Magische Woche oder Fiasko? Davis Cup steht vor ungewisser Zukunft

Lille · Davis Cup, Laver Cup, ATP Cup - wer soll da noch durchblicken? Der Kalender im Tennis wird immer mehr aufgebläht. Es geht, natürlich, ums Geld. Doch am Ende wird die Qualität leiden, denn die Topspieler können und wollen gar nicht überall dabei sein.

Alexander Zverev findet die Saison zu lang.

Alexander Zverev findet die Saison zu lang.

Foto: John Walton/PA Wire

83 Spiele hat Deutschlands neuer Tennis-Star Alexander Zverev in diesem Jahr absolviert.

77 auf der ATP-Tour, vier im Davis Cup und zwei beim Laver Cup - weshalb sich der 21-Jährige nach seinem fulminanten Triumph bei der ATP-WM in London in der vergangenen Woche nur noch nach einem sehnte: Urlaub. "Die Saison ist einfach zu lang, das gibt es in keiner anderen Sportart", sagte Zverev.

Mit seiner Kritik traf der gebürtige Hamburger einen wunden Punkt, auch viele andere Spieler bemängeln die Terminhatz. Das Problem: Besserung ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil. Im Ringen um Geld, Einfluss und Macht stopfen die verschiedenen Organisationen und Verbände den Terminkalender immer voller. So soll es in Zukunft gleich drei Team-Wettbewerbe geben. Den Davis Cup, den Laver Cup und ab 2020 auch noch den ATP Cup.

Spielt Zverev auch im neuen Jahr so erfolgreich und nimmt an allen Wettbewerben teil, könnte er also locker an die 90 Einzel bestreiten. Welcher menschliche Körper das mitmachen soll, haben die Funktionäre noch nicht offengelegt. Weshalb Zverev auch schon einmal klar gestellt hat, dass er 2019 nur in der ersten Runde des Davis Cups Anfang Februar in Frankfurt am Main gegen Ungarn zur Verfügung stehen wird. An der neu geschaffenen Final-Woche mit 18 Teams, die Mitte November mit viel Tamtam und von der Investorengruppe Kosmos um Fußballstar Gerard Piqué in Madrid ausgetragen wird, wird Zverev nicht teilnehmen.

"Nach den ATP Finals in London bin ich im Urlaub", sagte die Nummer vier der Welt kurz und knapp. Auch Rekord-Grand-Slam-Turniersieger Roger Federer hat bereits klargestellt, dass er nicht in Madrid spielen wird, der Weltranglisten-Erste Novak Djokovic dürfte das Event ebenfalls auslassen. "Es gibt zu viele Veranstaltungen", sagte der Serbe in der vergangenen Woche in London.

Das Problem ist die Struktur im Tennis. Es gibt die Herren-Tour ATP, die Damen-Tour WTA, den Weltverband ITF, die Veranstalter der vier Grand Slams und dann eben noch die Eigeninteressen der Spieler. Alle sind nur auf ihr Wohl und Gewinnmaximierung bedacht, wie das Ganze in einen vernünftigen Turnierkalender passen soll, ist zweitrangig. So liegen zwischen der neuen Finalwoche im Davis Cup Ende November 2019 und dem neuen ATP Cup Anfang Januar 2020 gerade einmal sechs Wochen. Dass ein Profi an beiden Events teilnimmt ist nahezu ausgeschlossen.

Die meisten Spieler dürften daher dem ATP Cup den Vorrang geben, der von 2020 an über zehn Tage in drei australischen Städten mit 24 Teams ausgetragen werden soll. Jede Partie beinhaltet dann zwei Einzel und ein Doppel, für die Profis ist es die perfekte Vorbereitung auf die eine Woche später beginnenden Australian Open. Anders als beim Hopman Cup, der derzeit noch zu Beginn des Jahres in Perth ausgetragen wird, gibt es zudem Weltranglisten-Punkte zu gewinnen. Ein dicker Pluspunkt im Vergleich zum Davis Cup.

Der traditionsreiche und 118 Jahre alte Wettbewerb könnte daher über kurz oder lang auf der Strecke bleiben. Auch wenn ITF-Präsident David Haggerty und Chefvermarkter Piqué den Nationalverbänden drei Milliarden Dollar über 25 Jahre und eine "magische Woche" versprochen haben. Viele Tennisfans und auch Spieler dürften daher an diesem Wochenende mit Wehmut nach Lille blicken. Dort tragen Frankreich und Kroatien das letzte Finale im Davis Cup nach altem Muster aus. Drei Tage, vier Einzel, ein Doppel, Heim- und Auswärtsteam - auf diese Art und Weise hat der Davis Cup dem Tennis unvergessliche Stunden beschert. Wo, wann und in welchen Wettbewerben diese in Zukunft produziert werden sollen, ist vollkommen unklar.

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