Wenige nachdenkliche Stimmen Türkische Medien: Verständnis für Özil und Kritik an Almanya

Istanbul · "Ehrenhaft", "wichtiges Signal", "gerechtfertigt" - türkische Medien und Politiker begrüßen Özils Rücktritt. Einige werfen Deutschland Rassismus vor, doch es gibt auch nachdenkliche Stimmen.

 Mesut Özil ist seit 2007 deutscher Staatsbürger. Beurteilt werden will er als Fußballer, nicht nach nationalen Kriterien.

Mesut Özil ist seit 2007 deutscher Staatsbürger. Beurteilt werden will er als Fußballer, nicht nach nationalen Kriterien.

Foto: Julian Stratenschulte

Nach dem Rücktritt von Mesut Özil aus der deutschen Nationalmannschaft haben türkische Medien und Politiker Verständnis für die Entscheidung des Fußballers gezeigt. Zugleich kritisierten Kommentatoren Rassismus in Deutschland und den Druck, dem Özil ausgesetzt gewesen sei.

Der in Deutschland aufgewachsene Abgeordnete der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP, Mustafa Yeneroglu, warnte vor einer Verkürzung der Debatte auf das Foto mit Erdogan. Er kritisierte die "weit verbreitete Bevormundung von Deutschtürken". Migranten solle "das einseitige deutsche Bild von Erdogan" aufgezwungen werden - jenen, die nicht spurten, würde der Weg zum Ausgang gewiesen.

AKP-Sprecher Mahir Ünal kritisierte, der Umgang mit Özil habe gezeigt, dass in Deutschland die eigentliche Absicht nicht Integration, sondern Assimilierung sei. Weiter sagte er: "Die Reaktion von Mesut Özil ist äußerst passend und gerechtfertigt."

Der Sportkommentator der regierungsnahen Zeitung "Habertürk", Halil Özer, forderte eine Entschuldigung Deutschlands bei Özil. Es sei vollkommen natürlich, dass dieser sich mit dem Präsidenten seiner "ursprünglichen Heimat" fotografieren lasse.

Sein "Habertürk"-Kollege Serdar Ali Celikler schreibt, das Ziel, Mesut Özil aus der deutschen Nationalmannschaft zu drängen, sei erreicht worden. Der "rassistische Kopf", der in Deutschland noch immer im Hintergrund agiere, habe Özil "regelrecht zu dieser Entscheidung gezwungen".

Sportkommentator Cem Dizdar warnte im staatlichen Sender TRT Spor davor, nur über "die Deutschen" zu reden. In der Kritik stehe vor allem der DFB und eine Gruppe von Deutschen. "Man darf nicht verallgemeinern. Das ist eine Falle des Rassismus."

CNN-Türk-Journalist Erhan Merttürk sagte, Özil habe der Deutschen Gesellschaft "ein wichtiges Signal" gegeben. In Zukunft würden sich deutsch-türkische Fußballer jedoch eher für die türkische Nationalmannschaft entscheiden.

Ridvan Dilmen, Sportkommentator für NTV, appellierte an Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Meiner Meinung nach muss sich Merkel und das deutsche Volk für Mesut einsetzen."

Der Erdogan-Berater Hamza Yerlikaya schrieb auf Twitter: "Wir 82 Millionen haben Dir einstimmig die Grenzen unserer Herzen geöffnet, mein Bruder." Bereits am Sonntagabend hatten türkische Regierungspolitiker via Twitter Özils Rücktritt begrüßt. Sportminister Mehmet Kasapoglu schrieb etwa: "Wir unterstützen die ehrenhafte Haltung unseres Bruders Mesut Özil von Herzen."

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