Handball-WM Auf die deutsche Mannschaft warten Schwergewichte

Berlin · Die bisherige Bilanz der Handball-WM: Die deutsche Auswahl kann mit den Topteams mithalten. Das ist die Erkenntnis nach dem dramatischen Spiel gegen Weltmeister Frankreich mit dem unglücklichen Ausgleichstreffer kurz vor Schluss.

Kurz nach 23 Uhr verließ der Mannschaftsbus am Dienstag die Halle, kurz vor 23.30 Uhr waren die deutschen Handballer wieder im Hotel. Immer noch vollgepumpt mit Adrenalin, immer noch damit beschäftigt, das 25:25 (12:10) gegen Frankreich zu verdauen.

Andreas Wolff wäre gerne noch in die Sauna gegangen. „Aber die war schon zu“, erzählte der deutsche Torhüter tags darauf. Also ging Wolff aufs Zimmer, machte dies, machte das, wälzte sich vor allem im Bett hin und her, ehe er schließlich doch noch einschlief. „Ich glaube, es war vier Uhr“, sagte Wolff.

Der Mann, der einst in Rheinbach ausgebildet wurde, teilt sich ein Zimmer mit Jannik Kohlbacher. Für Wolff ist das nicht immer leicht, denn Kohlbacher wünscht irgendwann eine gute Nacht und ist drei Sekunden später im Tiefschlaf. „Dann schnarcht er, als würde er ganz Brasilien abholzen“, plauderte Wolff bestens gelaunt. „Aber diesmal konnte auch Jannik nicht einschlafen.“

Es gab viel zu besprechen für die beiden. Das war so in allen Zimmern der Hoteletage, die der Deutsche Handball-Bund für die Tage in Berlin geblockt hatte. Nur eine Sekunde fehlte zum Sieg – war das jetzt ein Punktverlust oder ein Punktgewinn? Es dauerte nicht lange, bis sich die Meinung durchgesetzt hatte, das Glas als halbvoll zu betrachten.

Deutschland steht in der WM-Hauptrunde und nimmt das Remis gegen Frankreich mit. Wahrscheinlich auch den klaren Sieg gegen Brasilien. 3:1 Punkte sind nicht schlecht, eigentlich sogar ziemlich gut, obwohl nur ein Wimpernschlag fehlte, um mit 4:0 Zählern das Medaillenrennen aufzunehmen. Wichtiger als die nackten Zahlen war jedoch eine Erkenntnis, die erst das Frankreich-Spiel geliefert hatte. „Wir können mit den Großen mithalten, wir können gegen jeden gewinnen“, sagte Co-Trainer Alexander Haase, wobei die Betonung auf „können“ lag. Diese Gewissheit war nur eine Hoffnung gewesen vor dem Turnierstart, aber auf dem Weg zu einer Medaille ist sie elementar.

Mannschaft macht eine Entwicklung durch

Weitere Große stellen sich dem Team bald in den Weg. Für den deutschen Teil der Hauptrunde in Köln werden die Gruppen A und B zusammengeführt. Bleibt Deutschland Zweiter der Gruppe A, was wahrscheinlich ist, spielt die Mannschaft am Samstag gegen den Dritten der Gruppe B, Island oder Mazedonien. Erst am darauffolgenden Montag und Mittwoch warten dann die Schwergewichte Spanien und Kroatien. Diese Reihenfolge ist allen – Spielern, Trainern und Funktionären – ganz recht. So kann weiter wachsen, was noch nicht ganz fertig ist.

Das Spiel gegen Frankreich zeigte allerdings, dass die Mannschaft eine Entwicklung durchmacht. In der Abwehr, die noch kraftvoller zupackte als sonst, aber auch im Angriff, wo Regisseur Martin Strobel ungeahnte Torgefahr entwickelte (Bericht auf dieser Seite) und auch Fabian Böhm ins Turnier fand. Trotz seines fatalen Fehlpasses, der Frankreich noch den Ausgleich ermöglichte. Insgesamt erinnerte das Bob Hanning erstmals wieder an die Überraschungs-Europameister von vor drei Jahren. „Dieser Mannschaftsgeist, wie alle gefightet haben“, sagte der DHB-Vizepräsdient Leistungssport, „das war wie 2016. Da spürst du ein Kribbeln.“

Hanning spürt dieses Kribbeln auch im Land. Zwölf Millionen Fernsehzuschauer in der Spitze sahen am Dienstag das Spiel gegen Frankreich. „Wir haben die Zehn geknackt, das macht uns stolz“, sagte Hanning. „Wenn wir aber einen Marktanteil von 30 Prozent haben, frage ich mich, was die anderen 70 Prozent machen. Auch die müssen wir vor den Bildschirm holen.“

Im letzten Gruppenspiel gegen Serbien wird das an diesem Donnerstag (18 Uhr, ARD) kaum gelingen. Deutschland ist weiter, das nimmt viel von der Spannung. Womöglich taucht aber ein neuer Spieler im Kader auf. Steffen Weinhold hat sich eine Zerrung zugezogen, vorsichtshalber stieg deshalb Kai Häfner ins Training ein.

Am Freitag wird der Tross dann nach Köln weiterreisen. Die Anwurfzeiten für die deutschen Hauptrundenspiele sind übrigens grundsätzlich fixiert. Am Samstag um 20.30 Uhr, am Montag und Mittwoch um 18 Uhr. Am Samstag bedeutet das für die meisten Spieler wohl: schlaflos in Köln.

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