American Football Ex-Super-Bowl-Champion Vollmer: Brady "ist absolut besessen"

Atlanta · Zweimal durfte Sebastian Vollmer mit den New England Patriots den Triumph im Super Bowl feiern. Der Ex-Footballprofi erzählt im Interview, an welchen Filmhelden ihn Tom Brady erinnert und was die größte Ablenkung vor einem NFL-Finale ist.

 Sebastian Vollmer spielte von 2009 bis 2017 für die New England Patriots in der NFL.

Sebastian Vollmer spielte von 2009 bis 2017 für die New England Patriots in der NFL.

Foto: Cj Gunther/EPA

Sebastian Vollmer kennt Tom Brady und die New England Patriots besser als kaum ein anderer. Der 34 Jahre alte Ex-Footballprofi aus dem Rheinland gewann mit dem Team aus dem Osten der USA an der Seite des Quarterback-Superstars zweimal den Super Bowl.

Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht Vollmer vor dem NFL-Finale zwischen den Patriots und den Los Angeles Rams am Montag (0.30 Uhr/ProSieben/DAZN) in Atlanta über die Eigenarten seines Ex-Teamkollegens, seinen Super-Bowl-Tipp und American Football in Deutschland.

Frage: Wir sprechen um sieben Uhr morgens amerikanischer Zeit. Was treibt Sie schon so früh aus dem Bett?

Sebastian Vollmer: Ich gehe morgens bei mir zuhause ungefähr sechsmal in der Woche ins Fitnessstudio. Es ist ein anderes Training als noch während meiner aktiven Zeit. Damals habe ich 150 Kilo gewogen, jetzt bin ich bei ungefähr 115 Kilo. Ich muss nicht mehr 250 Kilo Bankdrücken, das könnte ich auch nicht mehr. Es geht mir vor allem um meine Gesundheit.

Frage: Was sind Ihre Erwartungen für den Super Bowl?

Vollmer: Die Patriots waren schon die ganze Saison über mein Favorit. Es könnte ein sehr, sehr gutes Spiel werden. Die Patriots haben eine wahnsinnige Offensive, die Rams aber auch. Es ist das Spiel des Alters und der Erfahrung gegen die Jugend. Tom Brady geht in seinen neunten Super Bowl, das alleine ist schon der Wahnsinn. Der Coach der Rams ist 33 Jahre alt, Brady 41.

Frage: Also holen Brady und New England den Titel?

Vollmer: Ich glaube nicht, dass die Patriots 40:0 gewinnen. Aber sie haben die Erfahrung, sie werden super vorbereitet sein und lassen sich nicht ablenken von Medien, von den Fans, von dem ganzen Drumherum. Drei Viertel des Teams stand schon einmal in einem Super Bowl. Für mich ist die Erfahrung in der Vorbereitung entscheidend: Wie hält man sein Team bereit, wann ist Bettruhe, fliegen die verletzten Spieler mit – es sind viele Kleinigkeiten, die sich summieren.

Frage: Sie standen selbst im Super Bowl und haben den Titel gewonnen. Was prasselt da vorher auf einen ein?

Vollmer: Schon am Montag nach den Halbfinals geht das Riesenchaos los. Wenn man das noch nie mitgemacht hat, ist es schon anstrengend. Jeder ruft einen an, jeder will Tickets haben, jeder denkt, man bekommt sie umsonst. Es rufen Cousins an, mit denen man 30 Jahre keinen Kontakt mehr hatte. Das spielt schon eine Riesenrolle.

Frage: Tom Brady kann seinen sechsten Super-Bowl-Ring gewinnen. Sie haben an seiner Seite gespielt, wie ist er als Mensch?

Vollmer: Er ist meiner besten Freunde. Es ist wie bei den meisten Footballspielern ein zweigeteiltes Bild: Als Profi auf dem Feld geht er aus sich heraus, wirft auch mal den Helm auf den Boden. Er ist absolut besessen, will einfach nur gewinnen, ist ein ganz klarer Anführer. Auf der anderen Seite gibt es den Familienmensch, den Vater, den Freund. Er hat einen Status, den man sich nicht vorstellen. Ich kann ihn nicht einfach so bei Starbucks treffen, weil die Leute dann dort die Bude einrennen.

Frage: Wie sieht die Vorbereitung von Brady auf den Super Bowl aus?

Vollmer: Er schottet sich absolut ab. Es ist wie beim verrückten Professor oder im Film "A beautiful mind". Es hängen überall Zettel an den Wänden mit Notizen, es laufen pausenlos die Videos von den Rams. Die Woche besteht aus: Essen, schlafen, trainieren. Man muss sich das vorstellen: Er ist 41 Jahre alt, alle zweifeln, wie lange es noch auf diesem Niveau bringen kann. Die Leute denken, er sei zu alt, er sei auf dem absteigenden Ast, blablabla. Er will es allen noch einmal zeigen. Die Chance zu einem Super Bowl zurückzukommen, ist sowieso schon relativ gering. Und da will er keine Möglichkeit auslassen und hundertprozentig vorbereitet sein.

Frage: Traditionell beschenkt der Quarterback die Spieler der Offensive Line, die ihn beschützen. Was war das Beste, was Sie zu Ihrer aktiven Karriere von Brady bekommen haben?

Vollmer: Der Gedanke dahinter ist, dass der Quarterback zu Weihnachten ein Dankeschön dafür gibt, dass die Spieler ihren Körper für ihn hinhalten. Es ging von Uhren über Computer, so in der Größenordnung.

Frage: Experten rechnen damit, dass die Patriots auch durch die Erfahrung ihres Trainers Bill Belichick einen Vorteil haben werden. Wie agiert ihr Ex-Coach in den Tagen vor dem Super Bowl?

Vollmer: Wenn er überhaupt anders ist, dann ist er lockerer. Er ist kein Spaßvogel, aber man spürt schon, dass zwei Wochen lang die Anspannung beim Team sehr hoch ist. Das Adrenalin, die Stresshormone gehen da schon einmal mit einem durch – und da ist es gut, es so locker wie möglich zu halten. Für einen Super Bowl muss der Coach keinen mehr motivieren. Wenn überhaupt, sollte man diese Motivation drosseln.

Frage: Ist das mürrische Bild von Belichick in der Öffentlichkeit real oder auch ein wenig Image?

Vollmer: Was man so sieht, ist schon sein genereller Charakter. Aber er schreit nicht dauernd rum oder gibt jedem Spieler eine einsilbige Antwort. Der Verein ist sehr hierarchisch organisiert, fast militärisch. Und in dieser Rangfolge steht er ganz oben. Aber wenn wir uns privat unterhalten, ist er schon ein freundlicher Mensch, mit dem man auch Witze machen kann.

Frage: Sie leben in Florida, sind aber auch bei Football-Übertragungen von ProSieben Maxx dabei. Wie würden Sie den Status von Football in Deutschland bewerten?

Vollmer: Die Fans sind einmalig. Ich arbeite mit der Liga zusammen, damit wir das Spiel noch mehr nach Deutschland bringen. Als die NFL dieses Jahr in London gespielt hat und wir vorher in einem Pub waren, kamen dort Tausende von Deutschen hin. Das wäre vor zehn Jahren nicht passiert. Meinen ersten Super Bowl habe ich 2011 gespielt, da waren die Übertragungen zwar schon relativ groß, aber es war kein Vergleich zu heute.

Frage: Wie entwickelt sich der Football selbst in Deutschland?

Vollmer: Es gab viele Etappen: Ich war einer der Ersten, die gedraftet wurden und einen Super Bowl gewonnen haben. Björn Werner war der Erste, der in der ersten Runde gedraftet wurde. Markus Kuhn hat als Erster einen Touchdown erzielt. Moritz Böhringer wurde als Erster direkt aus der GFL (German Football League) gedraftet. Je mehr Erste wir haben, desto mehr entwickelt sich der Sport. Das Vertrauen ist da, dass die Trainer in Deutschland besser werden. Aber natürlich muss man fairerweise sagen, dass Deutschland den Amerikanern immer ein bisschen hinterher hinkt. Es gibt ganz andere Möglichkeiten in der Videoanalyse, es gibt eigene Stadien, die Konkurrenz ist viel größer. Aber ich glaube schon, dass das Level in Deutschland steigt.

Frage: In wie vielen Jahren wird es einen deutschen Quarterback in der NFL geben?

Vollmer: Das wird noch dauern, bis es einen Quarterback direkt aus Deutschland in die NFL schafft. Das Risiko für die Teams ist noch zu hoch auf einer solchen Schlüsselposition. Es kann passieren, wenn ein deutscher Spieler direkt an die Highschool oder ans College geht. In der NFL dreht es sich um Erfolg und Geld – und wenn man der Beste ist, ist es egal, woher man kommt.

ZUR PERSON: Sebastian Vollmer (34) spielte von 2009 bis 2017 für die New England Patriots in der National Football League. Der gebürtige Rheinländer stand als Schwergewicht in der so genannten Offensive Line, die den Quarterback beschützt und Wege für Laufspielzüge freiblockt. Er gewann 2015 und 2017 mit den Patriots den Super Bowl. Beim zweiten Triumph fehlte er die komplette Saison verletzt und beendete wenig später seine Karriere.

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