Fußball Videobeweis: Regelhüter entscheiden über Test

London · Das Klagen über (vermeintlich) falsche Schiri-Entscheidungen auf dem Fußballplatz könnte bald ein Ende haben. Wenn die Regelhüter nun beschließen, den Videobeweis zu testen, will Deutschland nicht abseits stehen.

 Der Videobeweis soll kommen.

Der Videobeweis soll kommen.

Foto: Koen Van Weel

Tor, Handspiel, wieso entscheidet der Schiedsrichter immer gegen "uns"? Ärger über die Unparteiischen gehört zum Fußball wie Frust nach dem versemmelten Freistoß. Bislang. Denn im walisischen Cardiff bahnt sich am Samstag Historisches an:

Die Regelhüter des Weltfußballs entscheiden aller Voraussicht nach, den Videobeweis zu testen. Und Deutschland ist vorne mit dabei. Fast alle, die im Fußball Rang und Namen haben, sind inzwischen für die Testphase. Auch Gianni Infantino, der bei der Generalversammlung des International Football Association Board (IFAB) erstmals in seiner Rolle als frisch gewählter FIFA-Präsident Fußball-Politik machen muss - und dann gleich revolutionäre. "Wenn der Fluss des Spiels garantiert ist, müssen wir sehen, wie Technologie dem Spiel helfen kann", sagte der Schweizer kürzlich.

Der Chef der Deutschen Fußballliga, Christian Seifert, stößt ins selbe Horn. "Ich glaube, dass es gut ist, sich damit zu beschäftigen. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel", sagte er. Und DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann leitet seine Einstellung aus Beobachtungen im Stadion ab: "Ich habe manchmal den Eindruck, die Fans schauen länger auf ihr Smartphone als auf das Spielfeld."

Dass es "Videobeweise" etwa auf dem Handy während des Spiels längst für fast alle gibt, ist für das IFAB der Hauptgrund, nicht weiter zu zögern. Im Januar sprachen die Direktoren eine "starke Empfehlung" zugunsten der Tests aus. Im Vorjahr hatte man das Thema noch vertagt, das natürlich vor allem Schiedsrichter umtreibt.

Besonders nach krassen Fehlentscheidungen, etwa dem nicht gegebenen Tor für England im WM-Achtelfinale 2010 gegen Deutschland (Endstand 4:1), kochte die Debatte hoch - und verlief über viele Jahre immer wieder im Sand. In anderen Sportarten, etwa im Eishockey oder im Rugby, gehört die Verifizierung per Video dazu. Die Gegenargumente sind bekannt: Der Spielfluss leidet, Fehlbarkeit gehört zum Spiel, der kompletten Technisierung des Fußballs wird Tür und Tor geöffnet.

Auch jetzt warnen der DFB und die DFL, die sich bei der FIFA um eine zweijährige Testphase beworben haben: Es bleibe abzuwarten, was die Tests mit dem Spiel mache, der Charakter des Spiels dürfe nicht verändert werden, die Beweise dürften nicht zu taktischen Mitteln werden. Und die als strikt konservativ geltenden IFAB-Regelhüter betonen, es gehe um Probeläufe, noch längst nicht um die Einführung der Technik, und nur um spielentscheidende Situationen.

Getestet werden sollen über die kommenden zwei oder drei Spielzeiten verschiedene Videobeweis-Varianten - mit Unterbrechung des Spiels oder ohne, mit Bildschirm für den Schiedsrichter am Spielfeldrand oder einem zusätzlichen Assistenten, der außerhalb des Spielfelds sitzt. Dazu soll es unabhängige Studien geben.

Auf der Tagesordnung in Cardiff ist all das übrigens erst Punkt sechs. Davor spricht das achtköpfige Gremium über die so genannte Dreifachbestrafung nach Notbremsen im Strafraum, der Einsatz von Strafbänken und einen vierten Spielerwechsel in der Verlängerung. Eine echte Revolution wäre wohl nur der Videobeweis.

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