Leichtathletik-WM Ein Fotograf rettet David Storl das Gold

Moskau · Seine Bilder decken eine Fehlentscheidung auf und machen David Storl zum Weltmeister. Drama hoch zehn gestern Abend um halb zehn (Ortszeit) im Luschniki-Stadion: David Storl hat sein Arbeitsgerät gerade weit rausgehauen. Sehr weit, nicht allzu weit von der 22-Meter-Marke weg - und will nicht verstehen, warum der Kampfrichter die rote Fahne zeigt.

"Ich wusste, dass der nicht ungültig sein kann. Ein bisschen Gefühl habe ich schließlich auch noch im Fuß", erklärt der neue und alte Kugelstoß-Weltmeister später die entscheidenden Minuten auf dem Weg zur erfolgreichen Titelverteidigung.

Genau in diesem Moment schreitet der Fotograf Kai Oliver Pfaffenbach beherzt ein und macht auf sich aufmerksam. "Der Journalist hat mit mir die Bilder durchgeschaut - auf denen war nirgends zu sehen, dass ich auf dem Balken gewesen wäre. Dann haben wir die Fotos dem Kampfgericht gezeigt", erzählt Storl noch in der Stunde seines Triumphes im ARD-Interview: "Der Videobeweis hat dann den Ausschlag gegeben."

In der Sportart, in der das Runde ins Eckige muss, ist der Einsatz von Videobeweisen heiß diskutiert. In der Disziplin, in der das Runde möglichst weit weg muss, ist er dagegen längst gang und gäbe. Zum Glück für den Olympiazweiten aus Chemnitz.

Zwar legten die US-Amerikaner später einen Protest ein - der wurde jedoch abgewiesen. Mit 21,73 m ist Storl, der sich 2011 im südkoreanischen Daegu zum jüngsten Titelträger der Geschichte gekrönt hatte, erneut Weltmeister vor dem höher eingeschätzten US-Amerikaner Ryan Whiting (21,57) und Dylan Armstrong aus Kanada (21,34).

Dass es zu der vorübergehenden Fehlentscheidung im vierten Durchgang kam, führt Storl auf eine kleine Verzögerung zurück, die sich in seinen Bewegungsablauf eingeschlichen hat: "Mit dem linken Bein mache ich zurzeit eine kleine Pause, bevor ich es aufsetze." Dies könnte beim extrem schnellen Bewegungsablauf des Deutschen vom Kampfrichter als vermeintliches Abrutschen vom Begrenzungsbalken des Rings wahrgenommen worden sein.

Als das Schiedsgericht sein Urteil zugunsten des jungen Deutschen revidiert hatte, lagen sich Storls Coach Sven Lang und dessen Trainerkollege Werner Goldmann, der seinen Schützling Robert Harting ebenfalls zur erfolgreichen Titelverteidigung geführt hat, auf der Tribüne jubelnd in den Armen. Noch einmal hieß es Zittern beim letzten Versuch des im bisherigen Saisonverlauf überragenden Whiting, dann war alles klar für den jungen Deutschen.

Nach der Entscheidung macht sich ein jungenhaftes Lächeln in Storls Gesicht breit, er hebt beide Arme, spannt den Bizeps. Jemand reicht ihm einen Deutschland-Hut, dazu die Fahne in Schwarz-Rot-Gold. Im Hintergrund ringt sich Whiting, gehüllt ins Sternenbanner, eine gute Miene zum für ihn eher bösen Spiel ab: Zu überlegen war der Amerikaner im bisherigen Saisonverlauf gewesen.

Bevor Storl auf die Ehrenrunde geht, verbeugt er sich vor Fotografen und Kameraleuten: Hut ab - es kommt ja auch nicht so oft vor, dass ein Journalist einen Athleten zum Weltmeister macht.