Kommentar zum Höhenflug von Holstein Kiel Kiels Tierleben

Meinung | Kiel · Zweitliga-Überraschungsmannschaft Holstein Kiel hat das Achtelfinale im DFB-Pokal nur knapp verpasst. Unser Autor meint, dass das vielleicht sogar gut ist für den aufstrebenden Verein aus dem äußersten Norden.

Als Holstein Kiel deutscher Meister war, hatte dieses Land noch einen Kaiser. 1912. Man kann sich das nur in Sepia vorstellen, und tatsächlich waren die Kieler noch vor fünf Jahren so weit weg von einem Titel wie ein vergilbter Schwarz-Weiß-Film von einem 4D-Streifen. Mittlerweile kicken die „Störche“, wie sie genannt werden, wieder in Farbe.

Wie farbig das sein kann, musste am Dienstag Mainz 05 erfahren. Der Bundesligist brauchte gegen den Zweitligisten die Verlängerung, um im DFB-Pokal weiterzukommen. Dass Holstein das Achtelfinale ein wenig unglücklich verpasste, ist vielleicht sogar gut für den aufstrebenden Verein aus dem äußersten Norden. Man hat dort Wichtigeres zu tun und könnte am Ende der Saison tatsächlich zum ersten Mal in die Bundesliga aufsteigen.

Die „Störche“ haben Kiels Tierleben bunter gemacht. In den vergangenen Jahrzehnten galoppierten dort die „Zebras“ von einem Handballtitel zum nächsten. In der Stadt gab es keine Konkurrenz. Kiel – das war, ist und wird immer Handball sein. Aber die Fußballer weiden jetzt auch auf dem üppigen holsteinischen Grün.

Offenbar werden beide satt. Der THW zieht nach wie vor 10.000 Zuschauer, Holstein mittlerweile aber auch. Noch 2013 rumpelten die Kieler durch die viertklassige Regionalliga, jetzt bilden sie ein Zweitligaspitzenteam, dessen Trainer Markus Anfang extrem mutigen Fußball spielen lässt. Die Menschen begeistert das. Längst wird über den Bau einer neuen Arena nachgedacht, weil der alte Schuppen zu bersten droht.

Das alles belegt zwei Dinge. Erstens: Der Fußball ist nach wie vor kreativ genug, um auch ohne jordanische, österreichische oder russische Geldgeber eine Cinderella-Geschichte zu schreiben. Zweitens: Eine mittelgroße Stadt mit 250.000 Einwohnern (oder ein wenig mehr) kann durchaus zwei Profiteams auf Top-Niveau vertragen.

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