Fechter aus Bonn So erlebte André Sanita das lange Warten auf Olympia

Bonn · Der Bonner Fechter André Sanita steht in Tokio vor seiner ersten Olympia-Teilnahme und hat mit der Florett-Mannschaft Chancen auf eine Medaille. Auf dem Weg dahin musste er aber ein Tief überwinden.

 Startet in Tokio im Einzel und mit der Mannschaft: André Sanita.

Startet in Tokio im Einzel und mit der Mannschaft: André Sanita.

Foto: Wolfgang Henry

Es war im Januar, als die Zweifel, die Enttäuschung, der Frust in André Sanita überquollen. „Da habe ich ein Tief erlebt“, erzählt der Florettfechter des OFC Bonn. Nach der Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio vom Sommer 2020 in den Sommer 2021 vergrößerte sich Sanitas Sorge immer mehr, dass auch der zweite Termin wegen der weiterhin bedrohlichen Corona-Situation platzen könnte – und damit der große Traum von der ersten Olympia-Teilnahme. Es quälte ihn diese eine Frage: Wofür mache ich das alles noch? Bei der Suche nach einer positiven Antwort half ihm seine Frau, die ukrainische Säbelfechterin Lena Voronina: „Sie hat mich überzeugt weiterzumachen“, sagt der gebürtige Solinger.

Jetzt, rund drei Wochen vor der Eröffnung der Olympischen Spiele, sitzt Sanita in der Bonner Oper, wo der Deutsche Fechter-Bund an diesem Mittwochmittag sein Team für Tokio präsentiert. Von den Zweifeln dieser grauen Tage im Januar ist nun nichts mehr zu spüren. „Ich freue mich tierisch auf Olympia, habe aber noch nicht richtig realisiert, dass ich wirklich dabei sein werde“, sagt der 29-Jährige, der auch von einem Gänsehaut-Moment bei der Einkleidung mit dem offiziellen deutschen Olympia-Outfit berichtet.

Am 17. Juli steigt der Tross der deutschen Fechter in das Flugzeug Richtung Tokio, neben Sanita haben sich acht weitere Athletinnen und Athleten qualifiziert. Die Florettfechter bestreiten am 26. Juli zunächst den Einzel-Wettkampf, am 1. August folgt der Team-Wettbewerb. Hier sind die Chancen auf Edelmetall für den Bonner am größten – erst recht nach der Silbermedaille mit den Mannschaftskollegen Benjamin Kleibrink, Peter Joppich und Luis Klein bei der Europameisterschaft 2019.

„Da haben wir eine gute Platzierung geholt. Warum sollte das bei Olympia nicht auch so sein?“, fragt Sanita, ergänzt aber: „Ich mache mir keinen Druck wegen Medaillen, sondern versuche, mich von Gefecht zu Gefecht hineinzuarbeiten.“ Zu den Top-Favoriten in Tokio zählt der aktuelle Weltranglisten-66. die Teams von Italien, Frankreich, den USA und Russland.

Benjamin Kleibrink und Peter Joppich haben viel Olympia-Erfahrung

Für die Chancen des deutschen Teams im Wettstreit um die Medaillen ist es aber sicher nicht von Nachteil, dass mit Kleibrink und Joppich zwei überaus erfahrene Olympia-Teilnehmer erneut dabei sind. Für den 35-jährigen Kleibrink, Einzel-Goldmedaillengewinner in Peking 2008 und Drittplatzierter mit der Mannschaft 2012 in London, sind es die dritten Sommerspiele. Der drei Jahre ältere Joppich nimmt in Tokio sogar schon zum fünften Mal teil und gewann an der Seite von Kleibrink 2012 Bronze.

„Es macht mich stolz, mit solchen Leuten in einer Mannschaft fechten zu dürfen. Bei meiner ersten Teilnahme an der deutschen Meisterschaft habe ich mir damals noch ein Autogramm von Peter geholt“, erzählt Sanita, und das Schmunzeln unter der Corona-Schutzmaske ist bei diesem Satz zu erahnen. Auch zu Kleibrink hat er einen engen Draht und holt sich bei ihm vor allem Anregungen im psychologischen und mentalen Bereich.

Sanita geht es in Tokio auch um das olympische Flair

Doch trotz aller hilfreicher Tipps – die eigenen Olympia-Erfahrungen zu sammeln steht natürlich auch für Sanita über allem. „Als Kind habe ich mal zu einem Freund in der Eisdiele gesagt: ‚Eines Tages werde ich bei Olympia dabei sein‘“, erinnert sich der Sportsoldat, der mit seiner Frau in Beuel wohnt. Es geht ihm bis heute dabei nicht allein um den eigenen Sport, sondern auch um das Flair, das Olympia umweht. „Es wird durch Corona sicherlich anders sein als sonst, aber ich freue mich auf die Atmosphäre und hoffe darauf, auch bei anderen Wettkämpfen als Zuschauer dabei sein zu dürfen.“ Wenn möglich, am liebsten bei der Leichtathletik, wie Sanita betont: „Ich habe gar kein Gefühl dafür, wie es ist, die Geschwindigkeit bei einem 100-Meter-Sprint live mitzuerleben.“

Um auch das unter Umständen erleben zu dürfen, geht der Athlet von Trainer Uli Schreck in den letzten Wochen vor Olympia trotz vollständiger Impfung keinerlei Risiko mehr ein. „Ich versuche, extrem aufzupassen und bitte Freunde vor Treffen immer, einen Schnelltest zu machen.“ Auf dem Weg Richtung Tokio will sich André Sanita nicht mehr aufhalten lassen. Die Vorfreude hat die Zweifel besiegt.

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