Nach dem WM-Blues Neue Liga, EM-Gigantismus und deutscher Wahlkampf

Berlin · Nationenliga, Pan-Europa-Turnier und ein brisanter deutsch-türkischer Zweikampf um die EM 2024. Nach dem WM-Finale stehen in Fußball-Europa gleich mehrere Premieren und Entscheidungen an. Bis zur WM in Katar müssen sich die Fußball-Fans allerdings länger gedulden als üblich.

 Bundestrainer Joachim Löw wird die DFB-Mannschaft zur EM 2020 führen.

Bundestrainer Joachim Löw wird die DFB-Mannschaft zur EM 2020 führen.

Foto: Frank Rumpenhorst

Vier Jahre, vier Monate und sechs Tage liegen zwischen dem WM-Finale von Moskau und dem WM-Eröffnungsspiel in Katar.

Wegen des Advents-Turniers am Golf 2022 müssen die Fußball-Fans so lang wie seit 1950 nicht mehr auf die nächste WM warten. Bis dahin rückt der Fußball in Europa wieder in den Mittelpunkt - mit mancher Neuerung.

Schon in siebeneinhalb Wochen startet der entthronte Weltmeister Deutschland in die neue Nationenliga und der erste Gegner ist ausgerechnet der neue Champion Frankreich. Bei der EM in zwei Jahren gibt es mit gleich einem Dutzend Gastgebern von Aserbaidschan bis Irland das nächste Novum, bevor 2024 wieder ein deutsches Sommermärchen folgen soll.

Wieso findet die EM 2020 in zwölf Ländern statt?

Die Idee stammt noch vom alten UEFA-Chef Michel Platini. 60 Jahre nach der Premieren-EM wollte der Franzose den völkerverbindenden europäischen Gedanken zum Ausdruck bringen - so die offizielle Version. Kritiker unterstellten ihm eine egoistische sportpolitische Motivation. Gerade Länder aus Osteuropa hatten Platini einst ins Amt verholfen. Die Co-Gastgeberrolle für kleine Fußball-Nationen wie Rumänien, Ungarn oder Aserbaidschan war ein lukrativer Dank.

Wie funktioniert das Turnier?

Die zwölf Gastgeber bilden sechs Paare, in denen die Gruppenspiele stattfinden. In München und Budapest finden die Spiele der Gruppe F statt. Die weiteren Konstellationen sind Rom/Baku, Kopenhagen/St. Petersburg, Amsterdam/Bukarest, London/Glasgow und Bilbao/Dublin.

Jeder Spielort bekam zudem mindestens eine Partie der K.o.-Runde: Kopenhagen, Amsterdam, Bukarest, London, Glasgow, Bilbao, Dublin und Budapest ein Achtelfinale; München, Rom, Baku und St. Petersburg ein Viertelfinale. Halbfinals und Endspiel finden in alle London statt.

Wird der Modus so kompliziert wie bei der EM 2016?

Ja. Wieder sind 24 Teams dabei. Ins Achtelfinale kommen die sechs Gruppensieger und sechs Gruppenzweiten sowie die vier besten Gruppendritten. Fans müssen wieder den Rechenschieber parat haben.

Wieso finden so viele Spiele in England statt?

Eigentlich hatte sich England mit dem Wembley-Stadion nur um Halbfinals und Endspiel beworben. Da aber Belgien keine Garantien für den Stadionbau in Brüssel geben konnte, wurde nachträglich ein weiterer Spielort für einen Gruppenphasen-Slot gesucht. London bewarb sich wie Cardiff und Stockholm und bekam vornehmlich aus ökonomischen Gründen den Zuschlag. Rund 80 Millionen Euro spart die UEFA, weil London eh schon Spielort ist, hieß es aus Verbandskreisen.

Wo spielt die deutsche Mannschaft?

Zumindest die Gruppenphase wird bei erfolgreicher Qualifikation zur Heim-EM. Mindestens zwei und wahrscheinlich alle drei Partien der Vorrunde finden in der Münchner Allianz-Arena statt. Danach ginge es für das DFB-Team auf Europa-Reise. Als Gruppensieger wären Bukarest und St. Petersburg die Spielorte für Achtel- und Viertelfinale. Als Gruppenzweiter müsste man nach Dublin und Rom. Nur als Gruppendritter wäre unter Umständen bei mehreren möglichen Varianten nach einem Achtelfinale in Bilbao München wieder Viertelfinal-Spielort. Ziel aller EM-Träume ist Wembley, wo am 12. Juli das Finale steigt.

Wie läuft die EM-Qualifikation?

Alle 55 UEFA-Mitglieder, also auch die zwölf EM-Gastgeber, müssen die Qualifikation bestreiten. Die Teams werden am 2. Dezember in Dublin in zehn Gruppen mit fünf oder sechs Teams gelost. Die Gruppensieger und Gruppenzweiten lösen das EM-Ticket. Zu diesen 20 Teams kommen noch vier Mannschaften, die sich über die neue Nationenliga ein EM-Ticket sichern können.

Wie funktioniert die neue Nationenliga?

Die 55 UEFA-Mitglieder wurden nach ihrer Leistungsstärke in vier Divisionen eingeteilt. In diesen Ligen gibt es je vier Gruppen, in denen von September bis November in Hin- und Rückspielen die Sieger ermittelt sind. Wenn diese Gewinner-Teams nicht über die normale Qualifikation die EM-Teilnahme schaffen, nehmen sie an einer Playoffrunde im März 2020 teil und können sich dort das Ticket sichern. Ist ein Nationenliga-Gruppensieger schon qualifiziert, bekommt das nächstbeste noch nicht qualifizierte Team den Startplatz für die Playoffs. Dieses Prozedere gilt für jede der vier Divisionen.

Gegen wen spielt Deutschland in der Nationenliga?

Die DFB-Elf wurde in der Divison 1 mit den besten Teams in die Gruppe A mit dem neuen Weltmeister Frankreich und den Niederlanden gelost. Start ist am 6. September in München gegen die Équipe tricolore. Nach den Auswärtsspielen am 13. Oktober in den Niederlanden und am 16. Oktober in Frankreich kommt es am 19. November in Gelsenkirchen zum Gruppenendspiel gegen Oranje. Als Gruppensieger würde sich die DFB-Elf für das Nationenliga-Finalturnier vom 5.-9. Juni 2019 qualifizieren. Als Gruppenletzter steigt man für die nächste Auflage des Wettbewerbs in die Division 2 ab.

Wie wird die übernächste EM organisiert?

2024 wird die EM wieder in einem Land stattfinden. Deutschland und die Türkei sind die einzigen Kandidaten. Die Entscheidung fällt das Exekutivkomitee der UEFA am 27. September in Nyon am Genfer See.

Wie stehen die deutschen Chancen?

Deutschland ist Favorit auf den ersten EM-Zuschlag seit dem Turnier 1988. Mit Werbefigur Philipp Lahm setzt man auf Infrastruktur, aber auch Themen wie Pressefreiheit und Menschenrechte - in klarer Abgrenzung zur Türkei. Deshalb waren die Fotos von Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für DFB-Chef Reinhard Grindel auch ein PR-Desaster. Unter den 18 wahlberechtigten UEFA-Funktionären hat der DFB wohl noch eine zumindest knappe Mehrheit, aber gerade die osteuropäischen Delegierten gelten als potenzielle Türkei-Unterstützer.

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