Best of Olympia Die Legenden Olympias: Jesse Owens und Carl Lewis

Serie | Bonn · Jesse Owens und Carl Lewis sind die Superstars der Olympischen Spiele von 1936 in Berlin und 1984 in Los Angeles – mit jeweils vier Goldmedaillen.

Legende Nummer eins: Jesse Owens gewinnt bei den Spielen 1936 in Berlin den 100-Meter-Sprint.

Legende Nummer eins: Jesse Owens gewinnt bei den Spielen 1936 in Berlin den 100-Meter-Sprint.

Foto: picture-alliance / dpa/Archiv

Von der effektiv benötigten Zeit her ist der 100-Meter-Lauf gewiss der kürzeste Wettbewerb im olympischen Programm. Vom Renommee her gibt es hingegen nur wenige Sportler, die dem 100-Meter-Olympiasieger das Wasser reichen können. Sie sind die schnellsten Männer der Welt und schon von daher umjubelte Helden.

Wenn diese 100-Meter-Sieger auch noch über die doppelte Länge erfolgreich sind, dazu noch mit drei Staffelkameraden über die Stadionrunde und auch im Weitsprung Gold gewinnen, dann sind sie gemeinhin Legenden der Olympiageschichte. Wie die Amerikaner Jesse Owens und Carl Lewis. Der eine 1936 in Berlin, der andere 1984 in Los Angeles. Beide sind die Superstars ihrer Spiele. Weitere Parallele? Über 100 Meter gewinnen sie jeweils ihr erstes Gold, Owens am 3. August, Lewis 48 Jahre und einen Tag später.

Im Olympia-Buch 1936 des Cigaretten-Bilderdienstes Altona-Bahrenfeld beschreibt der Autor die 10,3 Sekunden, in denen Owens das Rennen gewinnt und damit einen Weltrekord aufstellt: „Als der Schuß knallt, schießen sechs Gestalten nebeneinander aus der Startstellung empor und schon nach wenigen Metern zeigt sich eindeutig, wer der schnellste Läufer der Welt ist. In einem unerhörten Tempo geht Owens an die Spitze, seine Beine fliegen über die Bahn, trommeln einen rasenden Takt. Niemand ist ihm gewachsen. Auf halber Strecke hat er zwei Meter Vorsprung …, da prescht aus dem Hintergrund Metcalfe he-
ran. Nur der Übersprinter Owens ist diesem phantastischen Spurt gewachsen.“

Nicht von Hitler empfangen worden

Dass Adolf Hitler ihn nach seinem Sieg nicht empfangen hat, dafür gibt es mehrere Erklärungen. Die eine: weil er ein Schwarzer ist. Olympia-Historiker Karl Adolf Scherer hat eine andere: Er schreibt 1995, dass Hitler nur am 2. August Olympiasieger in seine Loge gebeten habe und dass man ihm danach bedeutet habe, dies widerspreche den olympischen Regeln. Also habe er ab dem 3. August keine Sportler mehr empfangen. 2009 wiederum berichtet der „Tagesspiegel“, dass ein Berliner Sportreporter von Owens selbst bei einem Besuch in den 1960er Jahren im Olympiastadion erfahren habe, dass Hitler ihm in einem Raum hinter der Ehrentribüne die Hand gegeben habe.

Was auch immer richtig ist, Owens gewinnt am Tag danach den Weitsprung „in einem wundervollen Kampf“, wie es im Olympia-Buch heißt, mit dem Leipziger Luz Long. Wieder einen Tag später die 200 Meter und am 9. August die 4x100-Meter-Staffel. Im Stadion wird er genauso enthusiastisch gefeiert wie bei seiner Rückkehr in die USA. Ein paar Monate nach den Spielen wird der inzwischen 23-Jährige Profi, und seine Manager lassen ihn „gegen Autos und Rennpferde um die Wette laufen“, wie in Peter Arnolds „Geschichte der Olympischen Spiele“ zu lesen ist.

Carl Lewis verdient Geld mit seinem Sport

Das wiederum ist der Unterschied zu Carl Lewis, der – dank der Öffnung des Amateursports für die Kommerzialisierung – mit seinem Sport Geld verdienen darf. Im Jahr vor den Spielen angeblich 1,5 Millionen Mark, wie es in Dieter Kürtens Buch „Olympia ‘84“ heißt. Und er gibt das Geld gern aus, für schicke Kleidung, teure Autos, wertvolle Halsketten. Doch er hat auch ein sportliches Ziel – und zwar nicht irgendeines. Er werde den Rekord von Jesse Owens einstellen, kündigt er an. Das kommt im Amerika der 1980er Jahre nicht gut an, denn damit hat er seine Hand an eine Legende gelegt. „Er kann so viele Medaillen gewinnen, wie er will“, wird in Kürtens Buch eine Zeitung aus dem kalifornischen Santa Barbara zitiert, wo Lewis trainiert und studiert, „Owens wird er nie erreichen. Denn Owens ist in die amerikanische Geschichte eingegangen als der Mann, der Hitler angeblich den Handschlag verweigerte.“ So wird die Geschichte von 1936 in den USA gern erzählt.

Doch Lewis lässt sich nicht beirren und ist am Abend des 3. August 1984 topfit. Er kommt langsamer als alle anderen aus seinem Startblock, fliegt dann aber an seinen Konkurrenten vorbei. „Was Lewis tut, ist nicht das übliche Sichfortbewegen. Carl gleitet, schwebt, scheinbar schwerelos und ohne Aufwand an Kraft“, heißt es in Kürtens Buch. 9,99 Sekunden. Zwei Tage später gewinnt er den Weitsprung, am Tag danach die 200 Meter und am vorletzten Tag der Spiele als Schlussläufer die Staffel.

In der Woche nach Olympia unterschreibt Lewis Millionen-Verträge in der Werbung, 150.000 Mark beträgt seine Startgage bei Rennen in Europa. Sonst unvorstellbare Summen für Leichtathleten in den 1980ern. Jesse Owens ist auch kein Thema mehr. „Die Nation hütet die beiden in verschiedenen Kammern ihres Herzens. Owens ist amerikanische Geschichte, Lewis ist amerikanisches Showgeschäft“, heißt es in Kürtens Buch.

Alle bisherigen Artikel zur Serie gibt es unter www.ga.de/bestofolympia

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