Olympia-Tagebuch Brasilianische Selbstironie

Rio de Janeiro · Egal, wo sich der Deutsche in Rio als Deutscher zu erkennen gibt: Das 7:1 ist allgegenwärtig. Und dass die Frage nach der Herkunft den Gästen Rios an diesen olympischen Tagen immer wieder gestellt wird, ist zwangsläufig. Zum Beispiel in der Bar, in der ich mir anschaute, wie Neymar & Co. durch das 4:0 gegen Dänemark doch noch im Fußballturnier blieb.

Sobald das Wort Alemanha ausgesprochen ist, schleicht sich meist ein Lächeln ins Gesicht des Fragenden. So wie in das des Kellners, der mir kurz danach das bestellte Bife milanese serviert, einpaniertes Schnitzel. Dessen Konsistenz lässt zwar Assoziationen an Schuhsohlen aus der Ära Pele zu, aber böse Absicht unterstelle ich nicht. Pappsatt macht es mit reichlich Ketchup auch.

Nach meinem Eindruck löst die ungewollte, aber nicht unangenehme Rolle als Repräsentant des futebol alemão bei den Brasilianern ein Gefühl aus, das irgendwo zwischen einer Art Scham und einer Portion Bewunderung anzusiedeln ist. Dabei kann der Deutsche an sich ja nichts dafür, dass Löws Kicker 2014 in Belo Horizonte dem DFB das wohl weltweit nachhaltigste Ergebnis seiner Geschichte beschert hat – und den Brasilianern das schlimmste Erlebnis für ihre so stolze Fußball-Nation.

Egal, was mein Kellner empfindet: Ihm und vielen anderen, die ich bislang getroffen habe, ist eines gemein. Sie nehmen das historische Resultat mit Humor und einem gehörigen Schuss Selbstironie. Der Ausspruch „Gol de Alemanha“ ist längst in den geläufigen Sprachschatz übergegangen als Synonym für „Murphys Law“. Wenn etwas schiefläuft, dann eben oft gleich alles.

Die Generation der unter 25-Jährigen wird als „Generation 7:1“ bezeichnet. Soll die Oberflächlichkeit der mit dem Smartphone verwachsenen jungen Leute spiegeln. Erzählt mir Joema, die für die twitter-Dependance in Rio de Janeiro arbeitet. Ein anderer Spruch beispielsweise, um über ein Mädel mit einer „unmöglichen Frisur“ zu lästern: „7:1 war nicht genug.“ Meint: es geht auch noch schlimmer.

Am Straßenrand fiel mir übrigens ein VW auf: Am Heck hatte der Besitzer (?) hinter der Modellbezeichnung „Gol“ ein „da Alemanha“ ergänzt. Das sei kein Einzelfall, sagt Joema. Die Leute lieben es, Witze damit zu machen.

Sie hat mich auch aufmerksam gemacht auf einen PR-Coup der Fluglinie Gol. Die postete zum Olympiastart ein Foto, das zum Klick-Hit in den sozialen Netzwerken geworden ist. Das manipulierte Bild zeigt eines ihrer Flugzeuge. Auf dem ist der Schriftzug „Gol“ über die gesamte Länge siebenmal zu lesen. Bildbeschreibung: Die deutsche Mannschaft zu den Olympischen Spielen in Rio gelandet.

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