Stimmungsbericht zur Leichtathletik-WM So viel von der WM ist in London selbst zu spüren

London · 700.000 Tickets wurden für die Leichtathletik-WM in London verkauft, das Stadion ist häufig ausverkauft. Doch wie viel ist von der WM bei den Menschen in der Stadt selbst zu spüren? GA-Redakteur Simon Bartsch mit einem Stimmungsbericht.

Der Bahnhof Stratford im Osten Londons gehört zu den wichtigsten Verkehrsknotenpunkten der Stadt. Mehr als 70 Millionen Fahrgäste werden hier jährlich gezählt. An diesem Morgen sind die Menschenmassen noch überschaubar – und das, obwohl hier die Besucher der Leichtathletik-WM ankommen. Der Weg zum Stadion ist weit. Gut einen Kilometer müssen die Fans zurücklegen. Viel Weg für einen der insgesamt 4000 freiwilligen Helfer, die schon vor dem Stadion für gute Stimmung sorgen.

Von guter Stimmung ist bei George aus Hammersmith wenig zu spüren. Der 57-Jährige versucht mühsam, kleine Fahnen an den Mann zu bringen. Für drei Pfund gibt es eine, für zwei Fahnen lässt er sich fünf Pfund geben. Über seinen beruflichen Hintergrund will er genauso wenig sprechen, wie über den Brexit. Nur so viel: „Ich habe für den Brexit gestimmt, das war aber vielleicht nicht meine beste Entscheidung“, sagt er, bevor er einer Familie gleich vier Union Jack verkauft.

„Die Gefahr vor Terror schreckt mich nicht ab"

Eine Fahne benötigt Kristjan nicht mehr. Er trägt bereits eine überdimensional große estnische Fahne über seinen Schultern. Kristjan ist aus der Hauptstadt Talinn angereist, um die Zehnkämpfer Karl Robert Saluri und Janek Öiglane anzufeuern. „Ich musste nicht lange überlegen, ob ich nach London reise“, erzählt er. „Die Gefahr vor Terror schreckt mich nicht ab. Es kann uns immer und überall treffen.“ Auch wenn die Beamten vor dem Stadion nicht durch übertriebene Sicherheitskontrollen auffallen, die Angst vor einem Anschlag ist präsent und nicht weit hergeholt. 36 Menschen starben bei Terroranschläger des „IS“ in diesem Jahr in London.

„Wir tun für die Sicherheit alles Menschenmögliche“, sagte IAAF-Präsident Sebastian Coe vor der WM. „Ich wäre bei einem Großevent in keinem Land lieber, als in Großbritannien. Wir machen das schon extrem gut.“ Neben der obligatorischen CCTV-Überwachung, einem ausgeklügelten Kamerasystem, gibt es zahlreiche Zivil- sowie bewaffnete Polizisten.

Der Stimmung im Stadion tut die Sorge keinen Abbruch. Als die britische 4x100-Meter-Staffel der Herren zu Gold läuft, bebt das Stadion. Kein Wunder, es ist wieder einmal ausverkauft. Rund 700.000 Tickets wurden vor und während der WM an den Mann gebracht – mehr als je zuvor bei einer Leichtathletik-Weltmeisterschaft. Die Abend-Session ist immer ausverkauft. Tickets gibt es vor dem Stadion von einem der zahlreichen – offenbar geduldeten - Schwarzhändlern. "Ich hoffe, dass nächstes Jahr bei uns in Berlin genau so eine Stimmung herrschen wird", sagte Stabhochspringerin Lisa Ryzih der ARD. "Das ist das Größte, was wir in der Leichtathletik erleben können."

Ein einzigartiges Fest

Für die Sportler ist es nicht nur aufgrund der Stimmung ein einzigartiges Fest. Auch, dank der Olympischen Spiele 2012 ist die Logistik bis ins kleinste Detail durchgeplant, das Event perfekt organisiert. Und sollte mal etwas nicht zu 100 Prozent funktionieren oder das Wetter ausnahmsweise mal nicht mitspielen, wird es mit dem obligatorischen britischen Humor gekonnt überspielt.

In der City selber ist von der WM dagegen nicht viel zu spüren. Hin und wieder begegnet man einem freiwilligen Helfer, der in seinem lilafarbenen T-Shirt aber ebenso einer Studenten-Reisegruppe angehören könnte. Doch alles in allem wirkt die Stadt leerer als sonst. „Es sind Ferien“, sagt Taxifahrer Naheem. „Da ist in London nicht so viel los. Die Londoner fahren raus, die Touristen eher in den Süden.“ Die Publikumsmagneten Camden oder Borough Market scheinen von dieser Regel ausgenommen zu sein. Hier drücken sich die Massen durch die Straßen, ungeachtet der WM.

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