Pierre de Coubertin Der Herr der Ringe

Serie | BONN. · 1894 ruft Pierre de Coubertin die Spiele der Neuzeit ins Leben. Der erste Literatur-Olympiasieger entwirft das charakteristische Logo und nimmt in finanzieller Not Hilfe von Adolf Hitler an.

Pädagoge, Historiker und Sportfunktionär: Pierre de Frédy Baron de Coubertin.

Pädagoge, Historiker und Sportfunktionär: Pierre de Frédy Baron de Coubertin.

Foto: picture-alliance / obs/dpa

Was mag Pierre de Frédy Baron de Coubertin gedacht haben, als er Mitte Juni 1894 vor den internationalen Kongress trat, der an der Pariser Sorbonne tagte? Mit flammender Begeisterung stellte er seine Idee von einem Treffen der Jugend der Welt vor. Einem Treffen zum sportlichen Vergleich und zur Völkerverständigung. Ob er ahnte, welche Größe seine Idee einmal erreichen würde? Oder fürchtete er vielleicht sogar, als Spinner abgetan zu werden, als er ans Rednerpult trat?

Vielleicht war es ein bisschen Spinnerei, die da aus de Coubertins Begeisterung für die 1875 begonnenen Ausgrabungen im alten Olympia erwachsen war, aber der Pädagoge überzeugte das Auditorium. Der Kongress ging als erster olympischer in die Geschichte ein und beschloss, dass die ersten Spiele der Neuzeit 1896 in Athen stattfinden und von dort aus um die Welt gehen sollten.

De Coubertin, Sproß einer alteingesessenen Pariser Adelsfamilie und hier und da mit dem entsprechenden Dünkel ausgestattet, hatte an der Sorbonne Kunst, Philologie und Rechtswissenschaften studiert. Er sah die Spiele als Wiederbelebung des antiken Vorbilds – an denen ausschließlich Männer teilnehmen sollten. So geschah es dann auch: Vor 60 000 Zuschauern wurden die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit am 6. April 1896 in Athen eröffnet. 295 männliche Sportler aus 13 Nationen starteten.

Es war der gelungene Auftakt zu einer Erfolgsgeschichte, die zunächst gleich wieder ins Stocken geriet. Die Verquickung mit den Weltausstellungen 1900 in Paris und 1904 in St. Louis tat den Spielen nicht gut. Schlecht organisiert, viel zu lang, kaum beachtet; es folgte die Trennung von der Weltausstellung durch die „Zwischenspiele“ 1906 in Athen.

Zunächst standen auch Wintersportarten im Programm der Sommerspiele: Eiskunstlauf und Eishockey. Doch eine „internationale Sportwoche“ in Chamonix erwies sich 1924 als Erfolg und wurde nachträglich zu den ersten Winterspielen deklariert. Zunächst gingen Sommer und Winter Hand in Hand, 1986 folgte der Beschluss, die Zyklen zu trennen und so alle zwei Jahre alternierend stattfinden zu lassen.

1914 entschied der Olympische Kongress – gegen den expliziten Willen de Coubertins –, dass Medaillen für Frauen in der Nationenwertung von derselben Wertigkeit seien wie die von Männern. De Coubertin hatte sein Pädagogikstudium einer Offizierskarriere vorgezogen.

Seinen pazifistischen Idealen folgend, verlegte er, inzwischen Generalsekretär des Internationalen Olympischen Komitees, den Sitz des IOC mit Beginn des Ersten Weltkriegs in die neutrale Schweiz nach Lausanne. Nicht ganz so pazifistisch nahm er 1936 in finanzieller Not 10 000 Reichsmark von Adolf Hitler als „Ehrengabe“ entgegen und reagierte, darauf angesprochen, ganz ohne schlechtes Gewissen.

Zwischen 1912 und 1948 waren auch Architektur, Literatur, Musik, Malerei und Bildhauerei reguläre olympische Disziplinen, in denen Medaillen vergeben wurden. Einer der Sieger: Pierre de Coubertin, Schöngeist und „Designer“ der Olympischen Ringe. Unter dem Pseudonym Georges Hohrod und Martin Eschbach trat er in der Disziplin Literatur an. Sein Siegerwerk: Die „Ode an den Sport“.

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