Kommentar Özils Rücktritt war unvermeidlich

Meinung · Mesut Özil hat sich nach dem Streit um sein Fotos mit Erdogan erstmals geäußert und seinen Rücktritt aus der Nationalelf verkündet. Sowohl Özil als auch der DFB hätten den Ball flacher halten sollen, findet unser Autor

Mesut Özil hat sich geäußert, aber nicht so, wie sich der Deutsche Fußball-Bund das vorgestellt hatte. Özil formulierte drastisch, in Teilen sogar verletzend. Dass er anschließend aus der Nationalelf zurücktrat, war logisch und unvermeidlich.

Es hatte mehr als zwei Monate gedauert, bis der (Ex-)Nationalspieler Stellung bezog zum umstrittenen Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Özil tat dies zudem in einer Form, die keine Fragen ermöglichte, nämlich online. Und vor allem: Er ist sich keines Fehlers bewusst.

Beide Seiten hatten sich weit aus dem Fenster gelehnt, beide hatten ihre Sicht der Dinge dargelegt - und beide blieben konträrer Meinung. Da war keine Brücke mehr, über die man hätte gehen können. Gegenseitige Kritik, gegenseitiges Unverständnis, eine zerrüttete Beziehung. Das Krisenmanagement der Özil-Seite war keinen Deut besser als das des DFB. Ein wenig mehr Flach- statt Steilpass wäre hilfreich gewesen.

Es ist glaubhaft, wenn Özil jetzt beteuert, das Foto sei kein politisches Statement gewesen. Aber er - oder zumindest sein Berater - hätte wissen müssen, wie es wirkt. Politisch, wie sonst? Niemand kann sich mit einem wie Erdogan fotografieren lassen, ohne damit eine Aussage zu treffen. Schon gar nicht Özil, der in Deutschland geboren wurde und türkische Wurzeln hat. Nicht in diesen Zeiten, in denen das deutsch-türkische Verhältnis komplizierter ist als sonst.

Özil hat einen Fehler begangen oder zumindest unbedacht gehandelt. Aber er ist damit nicht zwangsläufig ein Erdogan-Anhänger, nicht automatisch ein Beispiel für misslungene Integration und schon gar nicht dafür verantwortlich, dass Deutschland bei der WM bereits in der Vorrunde ausgeschieden ist. Die ganze Angelegenheit war viel zu groß geworden. Sie hatte eine Wucht bekommen, die sehr Unappetitliches hervorbrachte. Die Frage ist ja nicht nur, wie Menschen namens Mesut zu Deutschland stehen, sondern auch, wie Menschen namens Hans-Joachim zu allem stehen, was irgendwie fremd ist.

Welche Reaktionen hätten deutsche Fans gezeigt, wenn Özil demnächst wieder für die DFB-Elf aufgelaufen wäre? Und was hätte wiederum daraus entstehen können? Man will es gar nicht wissen. Wahrscheinlich war es am besten, endlich einen Strich zu ziehen. Jede Partei - Özil und der DFB - kann ganz gut ohne die andere leben.

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