Frauen fehlen in Spitzenpositionen Wo der DFB zum Hoffnungsträger wird

Bonn · In den Präsidien und Vorständen der Sportverbände dominieren weiterhin Männer. „Die etablierten Seilschaften funktionieren fast überall noch“, sagt die frühere Bundestags-Sportausschussvositzende Dagmar Freitag. Fußballer setzen jetzt Zeichen.

Eine von fünf Frauen im neuen DFB-Präsidium: Generalsekretärin Heike Ullrich, hier mit dem neuen Präsidenten Bernd Neuendorf. Bis zum vorigen Freitag hatte nur eine Frau Sitz und Stimme im höchsten Gremium des Verbands.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Dagmar Freitag weiß, wie es Frauen in der Sportpolitik geht. „Wenn sie vorwärts kommen wollen, brauchen sie neben der entsprechenden Qualifikation Fürsprecher – und zwar nach wie vor auch unter den Männern.“ Die heute 69-Jährige hat diese gehabt. Als manche Männer sie nach einer Wahlperiode nicht länger im Präsidium des Deutschen LeichtathIetik-Verbandes (DLV) haben wollten, war es Präsident Clemens Prokop, der fest an ihrer Seite stand. Bis sie 2017 freiwillig ausschied, wurden es 16 Jahre im höchsten DLV-Gremium – lange Zeit als einzige Frau.

„Manches Mal, als sich die Männer erkennbar einmal mehr vorher abgesprochen hatten, habe ich schon gedacht: Was tust du dir da eigentlich an?“, sagt Freitag. Sie sei aber aus der Politik schon gestählt gewesen. 1994 war die Iserlohnerin für die SPD in den Bundestag eingezogen, erhielt gleich einen Sitz im Sportausschuss und erlebte auch dort eine Männer-Dominanz. „Was sich übrigens bis heute nicht geändert hat“, fügt sie an.

Im Parlament waren es die Fraktionschefs Peter Struck und später Thomas Oppermann, die sie dabei unterstützten, zunächst Sprecherin der SPD-Arbeitsgruppe Sport und später – als erste Frau – Vorsitzende des Sportausschusses zu werden. „In der Politik wie im Sport ist es ähnlich: Die etablierten Männer-Seilschaften funktionieren fast überall noch.“ Dass in ihrer Nachfolge jetzt wieder ein Mann an der Spitze des Ausschusses steht, empfindet sie als Konsequenz dieser Mechanismen, wie sie sagt.

Was Dagmar Freitag persönlich erlebt hat, erforscht Ilse Hartmann-Tews wissenschaftlich. Die 65-jährige Professorin leitet das Institut für Soziologie und Genderforschung bei der Deutschen Sporthochschule Köln. Sie spricht von einem „männerbündisch strukturierten Entscheidungshandeln“. Was meint sie damit?

„Es ist eine Praxis, die soziale Nähe favorisiert“

Um Ehrenamtliche für Führungspositionen etwa in Sportvereinen oder -verbänden zu gewinnen, gibt es in der Regel keine Ausschreibungen und Vorgaben, welche Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind. Die Forschung, so Hartmann-Tews, zeige, dass sich damit der Raum öffne für „viele diffuse Selektionskriterien, und es greift der Mechanismus der homosozialen Kooptation“. Heißt: Es gilt das Phänomen, dass sich Menschen überwiegend gern mit jenen umgeben, die ihnen ähnlich sind.

Das sei zwar nicht strategisch und auf den Ausschluss von Frauen ausgerichtet. „Es ist eine Praxis, die soziale Nähe favorisiert.“ Die Folge aber ist: Oft sprechen Männer, die schon Positionen innehaben, eher Männer mit einer ähnlichen Sozialstruktur an. Frauen werden dann eher nicht angesprochen.

Männer haben überdurchschnittlich oft den Vorsitz

Und wenn Frauen doch in Präsidien oder Vorstände kommen? Dann übernehmen sie eher untergeordnete Aufgaben, weiß die Wissenschaftlerin. Männer hätten überdurchschnittlich oft den Vorsitz, die Stellvertretung, die Geschäftsführung und den Posten des Sportwarts inne, Frauen hingegen das Schriftführer- oder Schatzmeisteramt.

Laut Hartmann-Tews ist das eine „Hierarchie, in der Männer Positionen mit größerem Steuerungspotenzial und mehr Macht innehaben als die eh unterrepräsentierten Frauen“. Die Wissenschaftlerin spricht von einer „ausschließenden Inklusion“, nach der Frauen zwar ansatzweise in den Steuerungsgremien dabei seien, „aber in weniger relevanten Positionen, an der Peripherie“.

Dabei gewännen gerade Sportvereine in zweierlei Hinsicht, wenn sie Frauen mit Führungspositionen betrauten, habe die Forschung gezeigt. Zum einen ließen sich mehr ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen, zum anderen veränderten Frauen als Vorsitzende oft die finanzielle Lage des Sportvereins zum Positiven, sagt Hartmann-Tews.

Die ehemalige Parlamentarierin Dagmar Freitag sieht sich zwar weit davon entfernt zu sagen, dass Frauen alles besser machen. Aber sie habe den Eindruck, dass Frauen hartnäckiger ihre Meinung verteidigen und an manchen Dingen länger dranbleiben, was sie an einem Beispiel aus ihrer Politikerinnenzeit verdeutlicht: Nach ihrem Einzug in den Bundestag habe sie erstmals ein Anti-Doping-Gesetz gefordert, das nach vielem Hin und Her endlich 2015 verabschiedet worden sei. „Das hat mich 20 Jahre meines Lebens beschäftigt.“

„Keine Selbstzweife und dann auf in den Kampf“

Und wie können mehr Frauen für Führungspositionen gewonnen werden? Die Wissenschaftlerin findet Quoten richtig, „damit Frauen ihre Leistungsfähigkeit auch zeigen können“, und fordert mehr objektive, transparente Bewerbungsverfahren. Die frühere Politikerin möchte jungen Frauen vor allem Mut machen. „Erkennt die Chance und versucht sie zu nutzen“, würde sie ihnen manches Mal gern zurufen, sagt Freitag. Wenn sich eine Lücke auftue, könne man davon ausgehen, „dass bestimmt drei Männer dort reingehen wollen“. Also laute ihre Parole: „Keine Selbstzweifel, denn die haben die Männer in der Regel auch nicht, und dann auf in den Kampf.“

Dass beim jüngsten DFB-Bundestag in Bonn die Männer-Seilschaften aufgebrochen wurden und künftig fünf Frauen im Präsidium sitzen, sieht sie in dem Zusammenhang als positives Zeichen.