Kobe Bryant Tod einer Basketball-Legende

Omaha · Nach dem Helikopterunglück, bei dem der frühere NBA-Star Kobe Bryant, seine Tochter und sieben weitere Personen ums Leben kamen, trauert die Sportwelt um einen der besten Basketballer der Geschichte.

 Basketballstar Kobe Bryant mit seiner Tochter Gianna Maria. Beide kamen bei dem Unfall ums Leben.

Basketballstar Kobe Bryant mit seiner Tochter Gianna Maria. Beide kamen bei dem Unfall ums Leben.

Foto: AP/David J. Phillip

Es war am Samstagabend, im dritten Viertel der Partie zwischen den Philadelphia 76ers und den Los Angeles Lakers. Sieben Minuten und 23 Sekunden vor dem Pausensignal gelang LeBron James, dem Superstar der Lakers, ein Wurf, der ihm einen Platz auf dem Siegertreppchen der treffsichersten Basketballspieler der Geschichte sicherte. Mit 33 644 erzielten Punkten im Laufe seiner Karriere schob er sich vor auf den dritten Platz der Bestenliste der NBA, der National Basketball Association. Nunmehr lag er vor Kobe Bryant, einem seiner Vorbilder. Der wiederum gratulierte sofort, zeitgemäß via Twitter.

„Großen Respekt, mein Bruder“, schrieb der 41-Jährige und ließ die magische Zahl folgen: 33 644. Fünfzehn Stunden darauf war er tot, bei einem Hubschrauberabsturz verunglückt in der Nähe von Calabasas, in den Bergen nördlich von Los Angeles, wo viele der Reichen und Schönen wohnen, um dem Smog der Megacity zu entgehen. Die genaue Ursache war auch am Montag zunächst nicht bekannt. Der Nebel, berichteten lokale Medien, war zu jener Zeit, am Sonntagmorgen vor zehn Uhr Ortszeit, offenbar so dicht, dass selbst die Polizei ihre Helikopter am Boden ließ.

Mit der 13-jährigen Gianna, der zweitältesten seiner vier Töchter, und sieben weiteren Passagieren an Bord wollte Bryant nach Thousand Oaks fliegen, weit im Hinterland über der Küstenstadt Malibu gelegen. An der von ihm gegründeten Mamba Sports Academy, benannt nach seinem Spitznamen Black Mamba, fand dort ein Nachwuchs-Basketballturnier statt.

Dass der gefeierte Sportler in einem Hubschrauber starb, verleiht der Schreckensnachricht eine besonders tragische Note. Schließlich war der Hubschrauber zu seinem Markenzeichen geworden, in den Worten des preisgekrönten Sportjournalisten Jerry Brewer ein Symbol für die Rastlosigkeit eines Mannes, der es immer eilig hatte, immer nach dem nächsten Erfolg strebte. Weshalb er es vermied, sich in ein Auto zu setzen und in den berüchtigten Staus auf den Highways von Los Angeles unnötig Zeit zu verlieren. Schon als Profi war Bryant im Helikopter von seiner Villa in den Küstenbergen am Pazifik nach Downtown-L.A. geflogen, wo die Lakers im Staples Center ihre Heimspiele austragen. Es war Routine für ihn. Und dann, am Sonntag, der Schock.

Dass er so tief sitzt, dass die Hiobsbotschaft die Amerikaner derart aufwühlt, hat auch damit zu tun, dass Kobe Bryant ein sehr amerikanisches Ideal vorlebte: die Gabe, sich neu zu erfinden. Nicht nur, dass er an seiner Basketballschule den Nachwuchs förderte. Er schien auch auf dem besten Weg, sich mit seinem Unternehmen, den Granity Studios, in der Entertainmentbranche zu beweisen. Vor zwei Jahren hatte er einen Oscar gewonnen für „Dear Basketball“, einen Animations-Kurzfilm über seine Karriere, von den Träumen eines sechsjährigen Jungen aus Philadelphia bis hin zu dem Moment, als der Körper nicht mehr mitmachte. Das Land habe auf Fortsetzungen gewartet, schreibt Brewer. Der plötzliche Abschied von Bryant sei auch deshalb so schmerzhaft, „weil wir das Gefühl hatten, dass wir den Mann erst jetzt richtig kennenlernen“. Altpräsident Barack Obama, selbst ein leidenschaftlicher Basketballfan, brachte es in einem Satz auf den Punkt: „Kobe war eine Legende auf dem Spielfeld und begann gerade mit etwas, was ein ebenso bedeutungsvoller zweiter Akt werden sollte”.

Bryant auf dem Spielfeld, das bedeutete Bestmarken und Superlative. Mit 17 wechselte er direkt von der High School in die Profiliga, ohne vorher ein College zu besuchen, wie es die meisten anderen zu Beginn ihrer Laufbahn tun. Nach einem kurzen Intermezzo bei den Charlotte Hornets landete er in Los Angeles. Weil er noch nicht volljährig war, mussten die Eltern seinen ersten Vertrag unterschreiben. Als er achtzehn wurde und zum ersten Mal im Trikot der Lakers auflief, war er der bis dahin jüngste Spieler der NBA. Er gewann fünf Meistertitel und zweimal, 2008 und 2012, mit den USA olympisches Gold. In einer Partie gegen Toronto erzielte er einmal 81 Punkte, die zweithöchste Ausbeute in der Geschichte der Liga.

Seinen brennenden Ehrgeiz hat wohl niemand treffender beschrieben als Gary Vitti, einer seiner Trainer. Einmal, mitten im Spiel, riss seine Achillessehne, nur wollte er die Schnelldiagnose nicht wahrhaben. „Ich hab‘ ihm gesagt, sie ist gerissen, und das war’s erst einmal“, erinnerte sich Vitti später. „Und er fragte, ob ich das nicht einfach verbinden kann.“

Lang ist allerdings auch die Liste von Kollegen, die Bryant über die Jahre durch sein übergroßes Ego vergraulte. Angeführt wird sie von Shaquille O’Neal, dem 2,16-Meter-Riesen, mit dem er anfangs ein geniales Duo bildete. Unter der Oberfläche kochte der Konflikt zwischen den Alphatieren, was schließlich dazu führte, dass O‘Neal nach Miami abwanderte.

Zum vollständigen Bild gehört auch, was sich 2003 in einem Hotel in Cordillera in den Rocky Mountains zutrug. Folgt man der Schilderung einer 19-jährigen Rezeptionistin, wurde sie von Bryant gebeten, auf sein Zimmer zu kommen. Anfangs, gab die junge Frau zu Protokoll, habe sie sich noch freiwillig küssen lassen. Als sie dann aber versucht habe, das Zimmer zu verlassen, habe Bryant sie daran gehindert – und vergewaltigt. Der wiederum erklärte, der Sex sei einvernehmlich gewesen. Da die Frau es ablehnte, vor Gericht auszusagen, kam es nicht zu einem Strafprozess. Um sich in einem Zivilverfahren mit ihr zu einigen, zahlte Bryant eine Summe in nie genannter Höhe. Später entschuldigte er sich: Er erkenne an, dass sie den Zwischenfall offenbar anders interpretiere als er.

2011 reichten Bryant und seine Frau Vanessa nach zehn Jahren Ehe die Scheidung ein, bevor sich das Paar zwei Jahre später versöhnte. Erst im vergangenen Sommer war Kobe Bryant zum vierten Mal Vater geworden. Jetzt ist Vanessa mit drei Töchtern allein.

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