70 Jahre Nordrhein-Westfalen Leidenschaft, Tradition, Erfolge: 70 Jahre Fußball in NRW

Düsseldorf · NRW gilt als Herzland des deutschen Fußballs. Etwa jeder elfte Einwohner des Bundeslandes ist Mitglied eines der rund 4800 Vereine. Besonders groß ist die Zuneigung zu den Topclubs der Region.

 NRW gilt als Herzland des deutschen Fußballs.

NRW gilt als Herzland des deutschen Fußballs.

Foto: dpa

Das Leitmotiv von Borussia Dortmund lautet "Echte Liebe", das des FC Schalke 04 "Wir leben dich". Mit emotionalen Imagekampagnen werben die beiden Revierclubs um die Gunst der Fans. Aus gutem Grund: Nirgendwo in Deutschland genießt der Fußball einen höheren Stellenwert als in Nordrhein-Westfalen. In der 70-jährigen Geschichte des Bundeslandes ist die Sportart Nummer 1 längst zu einem Bestandteil der heimischen Kultur geworden - mit bundesweiter Außenwirkung. "Die NRW-Vereine hatten schon immer einen bestimmenden Einfluss auf den gesamten deutschen Fußball", urteilte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.

Die fortschreitende Kommerzialisierung in den vergangenen Jahren mit ausufernden Spielergehältern und teuren VIP-Lounges gefiel nicht jedem, tat der Popularität des Fußballs im eher bodenständigen Bundesland aber keinen Abbruch. Rund 4,6 Millionen Zuschauer besuchten in der vergangenen Spielzeit die Meisterschaftsspiele der fünf Erstligisten aus Dortmund, Gelsenkirchen, Mönchengladbach, Köln und Leverkusen. Die Marketingerlöse der Clubs steigen Jahr um Jahr.

Dabei sind die Zeiten, als die Region an Rhein und Ruhr noch die treibende Kraft der deutschen Wirtschaft war, lange vorbei. Doch die Prognosen, dass mit dem Zechensterben und dem Abwärtstrend in der Stahlindustrie auch der Niedergang der Vereine eingeleitet werden könnte, bewahrheiteten sich nicht. In NRW lebte "König Fußball" weiter - nur anders. Aus Clubs wie dem BVB oder Schalke sind längst weltweit operierende Wirtschaftsunternehmen mit Umsätzen von über 250 Millionen Euro geworden.

Allerdings haben nicht alle sportlichen Aushängeschilder den Strukturwandel schadlos überstanden. Glanzzeiten wie in der Saison 1980/81, als mit Mönchengladbach, Dortmund, Köln, Bochum, Leverkusen, Duisburg, Düsseldorf, Bielefeld, Schalke und Uerdingen gleich zehn NRW-Clubs in der Bundesliga spielten, wird es wohl nicht mehr geben.

Traditionalisten geben zu bedenken, dass der Fußball vor lauter Kommerz vergessen hat, woher er kam. Sie schwärmen noch immer vom Sport der Zechenkumpel und Taubenväter. Als die Schlote der Kokereien noch rauchten und die Arbeitsämter leer waren. Als Clubs aus Erkenschwick, Herne und Essen für Schlagzeilen sorgten. Als ein Dribbelkönig wie Reinhard "Stan" Libuda Kultstatus genoss. Einige Plakate der Veranstaltungsreihe eines Predigers mit der Aufschrift "An Jesus kommt keiner vorbei" wurden von Fans mit dem Zusatz "außer Stan Libuda" versehen.

Diese kleine Anekdoten verraten mitunter mehr über die besondere Beziehung der Menschen zum Fußball als Europapokalsiege oder Meisterschaften ihrer NRW-Lieblingsclubs. Und tragen dazu bei, dass sich die Leidenschaft von Generation zu Generation vererbt.

So sorgt der kultige Dialog von Angreifer Willi "Ente" Lippens mit dem Schiedsrichter im Regionalliga-Spiel von Rot-Weiss Essen in Herne an Stammtischen auch rund 50 Jahre später für Gelächter. Den Hinweis des Referees "Herr Lippens, ich verwarne Ihnen", konterte der Angreifer mit den Worten "Herr Schiedsrichter, ich danke Sie!". Diese Schlagfertigkeit brachte ihm einen Feldverweis ein. Nach seiner Profikarriere eröffnete Lippens in Bottrop ein Restaurant. Er nannte es: "Ich danke Sie!"

Unvergessen ist zudem der Auftritt der legendären Fohlen-Elf aus Mönchengladbach im Landesmeister-Wettbewerb 1971, als das scheinbar übermächtige Team von Inter Mailand mit 7:1 vorgeführt, aber die Borussia am Ende doch um den Lohn gebracht wurde. Boninsegna - den Namen des Inter-Spielers, der sich nach dem Büchsenwurf eines Zuschauers vom Platz tragen ließ und damit eine Wiederholung der Partie erzwang, kennt am Niederrhein noch heute jedes Kind.

Allein die imposante Titelsammlung der NRW-Clubs mit sechs Europapokalsiegen, 18 Meisterschaften und 20 Pokaltriumphen zeugt von der exponierten Stellung des heimischen Fußballs. Einen historischen Erfolg erlebte der Fußball-Westen 1997, als der BVB und Schalke binnen weniger Wochen die Champions League und den UEFA-Cup gewannen.

Dass die vergangenen vier nationalen Meistertitel allesamt an den dominanten Branchenführer aus München gingen, ändert nichts an der Einschätzung von Watzke. Mit erkennbarem Stolz verweist der BVB-Geschäftsführer auf Parameter wie Vereinsdichte, Zuschauerresonanz und Verbundenheit: "Es gibt hier einfach eine größere Vielfalt im Fußball als zum Beispiel in Bayern." (dpa)

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