Olympia-Perspektivteam 2022 Eishockey-Bundestrainer Söderholm: "Jetzt ist meine Zeit"

Köln · Mit Marco Sturms schwierigem Erbe hat Toni Söderholm kein Problem. Der neue Eishockey-Bundestrainer startet selbstbewusst in seine Amtszeit. Er will endlich ein ausländischer Nationaltrainer sein, der mit Deutschland Erfolg hat.

 Toni Söderholm ist der neue Eishockey-Bundestrainer.

Toni Söderholm ist der neue Eishockey-Bundestrainer.

Foto: Rolf Vennenbernd

Das deutsche Eishockey startet in die Ära des neuen Bundestrainers Toni Söderholm. Der Nachfolger von Marco Sturm versammelt das Olympia-Perspektivteam für 2022 zu einem dreitägigen Lehrgang in Dingolfing - der Heimat Sturms.

Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht der Finne erstmals seit seiner Berufung im Dezember über seine Ziele mit dem Olympia-Zweiten.

Frage: Wie haben Sie die Zeit seit Ihrer Vorstellung verbracht?

Toni Söderholm: Damit, die Lage zu erkennen. Zu erkennen, was wir haben, wo unsere Stärken liegen. Ich habe geschaut, was wir für Qualität haben, was wir für eine Menge an Spielern zur Verfügung haben. Ich habe mit den sportlichen Leitern telefoniert. Wir müssen eine Zusammenarbeit schaffen, in der der Spieler von beiden Seiten Coaching kriegt. Mein Ziel ist es, dass ein Spieler immer stärker zurück zu seiner Mannschaft fährt, nachdem er bei uns war.

Frage: Hatten Sie schon Kontakt zu den NHL-Spielern?

Söderholm: Nur zu einigen. Ich habe mit Dominik Kahun telefoniert, weil ich ihn von vorher kenne. Bevor ich anfange, mit den Spielern zu telefonieren, will ich ein grundlegendes Bild haben, wie die Lage bei uns aussieht. Dann kann ich konkreter mit den Spielern übers System reden. Auch mit älteren Spielern, die nicht mehr bei der Nationalmannschaft spielen, will ich mich gerne austauschen.

Frage: Wie war die Rückmeldung von Kahun, wird er zur WM kommen?

Söderholm: Die war gut, ich gehe davon aus. Die Spieler, mit denen ich geredet habe, sind positiv.

Frage: Bei Marco Sturm galt der Grundsatz, dass die NHL-Spieler, die zur Verfügung stehen, alle zur WM kommen. Ist das auch ihr Ziel?

Söderholm: Es hängt von der Qualität ab. Die Qualität bestimmt, was uns der Spieler bringt. Wenn einer in der NHL spielt, hat das seine Gründe. Wir reden über die besten Spieler, die wir haben. Wenn sie uns zur Verfügung stehen, dann nehmen wir sie.

Frage: Sind wie bei Sturm auch bei Ihnen AHL- und sogar College-Spieler WM-Kandidaten?

Söderholm: Zu 100 Prozent, ja. Ich habe genügend Kontakt in die College-Welt, ich kriege genügend Infos über die Spieler.

Frage: Christian Ehrhoff soll nach dem Ende der Sturm-Ära einbezogen werden. Inwiefern sind Sie in die Gespräche eingebunden?

Söderholm: Da bin ich nicht involviert. Jeder muss eine Rolle haben und jeder muss seinen Teil beitragen. Ich kenne ihn nicht als Person. Ich weiß aber ganz genau, wie seine Karriere ausschaut. Ich weiß, was er kann, was für Erfahrungen er hat, was für ein Spieler er war.

Frage: Wie gehen Sie damit um, dass Sturm noch allgegenwärtig ist?

Söderholm: Ich habe viel Respekt vor der Arbeit von Marco. Aber jetzt ist meine Zeit, und ich mache meine Dinge.

Frage: Worauf wollen Sie aus der Zeit mit Sturm aufbauen?

Söderholm: Auf das System. Ich werde das System nicht groß verändern. Ich will, dass wir einen gemeinsamen Weg haben. Ich will, dass wir in der U20, U18 und U16 über das gleiche Spiel reden.

Frage: Was ist die größte Schwäche im deutschen Eishockey?

Söderholm: Ich glaube, dass die Menge der deutschen Spieler, die eine Führungsrolle in ihrer Mannschaft tragen, die größte Baustelle ist.

Frage: Worauf legen Sie bei Ihrer Arbeit besonders Wert?

Söderholm: Auf den Menschen. Der Mensch hinter den Spielern, der muss sich wohl fühlen. Ich will den Typ kennen, so dass ich weiß, wie ich ihn weiterbringen kann. So dass er, wenn er bei mir spielt, sein bestes Eishockey spielt.

Frage: Das Nationalteam hatte in den vergangenen Jahrzehnten nur mit deutschen Trainern Erfolge, mit ausländischen Trainern dagegen Probleme. Sind Sie sich dessen bewusst?

Söderholm: Das hat nichts mit mir zu tun. Für mich ist das kein Thema. Ich will, dass das Nationalteam so viel wie möglich erreicht.

Frage: Wie wollen Sie die deutsche Mentalität ansprechen?

Söderholm: Ich will auf dem Eis Kampfgeist und Mannschaftsgeist sehen. Das ist mein Schwerpunkt.

Frage: Ihr Vertrag läuft bis 2022. Wie ist das Ziel bis dahin?

Söderholm: Die Angst, die ich habe - wenn wir uns Ziele für die Zukunft setzen - ist, dass wir den Alltag aus den Augen verlieren. Wenn im Alltag nicht alles gemacht wird, ist es egal, was für ein Ziel du dir für 2022 gesetzt hast. Wenn wir in Peking im Olympia-Halbfinale stehen, haben wir sicher etwas erreicht. Aber es geht mir um mehr als nur um Platzierungen. Wie messen wir etwa, wie groß der Pool an deutschen Spielern in vier Jahren ist?

Frage: Wie kann das Ziel für die WM 2019 lauten?

Söderholm: Wenn du das Viertelfinale erreichst, dann ist es nur ein Spiel. Wenn du ein Ziel haben willst - kann ich sagen, Viertelfinale. Aber wenn du da bist, denkst du dann, dass es reicht? Nein. Weil du dann die Möglichkeit hast, den Gegner zu schlagen. So sehe ich das. Aber wir müssen genau so viel Angst und Respekt vor dem ersten Gegner haben, sonst kommen wir nicht ins Viertelfinale. In dieser schweren Gruppe muss vieles zusammen passen, um dieses Ziel zu erreichen.

ZUR PERSON: Toni Söderholm (40) wurde vor Weihnachten überraschend Nachfolger des bisherigen Bundestrainers Marco Sturm. Der sehr gut Deutsch sprechende Finne trainierte bis dahin den SC Riessersee. Den Traditionsclub führte er in der zweiten Liga zur Hauptrundenmeisterschaft und wurde in der DEL2 zum "Trainer des Jahres" gewählt, ehe sich der SCR aus finanziellen Gründen in die Oberliga zurückzog. Söderholm, der als Spieler mit dem EHC Red Bull München 2016 deutscher Meister geworden war, galt als wahrscheinlicher Nachfolger des EHC-Erfolgscoachs Don Jackson (62).

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