Medaillenjagd in Eigenregie Tesfaye läuft auf eigene Faust: "Jetzt bin ich wieder dran"
Düsseldorf · Er ist freundlich und eigenwillig. Homiyu Tesfaye galt als große Mittelstreckenhoffnung für den Deutschen Leichtathletik-Verband, bis die Interessen auseinanderliefen. Der DLV stoppte die Förderung. Nun will der gebürtige Äthiopier in Eigenregie auf Medaillenjagd gehen.
Der Weltklasseläufer Homiyu Tesfaye will allein seinen Weg zum großen Erfolg finden. Beim Hallenmeeting in Düsseldorf startete er sein Projekt "Laufen auf eigene Faust" mit einem vierten Platz über 1500 Meter in 3:40,97 Minuten.
Damit sicherte er sich auf Anhieb das Ticket für die Hallen-EM im März in Belgrad. "Ich war lange verletzt und hatte eine Knieoperation. Jetzt bin ich wieder dran", sagte der 23 Jahre alte gebürtige Äthiopier.
Tesfaye erhält allerdings keine finanzielle Unterstützung mehr vom Deutschen Leichtathletik-Verband, der ihn aus dem Kader und jeglicher Förderung gestrichen hat. Ganz abgerissen ist der Kontakt zwischen dem Verband und dem eigenwilligen Läufer aber nicht. "Der DLV will wissen, bei welchen Meetings ich laufe und mir helfen", berichtete Tesfaye. "Der Verband braucht von uns Athleten nur Leistung."
Tesfaye, der 2010 in Deutschland um Asyl bat und drei Jahre später eingebürgert wurde, weckte beim DLV Hoffnungen auf eine Mittelstreckenmedaille bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio. 2014 konnte er zwar einen deutschen Hallen-Rekord (3:31,98 Minuten) unter der Regie des inzwischen pensionierten Bundestrainers Wolfgang Heinig aufstellen, aber international kein Edelmetall holen. Bei den Rio-Spielen wurde er Achter in seinem Halbfinallauf, bei der EM 2016 reichte es nur zu Platz zehn.
"Ich habe drei, vier Jahre mit Heinig trainiert. Die Leistung war gut, aber ich habe keine Medaille bei den Meisterschaften gewonnen", sagte Tesfaye. "Mir fehlte die Konkurrenz im Training. In Frankfurt gibt es nur Frauen." Für ihn ist das ein Grund, "jetzt etwas anderes auszuprobieren" und die Freiheit zu haben, selbst alles zu entscheiden. "Deshalb möchte ich gern meinen eigenen Weg gehen."
Heinig ist schon länger enttäuscht von seinem früheren Schützling. Tesfaye soll Trainingslager geschwänzt haben oder sich zu längeren Trainingscamps in Äthiopien nicht abgemeldet haben. "Nicht steuerbar" lautete das Urteil des ehemaligen Coaches - und damit nicht förderwürdig.
Abgesehen vom Verein und einem Sponsor hat Tesfaye keine weiteren Einnahmen mehr, setzt aber auf die finanzielle und sportliche Unterstützung seiner Freundin Maryam Yusuf Jamal, die 2007 und 2009 Weltmeisterin über 1500 Meter wurde. "Ich trainiere mit meiner Freundin. Sie hat viel Erfahrung", sagte Tesfaye: "Und wenn es finanziell schwierig wird, ist meine Freundin auch noch da."
Zwei Monate will er noch in Frankfurt bleiben, dann nach St. Moritz übersiedeln und sein Glück als Lauf-Solist und mit Maryam finden. "Sie ist immer gern bei mir. Wenn ich bei der Weltmeisterschaft im August in London eine Medaille gewinne, heiraten wir", sagte er mit einem Lächeln.