommen und doch jedem klar waren. Prominente Rücktritte sind das oft, Rauswürfe oder „Trennungen“, die manchmal alles andere als einvernehmlich und friedlich verlaufen. Jüngstes Beispiel: der Rekordmeister, der Fußballklub Bayern München, dessen Kommunikationsabteilung an jenem Wochenende des Bundesligafinales wohl keinen Titel gewonnen hätte. Nicht einmal 30 Minuten nach Abpfiff des letzten Spiels der Saison 2022/23 waren vergangen, der Jubeltaumel der Bayern noch nicht ganz verhallt – da ploppte die Mitteilung auf: „FC Bayern wirft Vorstandschef und Sportvorstand raus.“ Gemeint waren Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić. Gekündigt von Ehrenpräsidenten Uli Hoeneß persönlich.

Wie persönlich die Sache noch werden sollte, konnte man am Spieltag nur erahnen. Schon die Verpflichtung Kahns als Vorstandschef sei ein Fehler gewesen, trat Hoeneß Tage später im „Kicker“ nach. Man hätte ihn auch bei drei Mannschaftstiteln entlassen, unterstrich Vereinspräsident Herbert Hainer. Die Gespräche mit Kahn über die Trennung kurz vor Saisonende seien nicht so gut gelaufen, „sie waren emotional“, plauderte Hainer schließlich bei der Meisterfeier in München aus, zu der auch die Presse eingeladen war. Ein Ende mit Anstand, also einvernehmlich, habe nicht funktioniert. Oliver und jetzt auch sein Bruder Axel Kahn werfen dem Verein wiederum Aktionismus, Falschdarstellung und Respektlosigkeit vor.

Profifußball ist nicht der einzige Schauplatz von Managemententscheidungen, die aus dem Ruder gelaufen sind

Die öffentliche Schlammschlacht war da, die Trennung wurde zum Image-Desaster für den Verein. Dabei ist der Profifußball nicht der einzige Schauplatz von Managemententscheidungen, die aus dem Ruder gelaufen sind. Auch Beispiele aus Politik und Wirtschaft mit vermeintlich hochprofessionellem Personal erregen immer wieder Aufsehen. Da wäre zuletzt die Entlassung von VW-Chef Herbert Diess im Sommer vergangenen Jahres. Ohne Vorzeichen, aber dennoch nicht ganz überraschend verkündeten Branchenmagazine seinen „Rauswurf“. Nur ein Jahr nach seiner Verlängerung hätten ihn die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch „vor die Tür gesetzt“, so die einschlägigen Titel. Denn trotz der wohlwollend formulierten Pressemitteilung des Konzerns, zitierten mehrere Medien direkt aus höchsten Aufsichtsratskreisen. „Dass der Vertrag verlängert worden ist, war ein riesiger Fehler“, gab etwa der „Business Insider“ wörtliche Zitate aus dem Gremium wieder. Selbst wenn es eine Kommunikationsstrategie gegeben hat – offensichtlich hielten sich nicht alle daran.

Ähnlich öffentlich ausgetragen werden sonst nur Überwerfungen innerhalb politischer Führungsriegen. Wenn es um Kanzlerkandidaturen geht, so wie bei Kurt Beck 2008. Der warf den SPD-Parteivorsitz hin, nachdem die SPD bei einer Klausurtagung am Schwielowsee Frank-Walter Steinmeier zum Kanzlerkandidaten gemacht hatte. Beck witterte eine Kampagne gegen sich, ließ Steinmeier die Nachricht seines Rücktrittes verkünden und verließ die Versammlung wortlos durch einen Hintereingang. Eigentlich sollte es laut Tagesordnung der Klausur um Beratungen über ein elfseitiges Strategiepapier gehen. Mitglieder beklagten, über Steinmeiers Kandidatur nur aus der Presse erfahren zu haben. Ein internes wie externes Kommunikationsdesaster. Später unterlag der SPD-Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl 2009.

Alles also eine Sache der Formulierungen? Nein, sagt Unternehmenscoach und Mediator Michael Kirchhoff. Es gebe eine Grundregel im sogenannten Change-Management, die sich in vielen Vorstandsetagen bei Personalfragen noch nicht durchgesetzt hat: „Den meisten Aufwand sollten Unternehmen im Vorfeld betreiben, bei der Analyse der eigenen Bedürfnisse: Was erfordert die Stelle neben formalen Voraussetzungen? Welche Wertvorstellungen des Unternehmens sollte die Person vertreten? Wie arbeitet jemand unter Druck?“ Es sei nicht entscheidend, dass eine Person alles mitbringe – an vielem ließe sich schließlich arbeiten. „Aber wenn ein Unternehmen viel Geld in hoch bezahlte Managerposten investiert, sollte es im Vorfeld etwas mehr Mühe aufbringen – sonst zahlt man am Ende doppelt.“

Kirchhoff nennt Causa Kahn „maximal unprofessionell“

Oft helfe mehr Durchhaltevermögen bei der Suche. In der Realität – ob nun bei Profifußballklubs, Parteien oder Konzernen – spielen oft andere Faktoren eine Rolle bei der Besetzung: Lebensläufe, Wirkung nach außen, Qualifizierung auf dem Papier, Verbundenheit zum Arbeitgeber oder auch persönliche Verbindungen. Neun Jahre Vereinstorwart, Kapitänsbinde, 632 Pflichtspiele und 23 gewonnene Titel machen allerdings an sich noch keinen Spitzenmanager. Führungskompetenzen kann man lernen, man muss es aber auch wollen. Die Causa Kahn beim FC Bayern nennt Coach Kirchhoff jedenfalls „maximal unprofessionell“. Sie zeige eine „hire and fire“-Mentalität der Arbeitswelt, in der nur die Leistung des Arbeitnehmers im Fokus stehe und nicht der Umgang auf Augenhöhe. Das gebe es genauso in der Politik, in Wirtschaftskonzernen oder mittelständischen Unternehmen.

„Gerade beim Management des FC Bayern sticht dieser unbedingte Leistungswille hervor - ohne zwischenmenschliche Nachhaltigkeit.“ Der Promifaktor der handelnden Personen mache es umso schwieriger, „wenn der Selbstwert an die Rollenerwartung von außen geknüpft wird“. Mangelnde Impulskontrolle – welche theoretisch trainierbar ist – tue dann ihr Übriges: Sowohl Kahn als auch Hoeneß hätten eine der wichtigsten Grundregeln ignoriert: Stillschweigen zu bewahren, Wertschätzung zeigen. Auch dem Unternehmen zu Liebe.

Was macht also starkes Management aus? Oft sei es eben schon bei der Auswahl schief gelaufen, sagt Kirchhoff, „und wenn es dann zur Trennung kommen soll, dann bitte gesichtswahrend: Konfliktgespräche frühzeitig und regelmäßig führen, Auflösungsvertrag aushandeln, Kommunikationsstrategie vereinbaren.“ Im Falle Kahn wäre es sicher sinnvoller gewesen, ihn trotz allem mit zum letzten Spieltag nach Köln zu nehmen, so der Experte. Ihn vielleicht sogar noch an der Neugestaltung der Führungsriege mitwirken zu lassen, als eine Art Interims-Change-Manager. Am Ende hätte man eine Abfindung und warme Worte finden können – so hätte es keine Verlierer gegeben.

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