Lauftalent aus Königswinter Klosterhalfen verlagert Lebensmittelpunkt in die USA

Bonn · Konstanze Klosterhalfen trainiert ab sofort nicht mehr in Leverkusen. Das große deutsche Lauftalent aus Königswinter wird sich im US-Bundesstaat Oregon auf künftige Rennen vorbereiten. Hinter der Neuausrichtung stehen wohl auch Differenzen mit ihrem bisherigen Trainer.

Sie gilt als Deutschlands größtes Lauftalent. Ihre furiosen Rennen haben Gegnerinnen aus aller Welt geschockt und Fans begeistert - nur mangels Routine und taktischer Fehler verpasste Konstanze Klosterhalfen als blutjunge Athletin bei Olympia 2016 und Leichtathletik-WM 2017 das Finale. Sie ist gerade mal 21, mischt seit zwei Jahren die Weltklasse auf. Und zündet jetzt die nächste Stufe ihrer Blitzkarriere. Klosterhalfen will dauerhaft in einem elitären Kreis von Weltklasseathleten im US-Bundesstaat Oregon trainieren - in einem Camp, das maßgeblich von ihrem dort ansässigen Ausrüster Nike unterstützt wird. Ab sofort. Um ihren atemberaubenden Aufstieg fortzusetzen.

Ziemlich früh am Mittwochmorgen stieg Klosterhalfen in Düsseldorf ins Flugzeug. Ziel der Reise: Portland. Von ihren Trainingsfreunden bei Bayer Leverkusen hat sie sich verabschiedet, öffentlich reden wollte sie jedoch nicht über ihren Aufbruch, der einen gewaltigen Einschnitt für die heimatverbundene Athletin aus dem idyllischen Siebengebirgsort Bockeroth bedeutet. Eine Stellungnahme Klosterhalfens will ihr Management erst in den nächsten Tagen nach Abstimmung mit ihrem Sponsor Nike abgeben.

"Konstanze ist in den USA, ich werde mich am Wochenende telefonisch bei ihr über den Stand der Dinge informieren", sagte Idriss Gonschinska dem General-Anzeiger am Donnerstag auf Anfrage. Der Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) wollte die Neuorientierung Klosterhalfens, die sich nach einer Verletzungspause im Frühjahr als 5000-Meter-Vierte der Heim-EM in Berlin sehr achtbar aus der Affäre gezogen hatte, nicht vorab bewerten.

Unübersehbare Differenzen mit dem Trainer

Disharmonien in der Zusammenarbeit zwischen ihrem langjährigen Trainer Sebastian Weiß und der Athletin waren im Sommer unübersehbar. Weiß favorisierte nach überwundenen Knieproblemen eine stärkere Fokussierung auf die längere Bahndistanz, Klosterhalfen selbst sah sich jedoch weiterhin als 1500-Meter-Spezialistin und den 5000-Meter-Start bei der EM "vorerst nur als Ausflug".

Gonschinska sagte, der DLV respektiere die "persönliche Entscheidung von mündigen Athleten über ihren Lebensmittelpunkt". Weiß solle in seiner Rolle als zuständiger Bundestrainer "eng mit ihr verzahnt bleiben", betonte Gonschinska, "um der hochbegabten Athletin alle Angebote des Verbandes" weiter offenzuhalten. Selbstverständlich bleibe sie im Bundeskader. Es könne ja auch sein, dass sie ein paar Wochen später zurückkehre. Derzeit ist das allerdings nur für einen Familienurlaub über Weihnachten in Bockeroth geplant. Das erste Halbjahr 2019 soll sie in den USA traineren, danach beginnt ohnehin die Meetingsaison in Europa.

Die Trennung von ihrem Leverkusener Trainer nach sechs Jahren der Zusammenarbeit stieß bei Klosterhalfens Verein erwartungsgemäß nicht nur auf Gegenliebe. Unter Anleitung von Weiß hat sie insgesamt zehn deutsche Titel (inklusive Jugend) - und drei Nachwuchseuropameisterschaften gewonnen. Zuletzt wurde sie dreimal in Folge deutsche Frauenmeisterin über 1500 Meter. Diese Ära der engen Zusammenarbeit ist nun zu Ende, allerdings startet Klosterhalfen bei nationalen Titelkämpfen weiter für Leverkusen.

"Wir sind sehr froh darüber, ein Konstrukt gefunden zu haben, das sie im Verein hält", sagte Bayer-04-Leichtathletikgeschäftsführer Jörn Elberding auf GA-Anfrage.

Pete Julian ist neuer Coach

Ansonsten ist mit einem Schlag so ziemlich alles neu für die Studentin, die an der Sporthochschule in Köln eingeschrieben bleibt. Pete Julian heißt Klosterhalfens neuer Trainer, er war 10.000-Meter-WM-Teilnehmer 1999. Der 47-Jährige US-Amerikaner wirkt als Assistent von Headcoach Alberto Salazar im Rahmen des sogenannten "Oregon Projects" - in unmittelbarer Nähe der Unternehmenszentrale des Sportartikelgiganten in Beaverton in der Region Portland im Nordwesten der USA. Vorerst, nur so viel verrät Elberding noch, sei Klosterhalfen "nicht Bestandteil des Projekts". Offenbar soll sie behutsam herangeführt werden.

2001 hatte Nike das Oregon-Projekt initiiert, nach 20 Jahren Erfolglosigkeit US-amerikanischer Langstreckler - mit dem Ziel, optimale Trainingsbedingungen nach modernsten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu schaffen. Nach und nach wurde eine internationale Truppe daraus, auch Großbritanniens zweimaliger Doppel-Olympiasieger Mo Farah holte sich dort den Schliff. Laut Oregon-Project-Website gehören aktuell sieben Männer und drei Frauen aus vier Nationen zum Team, darunter die für die Niederlande startende 5000-Meter-Europameisterin äthiopischer Herkunft, Sifan Hassan. Klosterhalfen könnte die vierte Läuferin werden, wenn auch vorerst nicht offiziell. Und die erste Deutsche, sollte sie aufgenommen werden. Der deutsche Marathonrekordler Arne Gabius war vor wenigen Jahren abgelehnt worden.

Für Klosterhalfen spricht ihre einzigartige Leistungspalette: 800 Meter unter zwei Minuten (1:59,65 min), 1500 Meter unter vier Minuten (3:59,30) und 5000 Meter unter 15 Minuten (14:51,38) - und das im Alter von 20 Jahren. Also ihre Jugend, ihre große Perspektive. Dem Vernehmen nach sind bei ihr bei einem Medizincheck in Oregon, wie auch schon zu einem früheren Zeitpunkt bei der Leistungsdiagnostik in Leipzig, höchst außergewöhnliche Talentparameter festgestellt worden.

Besondere Trainingsmethode in den USA

Nun hat sie die perfekten Bedingungen, ihre Begabung auszuschöpfen. Zum Beispiel auch dank des sogenannten "Höhenhauses", in dem die Athleten bei Tag und Nacht unter Hypoxiebedingungen leben und trainieren können. Also wahlweise in der gewünschten Höhe - je nach Konzept. Näheres halten die Verantwortlichen unter Verschluss. Trainingsgeheimnis.

Die anfangs von der US-Anti-Doping-Agentur als fragwürdig bezeichnete Höhenhaus-Methode ist inzwischen längst akzeptiert. Gegen Dopingvorwürfe in Zusammenhang mit den Erfolgen von Galen Rupp (USA), 10 000-Meter-Olympiazweiter von 2012, hat sich der frühere Marathon-Weltrekordler Salazar ausdrücklich gewehrt. "Lass die Hasser hassen; wir werden weiter siegen durch harte Arbeit, Entschlossenheit und Fair Play", wurde der Headcoach 2015 in einem Offenen Brief zitiert. Sportartikelhersteller Nike, dessen Sponsoringverträge bei Dopingvergehen strenge Sanktionen vorsehen, verlautete damals, eigene Recherchen hätten die Unschuld von Salazar und Rupp belegt.

Klosterhalfen ficht das sowieso nicht an. "Ich will", so hat sie es schon oft formuliert, "einfach nur laufen". Es genießen, sich ganz darauf konzentrieren, unter besten Bedingungen - und alles drumherum abschalten. Was ihr in Portland bei ihrem Aufbruch in die Neue Welt sicherlich besser denn je gelingen kann.

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