„Ich bin und bleibe Optimist“ RB-Leipzig-Chef Oliver Mintzlaff im Interview

Bonn · Oliver Mintzlaff weilt aktuell in seiner Heimat im Siebengebirge. Im GA-Interview spricht der Geschäftsführer des Fußball-Bundesligisten RB Leipzig über die Corona-Krise, Konstanze Klosterhalfen und das Siebengebirge.

 Heimatliche Kulisse: Oliver Mintzlaff beim Interview auf dem Drachenfels. Seine zweite Heimat ist inzwischen Leipzig.

Heimatliche Kulisse: Oliver Mintzlaff beim Interview auf dem Drachenfels. Seine zweite Heimat ist inzwischen Leipzig.

Foto: Frank Homann

Oliver Mintzlaff ist in Bockeroth aufgewachsen – wie Konstanze Klosterhalfen. Heute betreut der starke Mann des Fußball-Bundesligisten RB Leipzig die WM-Dritte über 5000 Meter. Über die Fortsetzung der Bundesliga-Saison in Corona-Zeiten, die Leichtathletin und die Liebe zum Siebengebirge sprach Hansjürgen Melzer auf dem Drachenfels mit Mintzlaff.

Was bedeuten die Entscheidungen der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten vom Mittwoch für die Fortsetzung der Bundesliga-Saison?

Oliver Mintzlaff: Das Thema Fußball war sicher am Mittwoch nicht das wichtigste. Wir glauben aber weiter, dass Spiele ohne Zuschauer relativ zeitnah umsetzbar sind. Und dafür müssen wir beispielsweise sicherstellen, dass 200 bis 300 Personen in die Stadien können, um einen reibungslosen Spieltag zu gewährleisten. Wir Vereine sind natürlich ebenfalls gefragt, das Ganze mit unseren medizinischen Abteilungen zu unterstützen, sodass wir nächste Woche bei der Mitgliederversammlung der DFL im Idealfall zu einem Ergebnis kommen, in welcher Form Spiele ohne Zuschauer durchführbar sein können. Ich gehe davon aus, dass das Thema bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin am 30. April entschieden wird.

Ist es praktikabel, Fußball-Profis zwei Monate lang in einer Blase ohne Kontakt zur Außenwelt einzusperren?

Mintzlaff: Die ganze Welt ist gefühlt gerade in einer Blase und eingesperrt. Natürlich ist das für alle eine ungewohnte Situation, weil wir das so noch nie erlebt haben. Irgendwann muss man aber wieder zu einer gewissen Normalität zurückkehren. Es ist vollkommen richtig, dass die Gesundheit an erster Stelle steht. Und alles andere ist daher erst einmal zweitrangig. Es geht beim Fußball dann allerdings auch nicht nur um die 22 Spieler auf dem Rasen. Der Fußball ist ein riesiger Wirtschaftszweig mit mehr als 55 000 Mitarbeitern.

Ist es aber auch vor dem Hintergrund vertretbar, dass zum Beispiel Ehepartner sich in Altenheimen nicht besuchen dürfen? Oder wenn zusätzliche 20 000 Corona-Tests notwendig sind, um den Fußballbetrieb sicherzustellen?

Mintzlaff: Das ist für mich kein passender Vergleich. Dass man alte Menschen, die man liebt, zurzeit nicht besuchen kann, ist extrem traurig. Aber man sollte auch individuell betrachten, wie ich den Schaden minimieren kann. Jeder muss versuchen, für seinen Bereich Lösungen zu finden. Und der Fußball ist mit einem Umsatz von weit über fünf Milliarden Euro pro Jahr einer der größten Wirtschaftsbetriebe im Profisport.

Sie sagten kürzlich, ein Saisonabbruch wäre ein Desaster. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Mintzlaff: Das wäre ein absolutes Desaster, weil es viele Clubs in die Insolvenz führen könnte. Wir lieben die Vielfalt der Bundesliga, und jeder Fan möchte, dass sie so weiter bestehen bleibt. Daher wollen wir auch alles versuchen, dieses Desaster zu verhindern.

Muss sich Leipzig mit einem zahlungskräftigen Sponsor aber, verglichen mit vielen anderen Clubs, nicht viel weniger Existenzsorgen machen?

Mintzlaff: Bei uns wird immer kolportiert, dass ich Herrn Mateschitz anrufe und dann direkt das Geld überwiesen wird. Das kann ich ins Reich der Fabel verweisen. Auch wir haben Budgets und müssen, wollen und werden uns an die Regularien halten, zum Beispiel dass ein Partner nur eine bestimmte Summe zur Verfügung stellen kann. Man darf nicht vergessen, dass wir erst das vierte Jahr Bundesliga spielen. Um sich zum Beispiel durch Transfers ein ordentliches finanzielles Polster zu erarbeiten, braucht es mehr als vier Bundesligajahre.

Der Vorsitzende der Leopoldina, Gerald Haug, hat vor einigen Tagen gesagt, dass Stadionbesuche vielleicht erst in eineinhalb Jahren wieder möglich sein werden. Was ist, wenn er recht hat?

Mintzlaff: Dann ist es so. Das wäre hart für jeden Fan, der das Spiel live vor Ort im Stadion liebt. Die Bundesliga zeichnet sich ja dadurch aus, dass sie fantastische Fans hat. Aber wenn es generell keine Veranstaltung mit Zuschauern geben kann, dann gilt es auch hier, den Schaden so weit zu minimieren wie möglich. Ich bin und bleibe allerdings Optimist und kann mir das so nicht vorstellen.

Wie trainiert die Mannschaft von RB Leipzig zurzeit?

Mintzlaff: In Kleinstgruppen. Es gab eine entsprechende Auflage der örtlichen Gesundheitsbehörde, mit der wir in einem guten und permanenten Austausch sind. Irgendwann wird es in dieser Form natürlich trotzdem schwierig, sollten wir tatsächlich am 9. Mai wieder spielen können. Da muss Julian Nagelsmann mit der Mannschaft selbstverständlich auch mal richtig trainieren können. Das ist zurzeit nicht die Vorbereitung, die man vor einem Spieltag bräuchte. Die DFL arbeitet auch daran, einen tragbaren Vorschlag für alle Clubs zu entwickeln.

Wie haben Sie die Anfeindungen der Fans gegen Dietmar Hopp erlebt? War die anschließende Reaktion der Liga auf vergleichbar harmlose Plakate angemessen?

Mintzlaff: Die Beschimpfungen sind natürlich absolut zu verurteilen. Dietmar Hopp ist ein großartiger Mensch, der so viel Gutes in seiner Region und für den deutschen Sport getan hat, der Menschen und Start-ups hilft. Ich kann nur hoffen, dass wir auch durch diese Krise und die durch sie ausgelöste Solidarität so etwas nicht mehr erleben werden. Ich finde die Reaktion, Spiele abzubrechen, richtig. Jeder Verein ist da gefordert, mit seinen Ultras in den Dialog zu gehen und ihnen zu erklären, dass sie gerne gegen Kollektivstrafen demonstrieren können und auch nicht jeder bei ihren Meinungsäußerungen zu zart besaitet sein darf, aber dass es einfach ganz klare Grenzen gibt, die nicht überschritten werden dürfen.

RB Leipzig war selbst lange Zeit Zielscheibe solcher Anfeindungen. Hat sich die Lage verändert?

Mintzlaff: Natürlich haben wir mit Red Bull einen Hauptgesellschafter, der bei uns viel investiert und unter anderem eine großartige Trainingsakademie gebaut hat, der aber auch erwartet, dass wir sorgfältig und nachhaltig mit den Ressourcen umgehen. Alles, was in Deutschland neu ist, wird ja sowieso erst einmal kritisiert. Viele Kritiker, die uns vorgeworfen haben, dass wir die Liga finanziell auf den Kopf stellen, haben wir eines Besseren belehrt. Ich glaube, dass viele diesen nachhaltigen und kontinuierlichen Weg anerkennen. Das hat dazu geführt, dass die Kritik deutlich abgenommen hat und seit rund zwei, drei Jahren auch weitestgehend verstummt ist.

Wenn die Saison fortgesetzt werden sollte: Kann Leipzig bei fünf Punkten Rückstand auf die Bayern noch ins Meisterschaftsrennen eingreifen?

Mintzlaff: Es gilt jetzt für uns, sich nicht mit der Meisterschaft zu beschäftigen, sondern sich darauf zu fokussieren, dass wir uns wieder für die Champions League qualifizieren. Das wird noch schwer genug, weil es mindestens fünf Teams gibt, die um diese Plätze kämpfen.

Wie könnten sich die fehlenden Zuschauer auswirken?

Mintzlaff: Es wird spannend zu sehen sein, welche Mannschaften damit besser klarkommen und welchen Teams die Unterstützung im Stadion fehlt. Das wird eine interessante Geschichte, die wir gar nicht vorhersehen können, weil wir das alle so noch nie erlebt haben.

Bayern München und Liverpool sollen Interesse an Timo Werner haben. Wird er in der kommenden Spielzeit das RB-Trikot tragen?

Mintzlaff: Bei mir hat sich weder Jürgen Klopp noch Karl-Heinz Rummenigge gemeldet. Wir sind erst einmal froh, dass wir den Vertrag mit ihm bis 2023 verlängern konnten. Er hat eine richtig starke Hinrunde gespielt und war nicht nur wegen seiner 18 Tore maßgeblich daran beteiligt, dass wir Herbstmeister geworden sind. Wir glauben weiterhin, dass wir für Timo Werner noch eine sehr gute Bühne sind, auf der er sich als deutscher Nationalspieler weiterentwickeln kann.

Welche Rolle spielen Sie im Beraterteam von Konstanze Klosterhalfen?

Mintzlaff: Ich bin ihr freundschaftlicher Berater. Wir sind ja beide in Bockeroth aufgewachsen, und mit ihrem Vater Bernd habe ich mich vor einigen Jahren auf seinen Wunsch hin einfach mal getroffen. Ich habe Konstanze dann mit meiner Erfahrung und mit Tipps unterstützt, was das Thema Verein und Ausrüster angeht. Ich habe auch schnell erkannt, dass ihr damaliger Trainer in Leverkusen nicht ausreicht. Ich habe ihr daher geraten, woandershin zu wechseln, weil sie in meinen Augen damals schon das Potenzial hatte, sich auf ein Weltklasseniveau zu entwickeln.

Ist es klug, dass Konstanze nach dem Aus des Nike Oregon Projects trotzdem in den USA weitertrainiert?

Mintzlaff: Wie bereits gesagt, habe ich ihr zu dem Umzug in die USA geraten und würde ihr das auch jederzeit wieder vorschlagen. Bei Nike trifft sie ganz andere professionelle Voraussetzungen an, die sie hier einfach nicht hatte. Und der Wechsel ins Ausland war zudem auch wichtig für ihre persönliche Entwicklung. Das Leben dort gefällt ihr total. Sie hat auf dem Nike-Campus in Bezug auf die Infrastruktur auch unglaubliche Möglichkeiten und mit Pete Julian einen Trainer, der schon viele Weltklasseathleten trainiert hat. Es macht viel aus, wenn du einen Coach hast, der dir sagt, dass du irgendwann Weltrekord rennen kannst.

Schadet es nicht aber ihrem Ruf, dass sie dort weitertrainiert?

Mintzlaff: In Deutschland sicherlich. Wir sind ein Land voller Neider und warten gefühlt immer auf das Negative. Ich habe zu Konstanze gesagt, entweder wir halten das jetzt aus, weil wir wissen, dass du sauber bist und in den Spiegel schauen kannst, oder wir beugen uns dem medialen Druck und suchen eine andere Lösung. Da war für sie klar, dass sie dort bleiben möchte. Die Leute können hinfahren und sich einen Eindruck davon verschaffen, wie sie dort trainiert. Das ist ein brutal hartes Training, das wir in Deutschland überhaupt nicht kennen. Und sie verkraftet das.

Was trauen Sie ihr noch zu?

Mintzlaff: Konstanze ist ein Jahrtausendtalent. Ich glaube, dass sie Weltrekord über 5000 Meter laufen kann. Wir Deutsche sollten stolz sein, dass wir eine solche Athletin haben und nicht hinter jedem Busch den Doktor mit der Epo-Spritze vermuten. Den gibt es nicht. Ich würde für wenige Menschen die Hand ins Feuer legen. Für Konstanze würde ich es tun.

Sie sind in Bockeroth aufgewachsen und vor einigen Jahren wieder nach Ittenbach gezogen, was zur Folge hat, dass Sie jetzt nach Leipzig pendeln müssen. Was bedeutet Ihnen die Region?

Mintzlaff: Ich bin schon, als ich bei Puma und Ferber Marketing gearbeitet habe, jedes Wochenende nach Hause gefahren. Ich habe immer eine Wohnung in der Bonner Südstadt gehabt. Meine Bindung nach Bonn und ins Siebengebirge ist extrem groß. Bonn ist für mich die schönste Stadt der Welt. Ich wollte immer im Siebengebirge wohnen. Jetzt haben wir ein Grundstück gefunden, wo ich auf den Oelberg schaue. Das ist für mich die Ruhe-Oase, in der ich viel Kraft tanken und meine Akkus wieder aufladen kann. Aber ich muss auch sagen, dass ich mich in Leipzig unheimlich wohlfühle und die Stadt mittlerweile auch zu meiner zweiten Heimat geworden ist.

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